Putin reagiert auf US-Drohungen und verkündet atomaren Rüstungswettlauf

Der russische Präsident Wladimir Putin hielt am 1. März vor dem russischen Parlament eine aggressive, nationalistische Ansprache, in der er die Fortschritte des russischen Atomarsenals pries. Er drohte mit „unmittelbarer“ Vergeltung für jeglichen amerikanischen Nuklearangriff und führte ein Video vor, das einen atomaren Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika simulierte.

Putins Rede ist bisher wohl der deutlichste Hinweis auf den Zusammenbruch der amerikanisch-russischen Beziehungen. Sie zeigte auch, wie groß die über der Menschheit schwebende Gefahr eines Atomkrieges zwischen den beiden Mächten ist. Die Rede fand inmitten der fanatischen Kriegshetze gegen Russland in den amerikanischen Medien statt.

Putin brüstete sich damit, dass „die Operationen Russlands in Syrien die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte bewiesen haben“, und er skizzierte weitgehende russische Pläne, die Atomwaffen des Landes zu modernisieren und amerikanische Raketenabwehrsysteme zu umgehen.

Die wichtigste dieser Modernisierungen sei das sogenannte Sarmat-Raketensystem, eine neue schwere Interkontinentalrakete, welche russische Einheiten bereits aufgestellt hätten. Zusätzlich zu mehreren weiteren Eigenschaften, die es ihr erlaubten, weder aufgespürt noch abgefangen zu werden, besitze die neue Rakete die Fähigkeit, die Vereinigten Staaten aus dem Süden anzugreifen, erklärte Putin. Damit würde sie die meisten bestehenden Raketenabwehrsysteme umfliegen, da diese nach Norden ausgerichtet seien.

Außerdem nannte Putin eine Reihe von Waffensystemen der neuen Generation, die sich alle bereits in einer fortgeschrittenen Testphase befänden. Zu diesen gehörten ein aus fliegenden Interkontinentalraketen startender Hyperschall-Wiedereintrittsflugkörper, der „meteoritengleich auf sein Ziel zusteuert, wie ein Feuerball“, eine atomar bestückte Rakete, die von einem Kernreaktor getrieben wird, eine atomar bestückte Unterwasserdrohne, sowie ein aus Flugzeugen startender Hyperschall-Kernwaffenträger.

Die Entwicklung dieser Systeme sei Russlands „Antwort auf den einseitigen Ausstieg der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Raketenabwehrvertrag ABM und der faktischen Stationierung von Raketenabwehrsystemen sowohl innerhalb als auch außerhalb amerikanischer Grenzen“.

Putin reagierte mit seiner Rede auf eine Reihe von Maßnahmen der Vereinigten Staaten, die zur Eskalation der Situation beigetragen haben. Am 2. Februar haben die USA ihre neue Atomwaffenstrategie (Nuclear Posture Review) veröffentlicht. Sie hat die Szenarien, in denen die Vereinigten Staaten Atomwaffen einsetzen würden, stark ausgeweitet und – allen internationalen Abkommen zum Trotz – die Entwicklung einer Reihe atomarer Kurzstreckenwaffen für den Gefechtseinsatz angeregt.

Putin erklärte in seiner Ansprache: „Wir sind sehr besorgt über gewisse Bestimmungen in der überarbeiteten Nuclear Posture Review, mit denen […] die Hürden für den Einsatz von Atomwaffen gesenkt werden. Hinter verschlossenen Türen kann man alles Mögliche tun, um sich gegenseitig zu beruhigen und abzukühlen, aber wir können lesen, was dort schwarz auf weiß geschrieben steht. Und zwar, dass diese Strategie zur Beantwortung von Angriffen mit konventionellen Waffen und sogar von Cyber-Bedrohungen eingesetzt werden kann.“

Die neue US-Atomwaffenstrategie stellt einen Kurswechsel im Vergleich zur Nuclear Posture Review aus dem Jahr 2010 dar. Damals wurde die Rolle der Atomwaffen im Militärarsenal der USA reduziert.

Putin bekräftigte, dass Russland sich lediglich das Recht vorbehalte, Atomwaffen in einem Verteidigungsfall anzuwenden, in welchem „die Existenz des Staates bedroht“ sei. Aber er machte zugleich klar, dass Russland auf jeden atomaren Angriff der Vereinigten Staaten mit aller Macht antworten würde.

„Jeder Einsatz von Atomwaffen gegen Russland oder seine Verbündeten, ob mit Kurz-, Mittel- oder Langstreckenwaffen, wird als Kernwaffenangriff auf dieses Land betrachtet. Der Vergeltungsschlag wird unmittelbar folgen, mit allen sich anschließenden Konsequenzen“, erklärte der russische Präsident.

Das Weiße Haus reagierte auf Putins Rede mit der Ankündigung, dass es sich von der russischen Waffenkraft nicht übertreffen lasse. Es erklärte: „Die Verteidigungsressourcen der Vereinigten Staaten sind die stärksten und werden die stärksten bleiben“, und Präsident Trump sei „entschlossen, unsere Heimat zu verteidigen und den Frieden durch Stärke zu bewahren“.

