25.000 Berliner demonstrieren gegen steigende Mieten

Am Samstag demonstrierten nach Angaben der Veranstalter rund 25.000 Menschen gegen steigende Mieten und knappen Wohnraum in der Hauptstadt. Wie in zahlreichen anderen Städten Deutschlands werden Wohnungen in Berlin wegen der Profitgier von Investoren für immer mehr Menschen unerschwinglich.

Auf der Demonstration

Zur Demonstration aufgerufen hatte ein breites Bündnis von über 200 Initiativen. Während der letzten Tage gab es unter dem Motto „Zusammensetzen“ täglich mehrere Aktionen in ganz Berlin. Diese reichten von Diskussionsveranstaltungen über symbolische Blockaden von Straßen bis zu Filmvorführungen.

Die große Zahl der Teilnehmer an der Demonstration, zu der ursprünglich nur 4000 erwartet worden waren, zeigt die enorme Wut über die hohen Mieten unter Studenten, Arbeitern, kleinen Selbständigen und Rentnern. Von Parteien und Gewerkschaften war kaum etwas zu sehen, stattdessen überwogen selbstgemalte Schilder und Transparente.

"Wohnungen statt Waffen"

Viele Teilnehmer verbanden die Mietenfrage mit Kritik am Kapitalismus. „Wohnraum ist keine Ware“, „Keine Profite mit unserer Miete“ und „Verdrängt den Kapitalismus“ stand auf einigen der Transparente. Eine Teilnehmerin thematisierte die massive Aufrüstung, die die Große Koalition beschlossen hat, und forderte: „Wohnungen statt Waffen“.

Viele Demonstrationsteilnehmer waren selbst unmittelbar von den rasant steigenden Mieten betroffen. Nadja, die mit ihrer Schwester Katja zur Demonstration kam, hat Angst, dass sie mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern nicht mehr in ihrem Viertel im Prenzlauer Berg leben kann. Wie viele andere Mieter hat sie noch alte Verträge. „Wenn jetzt eine Sanierung kommt, wäre das ein Super-Gau.“ Sie erzählt von einer 80-jährigem Nachbarin, deren Wohnung bereits gekündigt wurde, weil sie die Miete nicht aufbringen konnte.

„Wohnen ist ein Grundrecht“, wirft ihre Schwester Katja ein, die in Mitte wohnt. Sie macht den Turbokapitalismus für die steigenden Mieten und die soziale Polarisierung verantwortlich. Damit drückt sie aus, was viele Teilnehmer denken.

Katja (links) und Nadja

Auch Christine erlebt die Situation am eigenen Leib. Ihre Miete ist vor Kurzem um 10 Prozent erhöht worden. Sie ist Mitte 20, arbeitet als Sozialarbeiterin und muss mittlerweile 50 Prozent ihres Lohnes für die Miete verwenden. „Da bleibt mir kaum noch etwas für kulturelle Aktivitäten übrig, denn Strom, Lebensmittel, Ausgaben für den Nahverkehr usw. fressen fast den ganzen Rest auf.“

Die selbe Erfahrung macht eine Gruppe von Studenten und Auszubildenden. Sie sind direkt von den Mieterhöhungen betroffen. Auch sie müssen zum Teil bereits 40 Prozent ihres ohnehin geringen Einkommens für Mietkosten ausgeben. Niko sucht eine Wohnung. Aber als Auszubildender ist es nochmal schwerer, da Vermieter immer Leute mit gesichertem Einkommen bevorzugen. Auch Medizindoktorant Jens bestätigt dies. Ihm wurden bislang bei seiner Wohnungssuche Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 12 bis 15 Euro angeboten, was für ihn nicht erschwinglich ist.

Niko, Hanne und Sahra mit einer Gruppe von Studenten und Auszubildenden

Eine andere Demonstrantin erklärt, dass ihr 21-jähriger Sohn noch bei ihr lebt, weil er sich bei den rasant steigenden Mieten keine eigene Wohnung leisten kann. Sie selbst hat die Befürchtung, dass sie die Wohnung auch nicht mehr bezahlen kann, wenn sie bald in Rente geht. „Dann müsste ich aus Berlin wegziehen“, erklärt sie.

