Perspektive

Lehren aus der Italienwahl

Das Ergebnis der italienischen Parlamentswahl vom 4. März ist eine Warnung für die gesamte Arbeiterklasse und birgt enorme Gefahren. Der Zusammenbruch der offiziellen Linken, der Demokratischen Partei (PD) und ihrer pseudolinken Anhängsel, hat zum Aufstieg der extremen Rechten geführt. Die Wahlsieger und möglichen zukünftigen Regierungsparteien sind das Movimento 5 Stelle (M5S) des Komikers Beppe Grillo und die rechtsextreme Lega (früher Lega Nord).

Die Rechtsextremen würden all ihrer sozialen Demagogie zum Trotz die arbeiterfeindliche Politik der abgewählten PD fortsetzen und deren Maßnahmen gegen Flüchtlinge und Migranten massiv verschärfen. Ihr Vorsitzender Matteo Salvini drohte im Wahlkampf, eine halbe Million Migranten zu deportieren, falls seine Partei an die Regierung kommt. Andere Lega-Politiker wollen die Zugabteile nach Hautfarben und Religionen separieren und schwadronieren vom „Aussterben der weißen Rasse“ durch die „Invasion“ von Flüchtlingen. Auch das M5S, das sich anfangs vor allem auf die Frage der Korruption der etablierten Parteien konzentrierte, hetzt seit langem gegen Flüchtlinge.

Dass die extreme Rechte in einem Land wie Italien, dessen Arbeiterklasse über eine lange und militante anti-faschistische Tradition verfügt, so aggressiv ihr Haupt erheben kann, zeigt den völligen politischen Bankrott der offiziellen Linken. Es ist nicht so, dass die rassistische und faschistische Politik in der breiten Masse der Arbeiter großen Rückhalt hätte. Wenige Tage vor den Wahlen demonstrierten allein in Rom 100.000 gegen Rassismus und Faschismus. Die Stimmen für die Lega und M5S sind größenteils Ausdruck des Protests gegen die etablierten Parteien, die eine soziale Katastrophe angerichtet haben und die verhasste Kriegspolitik der Nato und der EU unterstützen. Dabei haben Arbeiter und Jugendliche die Erfahrung gemacht, dass vor allem die „linken“ Parteien die brutalsten Kürzungen durchsetzen und den Militarismus vorantreiben.

Der Zusammenhang zwischen der arbeiterfeindlichen Politik dieser Parteien und dem Aufstieg ultrarechter Kräfte ist offensichtlich. In den USA hat die enge Verbindung der Demokraten und ihrer Kandidatin Hillary Clinton zur Wall Street, zum Militär und zum Geheimdienst Donald Trump den Weg ins Weiße Haus geebnet. In Europa haben sozialdemokratische Parteien aufgrund ihrer neoliberalen Politik die Unterstützung der Arbeiterklasse verloren. Profitiert haben davon die Rechten. In Frankreich ist der Front National zweitstärkste Partei, in Deutschland sitzt die AfD im Parlament und in Österreich ist die FPÖ Teil der Regierung.

In Italien ist diese Entwicklung besonders ausgeprägt. Hier haben die Nachfolgeorganisationen der Kommunistischen Partei seit den 1990er Jahren immer wieder die Interessen der internationalen Finanzmärkte und das Diktat der Europäischen Union gegen den massiven Widerstand der Arbeiterklasse durchgesetzt. In den vergangenen sechs Jahren haben vier aufeinanderfolgende Premierminister – der von den Demokraten (PD) unterstützte Technokrat Mario Monti und die drei Demokraten Enrico Letta, Matteo Renzi und Paolo Gentiloni – historische Errungenschaften der Arbeiterbewegung zerschlagen und soziale und öffentliche Leistungen zusammengestrichen.

Die Folge sind 10 Millionen Arme, 7,5 Millionen Arbeitslose und Unterbeschäftigte, 10 Millionen ohne Gesundheitsversorgung und eine dramatische Umverteilung der Einkommen und Vermögen. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 240 mal so viel wie die ärmsten 20 Prozent.

Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega, die zusammen fast die Hälfte aller Stimmen gewannen, appellierten gezielt an die Wut auf die Regierung und auf die herrschenden Eliten. Beide griffen die EU an, schürten Nationalismus und hetzten gegen Flüchtlinge. Die Lega, die ihre Hochburgen im wohlhabenderen Norden des Landes hat, verknüpfte dies mit der Forderung nach sinkenden Steuern. Das Movimento 5 Stelle, das seine größten Erfolge im bitterarmen Süden errang, versprach ein bedingungsloses Grundeinkommen und bessere Renten – ein Versprechen, das es niemals einhalten wird.

Eine besonders üble Rolle beim Aufstieg der Rechten spielen pseudolinke Gruppierungen, die als Bündnis Potere al Popolo (Die Macht dem Volk) zur Wahl antraten. Diese Tendenzen bezeichnen sich als „radikale Alternative“, als „Antikapitalisten“ und als „Linke“, unterstützen aber seit langem die rechte Politik der PD und der Gewerkschaften. Getragen wird Potere al Popolo von Rifondazione Comunista, einer Partei, die in den 1990er Jahren ihren Einfluss nutzte, um bürgerlichen Regierungen den Rücken zu stärken und schließlich selbst in die verhasste Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi eintrat.

Zu den internationalen Vorbildern und Verbündeten von Potere al Popolo zählen so diskreditierte Parteien wie Podemos, La France Insoumise und Syriza, die für die schärfsten Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse verantwortlich ist. Das konnte Arbeiter und Jugendliche nur abstoßen und mangels einer wirklich marxistischen und sozialistischen Alternative in die Arme der Rechten treiben. Potere al Popolo erhielt bei der Wahl lediglich etwas mehr als ein Prozent.

Der Zusammenbruch der italienischen „Linken“ und Pseudolinken unterstreicht, dass der Kampf gegen den Aufstieg der extremen Rechten und die Rückkehr der herrschenden Klasse zu Krieg, Faschismus und Diktatur nur durch eine revolutionäre sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse gestoppt werden kann. Die Bedingungen dafür reifen schnell heran.

Die Italienwahl leitet eine neue Periode heftiger politischer Krisen und Klassenkämpfe ein. Sie verschärft die Krise der Europäischen Union. Die Bildung einer neuen Regierung kann sich über Monate hinziehen und wird möglicherweise zu Neuwahlen führen. Das italienische Bankensystem ist vom Zusammenbruch bedroht. In ganz Europa verschärfen sich die sozialen Spannungen und die Bereitschaft der Arbeiterklasse, gegen Angriffe auf soziale und demokratische Rechte und die Militarisierung des Kontinents zu kämpfen, wächst.

Die entscheidende Frage ist die der politischen Perspektive und Führung. „Die weltpolitische Lage in ihrer Gesamtheit ist vor allem gekennzeichnet durch die historische Krise der Führung des Proletariats“, schrieb Leo Trotzi inmitten der kapitalistischen Krise am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Auch heute hängt alles davon ab, eine neue marxistische Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen, die das revolutionäre Potential der italienischen, europäischen und internationalen Arbeiterklasse für ein sozialistisches Programm zum Sturz des Kapitalismus mobilisiert. Das erfordert den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Italien und ganz Europa.

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