Perspektive

Lehrergewerkschaften unterdrücken den wachsenden Klassenkampf in den USA

Am Sonntagabend beendete die Lehrergewerkschaft National Education Association (NEA) den Streik von 4.000 Lehrern und Schulangestellten in Jersey City, dem zweitgrößten Schulbezirk des Bundesstaates New Jersey. Die NEA wies alle Lehrkräfte an, die Arbeit wieder aufzunehmen, ohne Details über die vorläufige Einigung mit dem Arbeitgeber zu nennen, geschweige denn die Streikenden darüber abstimmen zu lassen. Sollte ein Tarifabkommen bereits bestehen, wird es nicht die Hauptforderung der Lehrer nach einem Ende der massiven Erhöhungen der Gesundheitskosten erfüllen.

Der eintägige Streik in New Jersey ist Teil einer ganzen Welle von Protesten und Streikaufrufen in mehreren Bundesstaaten, darunter West Virginia, Oklahoma, Kentucky, Arizona, Tennessee und Colorado. Auch in Puerto Rico, ein Außengebiet der USA, streikten am Montag Lehrer gegen die Privatisierung von Schulen.

Der Kampf der Lehrer in Jersey City entlarvt die Rolle der Demokratischen Partei, die den Angriff auf das öffentliche Bildungswesen ebenso unterstützt wie die Republikaner. Im Mittelpunkt des Arbeitskampfs stand das Gesetz „Chapter 78“, das öffentliche Angestellte verpflichtet, Krankenversicherungsbeiträge von bis zu 35 Prozent zu zahlen. Außerdem erhalten neu eingestellte Lehrer keine kapitalgedeckte Altersversorgung mehr. Dieses Gesetz wurde im Jahr 2011 verabschiedet und von den Demokraten unterstützt, die das lokale Parlament kontrollierten.

Nur wenige Stunden nach Beginn des Streiks erließ ein Richter in Hudson County eine Anordnung, auf deren Grundlage die von den Demokraten kontrollierte städtische Schulbehörde die Lehrer zur Wiederaufnahme der Arbeit aufforderte. Die groteske Begründung lautete, die Lehrer – nicht die kapitalhörigen Politiker – würden den Schülern von Jersey City „irreparablen Schaden“ zufügen.

Der städtische Lehrerverband Jersey City Education Association (JCEA) verhält sich genauso wie die Gewerkschaften in West Virginia, die jeden Arbeitskampf abgelehnt und versucht hatten, ihn schnellstmöglich zu beenden und einen Ausverkauf zu organisieren. Angesichts einer wachsenden Bereitschaft zu einem gemeinsamen landesweiten Kampf sehen es die NEA, die American Federation of Teachers (AFT) und die anderen staatsnahen Organisationen als ihre zentrale Aufgabe an, den Klassenkampf zu unterdrücken. Genau das gleiche werden sie überall tun, wo sich ein Arbeitskampf anbahnt, nicht nur unter Lehrern.

Am 1. März erschien in der Washington Post ein Artikel unter der Überschrift „Wenn der Oberste Gerichtshof gegen Gewerkschaften stimmt, wird den Konservativen nicht gefallen, was als nächstes passiert“. Shaun Richman, ehemals führender Funktionär der AFT, schildert darin ganz unverblümt, welche Bedeutung die Gewerkschaften für die amerikanische herrschende Klasse haben. Jeder Arbeiter, der das Wesen dieser Organisationen verstehen will, sollte sich diesen Artikel sorgfältig durchlesen.

Anlass für Richmans Kommentar war der laufende Prozess Janus vs. AFSCME vor dem Obersten Gerichtshof, in dem es um die Rechtmäßigkeit von „Mittlergebühren“ geht. Hierbei handelt es sich um eine Abgabe in Höhe des Gewerkschaftsbeitrags, den Beschäftigte im öffentlichen Dienst zahlen müssen, wenn sie keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Mark Janus, ein Sozialarbeiter aus Illinois, klagte gegen die American Federation of State, County, and Municipal Employees (AFSCME), die größte Gewerkschaft des öffentlichen Diensts, weil diese von Nicht-Mitgliedern Gebühren erhebt.

Richman schreibt: „Janus’ Unterstützer (und die meisten Kommentatoren) vergessen, dass Mittlergebühren nicht nur die finanziellen Kosten der gewerkschaftlichen Vertretung decken sollen, sondern auch die politischen Kosten dafür, dass alle Mitglieder in der Tarifeinheit repräsentiert und der Betriebsfrieden gewahrt werden. Wie der Anwalt der AFSCME in seinen mündlichen Ausführungen darlegte, sind die Mittlergebühren in den meisten Gewerkschaftsverträgen die Gegenleistung für ein Streikverbot. Sollten diese Klauseln verschwinden, werden die Arbeitgeber mit Chaos und Unfrieden konfrontiert sein.“

Das heißt, die regelmäßigen Einnahmen der Gewerkschaften, die aus automatisch abgezogenen Beiträgen der Gehälter aller Arbeiter bestehen, sind die Gegenleistung für die „politischen Kosten“ bei der „Wahrung des Betriebsfrieden“ durch die Vorbeugung von Streiks.

