Perspektive

Nach neuen Raketenangriffen auf Syrien

Washington und Tel Aviv steuern auf Krieg gegen Iran zu

Die Ereignisse der letzten Tage haben deutlich gemacht, dass der US-Imperialismus – in enger Zusammenarbeit mit Israel, seinem Hauptverbündeten im Nahen Osten, – einen Kurs der direkten militärischen Konfrontation mit dem Iran eingeschlagen hat.

Nur anderthalb Wochen bevor US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung über das iranische Atomabkommen bekannt gibt, hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eine theatralische Rede inszeniert, in der er behauptete, „Beweise“ dafür zu haben, dass „der Iran im Bezug auf sein Atomprogramm gelogen“ habe. Netanjahu zeigte sich zuversichtlich, dass Trump „das Richtige tun“ würde, nämlich das nukleare Abkommen (Joint Comprehensive Plan of Action oder JCPOA), das zwischen dem Iran und den sechs Großmächten USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland geschlossen wurde, aufzukündigen. Am 14. Mai wird die Trump-Regierung erklären, ob sie einseitige US-Sanktionen gegen den Iran, die im Rahmen des Atomabkommens 2015 auf Eis gelegt wurden, wieder in Kraft setzt.

Trump begrüßte Netanjahus Rede. Sie würde bestätigen, dass er zu „100 Prozent Recht hatte“, als er das Atomabkommen als „schrecklichen Deal“ verurteilte.

In Wirklichkeit haben internationale Nuklearexperten, EU-Vertreter und sogar ehemalige israelische Geheimdienstmitarbeiter Netanjahus Auftritt als Farce zurückgewiesen. Die israelische Regierung, die behauptet, hunderttausende Akten aus dem Iran gestohlen zu haben, konnten keinen einzigen Beweis dafür vorlegen, dass der Iran in den letzten 15 Jahren ein Atomwaffenprogramm entwickelt oder die Bedingungen des JCPOA verletzt hat. Wiederholte Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde, darunter einer im Februar, haben ergeben, dass Teheran die strengen Auflagen bei der Urananreicherung und die genauen Inspektionen einhält, die im Rahmen des Abkommens festgelegt wurden.

Netanjahus Präsentation erinnerte an Colin Powells Rede von 2003. Der damalige US-Außenminister hatte angebliche „Beweise“ über – nicht existente –„Massenvernichtungswaffen“ im Irak präsentiert, die einen Monat später als Rechtfertigung für den Angriffskrieg der USA dienten. Powell hatte zumindest noch Lügen vorgebracht, um die falschen Anschuldigungen zu begründen – Netanjahu legte gar nichts vor.

Die Rede, die Netanjahu in englischer Sprache hielt, hat er in direkter Absprache mit Trump, den er kurz vor der Sendung sprach, und dem neuen US-Außenminister Mike Pompeo, der sich am Vortag mit ihm und anderen Beamten in Tel Aviv getroffen hatte, inszeniert.

Hinter all dem Chaos und den Skandalen der Trump-Administration steht ein Kriegskabinett, in dem John Bolton zum nationalen Sicherheitsberater ernannt und Pompeo vom Senat – mit der unentbehrlichen Unterstützung der Demokraten – als Staatssekretär bestätigt wurde. Beide sind glühende Verfechter eines Krieges gegen den Iran.

Bolton hat das iranische Atomabkommen als „massiven strategischen Fehler“ bezeichnet und darauf bestanden, dass es das Ziel der USA sein sollte, die „islamische Revolution von 1979 vor ihrem vierzigsten Jahrestag“ im kommenden Februar zu beenden. Der Regimewechsel in Teheran, so der neue nationale Sicherheitsberater, sollte durch direkte militärische Aktionen gefördert werden. „Bombt Iran, um Irans Bomben zu stoppen“ war die Überschrift eines Meinungsbeitrags, den er für die New York Times schrieb, kurz bevor die Einigung über das JCPOA-Abkommen erzielt wurde.

Der US-israelische Krieg gegen den Iran hat bereits begonnen. Bei Militärschlägen von israelischen F-15-Kampfflugzeugen auf syrische Militärbasen wurden am Sonntagabend zwei Dutzend Iraner getötet. Damit hat Israel seit September letzten Jahres schon fünfmal Militärschläge gegen Syrien durchgeführt, die sich allesamt gegen iranische Kräfte richteten. Teheran ist neben Russland der Hauptverbündete der Assad-Regierung, die Washington und seine Verbündeten in einem sieben Jahre andauernden Krieg zu stürzen versuchen.