Die 44-jährige Verkäuferin Angela, die alleine zur Demonstration kam, erzählt, dass nicht nur die Mieten ein Problem sind. „Mein Gehalt steigt schon seit Jahren nicht mehr. Hätte ich in meinem Job eine gute Bezahlung, wäre das alles nicht so schlimm.“ Auf den Einwurf, dass die Mietfrage ein Teil der prekären sozialen Situation sei, erwidert Angela: „Ja, Mieten und Löhne sind ein politisches Problem, aber keiner der regierenden Politiker interessiert sich dafür.“

Diese Ansicht ist auf der Demonstration weit verbreitet. Wie viele Teilnehmer meint auch Sozialarbeiterin Christine, dass die „Politiker, die diese Misere im Wohnungsmarkt zugelassen haben“, für die Bedürfnisse der Bevölkerung „kein Ohr“ haben.

Die Sozialistische Gleichheitspartei verteilte einen Aufruf, der feststellte, dass „die explodierenden Mieten das Produkt einer bewussten Politik der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben“ sind. „Daran sind alle im Bundestag vertretenen Parteien beteiligt.“

Als ein Vertreter der SGP dies mit Katja und Nadja diskutiert, reagierten sie nachdenklich. Nadja sagte, dass sie sich angesichts der ständigen Verschlechterung der sozialen Lage oft hilflos fühle. Katja erinnerte daran, dass sie schon die Wende miterlebt hatte. „Vielleicht muss man den Druck erhöhen. In jedem Fall muss man sich zusammenschließen“, meint sie. „Die Probleme sind ja auf der ganzen Welt die gleichen“, fügt ihre Schwester hinzu.

Immer wieder wird auch der Zusammenhang der sozialen Krise mit der Kriegsentwicklung diskutiert. Nadja und Katja sind darüber sehr besorgt. „Ich bin eigentlich nicht so politisch, aber es wird immer gruseliger“, sagt Nadja. In den Medien werde ein sehr einseitiges Bild gezeichnet, als ob Russland an allem schuld sei.

„Ich habe Freunde in Russland“, berichtet Katja. „Es gibt in dem Land sicherlich diktatorische Tendenzen. Aber aus Berlin erhält man nur ein sehr Nato-konformes Bild.“ Nadja geht noch auf den mutmaßlichen Anschlag auf den Doppelagenten Skripal ein. „Es ging sofort gegen Moskau. Da ging die Welle los, als ob sie sich abgesprochen hätten.“

Auch Stefanie und Sabine sind nicht nur wegen der steigenden Mieten auf die Demonstration gekommen. „Das ganze System ist anzuprangern“, sagen sie. „Ich frage mich immer, wann das angefangen hat, dass die Reichen so viel besitzen und die große Masse nichts.“

Stefanie (links) und Sabine

„Mir macht das alles große Angst, vor allem die Kriegspolitik“, sagt Sabine, die als Sozialarbeiterin arbeitet. Sie fühlt sich in Bezug auf Syrien und Russland nicht neutral informiert. „Ich verstehe nicht, was in deren Köpfen vorgeht. Auch wenn sie die Flüchtlinge an den Grenzen sterben lassen wollen oder sie hier so schlecht behandeln.“ Auch Stefanie und Sabine fühlen sich hilflos. „Man hat das Gefühl, dass man nichts ändern kann.“

Das Flugblatt der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), das auf der Demonstration massenhaft verteilt wurde, stieß auf großes Interesse. Im Gegensatz zu den Organisatoren und den politischen Gruppen, die auf der Demonstration zugegen waren, stellt die SGP die Frage der Mieten direkt in Zusammenhang mit der sozialen Krise und der Kriegspolitik.

Im Aufruf heißt es: „Die heutige Mieten-Demonstration ist Teil einer wachsenden Mobilisierung gegen soziale Ungleichheit, Arbeitshetze und Staatsaufrüstung. In Frankreich protestierten Studierende und streiken die Beschäftigten der Eisenbahn gegen die Privatisierung, in den USA legen immer mehr Lehrer die Arbeit nieder, und hier in Deutschland streiken weite Teile des öffentlichen Dienstes.“

Das SGP-Flugblatt entwickelt dann folgende Perspektive für diesen Kampf: „Wenn Arbeiter ihre sozialen Rechte verteidigen und gegen höhere Mieten kämpfen, geraten sie unweigerlich in Konflikt mit der Regierung und allen im Bundestag vertretenen Parteien. Diesen Kampf zu gewinnen, erfordert ein sozialistisches Programm, das die Bedürfnisse der Menschen vor die Profitinteressen stellt, und eine revolutionäre Partei, die Arbeiter auf der ganzen Welt im Kampf gegen Krieg und soziale Ungleichheit vereint. Für diese Perspektive kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP).“

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