Richman erklärt weiter: „Das amerikanische Arbeitsrecht und die Arbeitgeber, die davon profitieren, ziehen es vor, dass es, wenn es schon eine Gewerkschaft geben soll, nur eine einzige Vertretung für alle berechtigten Mitarbeiter an einem Arbeitsort gibt. Dieses System erlegt den Gewerkschaften eine juristische Verpflichtung auf, alle Mitglieder der Tarifeinheit gerecht zu repräsentieren. Außerdem unterliegen sie damit der politischen Notwendigkeit, die Bedingungen jedes Tarifvertrags als ‚bestmögliches Ergebnis‘ zu verteidigen (selbst wenn sie Zugeständnisse bei Zusatzleistungen und Arbeitsregeln beinhalten). Als Gegenleistung erhalten die Gewerkschaften ein garantiertes Existenzrecht und eine zuverlässige Basis von Beitragszahlern. Arbeitgeber hingegen erhalten die viel wertvollere Garantie, dass die Arbeit des Unternehmens nicht unterbrochen wird, während die Gewerkschaftsführung die Beschwerden und den Unfrieden an der Basis für die Dauer des Tarifvertrags unterdrückt.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Hier geht es also nicht darum, dass die Gewerkschaften die Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber vertreten, sondern genau umgekehrt: Sie verteidigen die Arbeitgeber, indem sie die „Beschwerden und den Unfrieden [!] an der Basis“ unterdrücken. Dafür werden sie mit einer sicheren Einnahmequelle belohnt, während die Unternehmen dank der ununterbrochenen Arbeitsleistung noch mehr profitieren. Und die „Belohnung“ der Arbeiter besteht aus Zugeständnissen an die Arbeitgeber und schlechteren Arbeitsbedingungen.

Die Alleinvertretung durch eine Gewerkschaft, die Pflicht zur Zahlung von Mittlergebühren, die Streikverbote und die „Rechte des Managements“ seien „die Grundlage des besonderen Systems der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in unserem Land“, so Richman. Dieses System unterscheide sich von fast allen anderen Ländern.

Richmans Verweis auf das „besondere“ System der Arbeitsverhältnisse in den USA weckt Erinnerungen an eine viel ältere „besondere Institution“ in Amerika: die Sklaverei. Das System, welches Richman beschreibt, ist in der Nachkriegszeit entstanden, als sich die Gewerkschaften der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes darauf einigten, die Rechte des Managements nicht mehr in Frage zu stellen. Gleichzeitig fand in den Gewerkschaften eine schonungslose Säuberung von militanten sozialistischen und linken Mitgliedern statt, die in den 1930er Jahren das Rückgrat der Gewerkschaftsbewegung bildeten.

Arthur Goldberg, ein führender Anwalt der Stahlarbeitergewerkschaft United Steelworkers of America, zählte 1956 in einer Rede gegenüber Unterhändlern die „inhärenten Rechte“ des Managements auf, die in Tarifverhandlungen weder „abgewandelt noch verringert“ werden dürfen: „Die Gewerkschaft kann ihre Mitglieder nicht an ihre Arbeitsplätze oder Arbeitsorte schicken... Die Gewerkschaft erklärt entlassenen Arbeitern nicht, sie sollten bleiben. Die Gewerkschaft fordert die Arbeiter nicht auf, sich auch nach einer Entlassung zur Arbeit zu melden... Sehr oft sind Gewerkschafter über Entscheidungen, die sie für gänzlich falsch halten, beunruhigt. Trotzdem ist klar, dass ein Unternehmen das Recht hat, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

In der Nachkriegszeit konnten sich die Arbeiter angesichts des Wirtschaftswachstums und der unangefochtenen Kontrolle der US-Konzerne über die Weltwirtschaft bestimmte Errungenschaften erkämpfen, obwohl die Gewerkschaften von rechten Bürokraten kontrolliert wurden.

Dies änderte sich, als der wirtschaftliche Niedergang des amerikanischen Kapitalismus begann und die herrschende Klasse von der Politik des Sozialkompromisses zu offener Klassenkonfrontation und sozialer Konterrevolution überging. Als Reagan 1981 beim PATCO-Streik 13.000 Fluglotsen entließ und ihre Anführer verhaftete, unternahm der Gewerkschaftsbund AFL-CIO nichts. Damit begann eine jahrzehntelange Periode von Ausverkauf und Verrat seitens der Gewerkschaften, die bis heute andauert. Da die Gewerkschaften keine progressive Antwort auf die Globalisierung hatten, blockten sie jeden Widerstand der Arbeiter ab und unterstützten die Konzerne bei der Schließung von Fabriken und der Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen.