Putin antwortete auf die Versuche der Vereinigten Staaten, Russlands Aufstieg zu einer Regionalmacht zu stoppen. Er sagte: „Und all jenen, die in den vergangenen fünfzehn Jahren versucht haben, den Rüstungswettlauf zu beschleunigen und einen einseitigen Vorteil gegenüber Russland anstreben, […] erwidere ich: Alles, was Sie durch diese Politik zu verhindern suchten, ist bereits eingetreten. Niemandem ist es gelungen, Russland in die Schranken zu weisen.“

Die Bemerkungen Putins kommen zu einem Zeitpunkt, an dem das gesamte Waffenkontrollsystem, welches seit dem Zweiten Weltkrieg Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika vor einer direkten militärischen Konfrontation bewahrt hat, kurz vor seinem Zusammenbruch steht.

Der Nachrichtendienst Bloomberg, der die Spannungen zwischen Moskau und Washington auf der Münchner Sicherheitskonferenz kommentierte, warnte vor einem Zusammenbruch „jahrzehntealter Waffenkontrollvereinbarungen, die dazu beitrugen, ein strategisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, und das Risiko eines zufälligen Kriegsausbruchs verhinderten“.

Das Magazin zitierte Stellungnahmen von Dmitri Trenin, dem Leiter des Carnegie-Zentrums in Moskau, mit den Worten: „Die Feindseligkeit ist in den Vereinigten Staaten so enorm, dass die Zeit der Abstrafung Russlands bevorsteht. […] Ich sehe das Ende des gesamten Waffenkontrollsystems kommen.“

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der die europäischen Großmächte eine ambivalente Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten einnahmen, warnte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel: „[D]er Schauplatz einer nuklearen Auseinandersetzung wäre im Zweifel wieder Europa.“

Bloomberg zitierte auch den ehemaligen Außenpolitikberater des Kreml, Sergei Karaganow, mit den Worten, die Situation sei gerade dabei, „viel gefährlicher“ zu werden als während der Kubakrise im Jahr 1962.

Noch vor Putins Rede hatte auf der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen im Schweizerischen Genf Uno-Generalsekretär António Guterres in seiner Abschlussrede erklärt: „Wir müssen zusammenarbeiten, um unser gemeinsames Ziel, eine atomwaffenfreie Welt, zu erreichen.“

Doch Putins Kommentare und die neue US-Atomwaffenstrategie, die beide auf Guterres‘ Rede folgten, machen deutlich, wie hohl solche Phasen mittlerweile sind. Es wird immer klarer, dass die gegenwärtige geopolitische Entwicklung weltweit auf eine militärische Eskalation zutreibt und letztendlich im Einsatz von Atomwaffen kulminieren wird.

Putins Entscheidung, zu solch bellizistischen Drohgebärden zu greifen, enthält ein Element der Verzweiflung über die immer offensichtlichere Tatsache, dass wichtige Teile innerhalb des US-Militärs Vorbereitungen zu einem militärischen Konflikt mit Russland treffen.

In diesem Zusammenhang macht Putin klar, dass es unter seiner Führung keine Wiederholung der Nazi-Invasion Sowjetrusslands, die 1941 das Land vollständig unvorbereitet traf, geben wird. Es ist anzunehmen, dass Putin selbst unter immensem Druck seines eigenen militärischen Establishments steht, den Vereinigten Staaten etwas entgegenzusetzen.

Putin drückte dies folgendermaßen aus: „Ich hoffe, all dies, was heute gesagt wurde, wird jeden potenziellen Aggressor dazu bringen, es sich doppelt zu überlegen. Die unfreundlichen Akte gegenüber Russland, wie die Stationierung von Raketenverteidigungssystemen und das Aufbauen von Nato-Infrastruktur nahe der russischen Grenze, sind im militärischen Sinne ineffektiv und verursachen überflüssige Kosten, da sie jenen, die sich für diese Initiativen einsetzen, keinen Nutzen bringen.“

Doch der Versuch, die aggressiven Drohungen der Vereinigten Staaten mit nuklearem Säbelrasseln zu beantworten, wird Russland nicht retten. Die Politik der nationalen Verteidigung, wie sie von Putin dargelegt wurde, kann nur in die Katastrophe führen.

Der Imperialismus verfolgt seine eigene Agenda. Die Auflösung der Sowjetunion hat einen Transformationsprozess des postsowjetischen Russlands ausgelöst, dass sich immer mehr in Richtung einer de facto-Kolonie der Vereinigten Staaten und der imperialistischen Großmächte Europas entwickelt. Die USA werden kein einziges Zugeständnis von Putin akzeptieren, sondern nur die vollständige Unterwerfung Russlands unter das amerikanische Diktat. Putins Behauptung, dass Russlands Entwicklung von Atomwaffen die imperialistischen Mächte „zum Zuhören zwingt“, ist unverantwortlich und naiv.

Ein Vierteljahrhundert nach der Auflösung der Sowjetunion und der Beendigung des Kalten Krieges steht die Menschheit erneut am Rande der nuklearen Vernichtung. Es gibt zu diesem Wahnwitz nur eine Alternative: die Mobilisierung und Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, um das kapitalistische System, die Wurzel des Krieges, zu beenden.

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