In dieser Zeit fand eine grundlegende Verwandlung der Gewerkschaften statt. Sie nannten sich zwar weiterhin „Gewerkschaften“, gaben aber alle Prinzipien auf, die seit jeher mit ihnen verbunden waren, sei es die Organisation von Streiks, die Bekämpfung von Problemen am Arbeitsplatz oder der Widerstand gegen Arbeitshetze und Machtmissbrauch des Managements. Statt den Anteil am Nationaleinkommen für die Arbeiterklasse zu erhöhen, arbeiteten die Gewerkschaften mit den Konzernen und der Regierung zusammen, um diesen Anteil zu verringern und stattdessen den der obersten fünf Prozent zu erhöhen.

Leo Trotzki erklärte 1937 über Gewerkschaftsvertreter der AFL in den USA: „Verteidigten diese Herren zudem noch die Einkünfte der Bourgeoisie gegen alle Angriffe der Arbeiter, d.h. führten sie einen Kampf gegen Streiks, gegen Lohnerhöhungen und gegen die Arbeitslosenunterstützung, dann hätten wir eine gelbe Organisation und keine Gewerkschaft vor uns.“

Genau das erleben wir heute. Man muss die „Tyrannei der Sprache“ meiden. Arbeiter haben zwar das Bedürfnis, sich zu vereinen und gemeinsamen Widerstand zu organisieren, doch in den „Gewerkschaften“ finden sie keine Arbeiterorganisationen, sondern Instrumente des Managements und des Staates. Sie werden von Funktionären kontrolliert, die zu privilegierten Schichten der oberen Mittelklasse gehören. So beträgt zum Beispiel das Jahresgehalt von AFT-Präsident Randi Weingarten eine halbe Million Dollar. Richman erhielt für seine „Dienste“ für die AFT 200.000 Dollar.

Am meisten fürchten diese Organisationen, dass sich Widerstand außerhalb ihrer Kontrolle entwickelt. Deshalb warnt Richman: Wenn das Urteil im Fall Janus das Monopol der Gewerkschaften schwächt, könnten „neue Gewerkschaften entstehen“, die „linker und militanter oder zumindest streitlustiger sind“ und die „sich nicht mit den derzeitigen Arbeitsregeln und Entschädigungen zufrieden geben und wenig Ambition haben, sich beschwichtigen zu lassen.“

Alle pseudolinken Gruppen, die die Gewerkschaften verteidigen, wollen die Arbeiterklasse im Würgegriff dieser Organisationen halten. Sie verleumden die Socialist Equality Party als „sektiererisch“, weil sie sich angeblich weigere, „innerhalb der Gewerkschaften zu arbeiten“. In Wirklichkeit betreibt die SEP ihre politische Arbeit überall, wo sich Arbeiter aufhalten, auch in den Gewerkschaften. Doch sie tut dies nicht, um die Autorität der arbeiterfeindlichen Organisationen zu erhalten, sondern um für die politische Unabhängigkeit und eine revolutionäre Politik der Arbeiterklasse zu kämpfen.

Für die Arbeiter geht es nicht darum, die bestehende Gewerkschaftsführung einfach durch eine neue zu ersetzen oder neue Gewerkschaften zu gründen, die die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse akzeptieren und verteidigen. Die Offenheit, mit der die amerikanischen Gewerkschaften die Vorherrschaft des Managements umarmten, mag zwar „besonders“ sein, doch der gleiche Degenerations- und Transformationsprozess hat sich in den nationalistischen und prokapitalistischen Arbeiterorganisationen auf der ganzen Welt vollzogen.

Es ist notwendig, in Fabriken und Arbeitsstätten Betriebskomitees aufzubauen, die sich an den Bedürfnissen und Rechten der Arbeiter orientieren und dafür eintreten, alle Teile der Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf zu vereinen. Sie müssen sich gegen die UAW, AFT, NEA und andere unternehmensorientierte Gewerkschaften richten und dürfen nicht zulassen, dass die Interessen der Arbeiter dem kapitalistischen System und dem Staatsapparat untergeordnet werden. Ihr Kampf richtet sich gegen die ununterbrochene Sparpolitik, die der Bereicherung der Finanzoligarchie und der Finanzierung neuer Kriege dient. Statt die Diktatur des Managements in den Unternehmen und Arbeitsstätten zu akzeptieren, müssen die Komitees das Recht der Arbeiter verteidigen, Arbeitskämpfe gegen alle Formen von Machtmissbrauch und Ausbeutung durch die Konzerne zu organisieren.

Die Komitees müssen vor allem die Lügen der Demokraten und der Republikaner zurückweisen, die behaupten, es gebe kein Geld für öffentliche Bildung, angemessene Löhne, Gesundheitsversorgung und Renten, aber gleichzeitig Billionen für Steuersenkungen für Reiche und endlose Kriege verschwenden.

Die Socialist Equality Party kämpft für solche Betriebskomitees, betont jedoch, dass der Klassenkampf mit einer sozialistischen Perspektive verbunden werden muss. Der Kampf für ein öffentliches Bildungswesen, höhere Löhne und vollständig finanzierte Kranken- und Rentenversicherung kann nur im Rahmen einer unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den immensen Reichtum und die Macht der kapitalistischen Ausbeuter erfolgreich sein.

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