Berichte aus Israel deuten auch auf eine größere Verlegung von Panzern, Truppen und gepanzerten Mannschaftstransportern an die nördlichen Grenzen des Landes zu Syrien und dem Libanon hin.

„Ganz oben auf der Liste der feindseligen Konflikte rund um den Globus, die das Potential haben, offen aufzubrechen, steht zur Zeit der Kampf zwischen Israel und dem Iran in Syrien“, erklärte am Dienstag ein hochrangiger US-Vertreter gegenüber NBC News.

Die enge Zusammenarbeit zwischen Washington und Tel Aviv bei der Vorbereitung eines solchen Krieges zeigte sich in den zahllosen hektischen Treffen hochrangiger US-amerikanischer und israelischer Militär- und Sicherheitsbeamten, die unentwegt zwischen den Hauptstädten der beiden Länder hin und her flogen. Außerdem wurde Pompeo in den Nahen Osten entsandt, noch bevor er ins Außenministerium kam. Dort beriet er sich nicht nur mit Netanjahu und anderen israelischen Vertretern, sondern auch mit saudischen und jordanischen Beamten, um einen reaktionären Block der monarchischen arabischen Regime zu bilden, der den US-israelischen Kriegskurs unterstützt.

Hinter dieser Kriegspolitik verbirgt sich nicht vermeintliche Besorgnis über eine iranische nukleare Bedrohung. Hier geht es um nackte imperialistische Interessen. Während Israels Arsenal schätzungsweise 200 bis 400 nukleare Sprengköpfe umfasst, hat Teheran keine Atombombe und auch nie ein wirkliches Programm zur Herstellung einer Bombe entwickelt.

Aber als Regionalmacht steht der Iran dem Bestreben des US-Imperialismus entgegen, seine Vorherrschaft über den ölreichen und strategisch wichtigen Nahen Osten durchzusetzen.

Die europäischen Mächte geraten zunehmend in Konflikt mit Washington. Nachdem der französische Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel bei ihren US-Besuchen trotz ihrer Unterwürfigkeit die Trump-Administration offenbar nicht davon überzeugen konnten, das iranische Atomabkommen fortzusetzen, konzentrierten sich die Gespräche zwischen ihnen und der britischen Premierministerin May am Wochenende offenbar auf die Frage, ob es eine Aussicht gibt, das Abkommen auch ohne die USA zu retten. Einerseits fürchten sie, dass ein größerer regionaler Krieg in Form von Gewalt, politischer Krisen und eines erneuten Flüchtlingsstroms auch nach Europa vordringen könnte, und andererseits geht es ihn um handfeste Profitinteressen.

Während US-Banken und Konzerne aufgrund von US-Wirtschaftssanktionen, die nicht mit dem Abkommen zusammenhingen, weitgehend vom iranischen Markt ausgeschlossen wurden, haben europäische Unternehmen, darunter der französische Ölkonzern Total, lukrative Vereinbarungen mit dem Iran unterzeichnet. Die meisten haben aber bisher wenig dort produziert, weil sie befürchten, dass Washington das Atomabkommen aufkündigen und ausländische Firmen, die im Iran Geschäfte machen, sanktionieren wird.

In dieses Vakuum tritt China, das bedeutende Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran aufgebaut hat. Die Pekinger Regierung hat beispielsweise kürzlich einen Kredit von 10 Milliarden Dollar investiert, um Infrastrukturprojekte chinesischer Unternehmen im Iran zu unterstützen, darunter Energieanlagen, Dämme und Transportprojekte. Für Peking ist der Iran ein zentraler Baustein in der neuen Seidenstraße, dem „One Belt, One Road“-Projekt, das China mit Europa verbindet. Außerdem ist Peking bestrebt, einen größeren Teil seiner Ölimporte von regionalen Produzenten wie Saudi-Arabien, die auf Washington ausgerichtet sind, zu verlagern. 2016 kündigten der chinesische Präsident Xi Jinping und der iranische Präsident Hassan Rouhani an, den bilateralen Handel in den nächsten zehn Jahren auf 600 Milliarden Dollar zu erhöhen.

Der US-Imperialismus versucht im Iran – genau wie anderen Ländern –, den Niedergang seiner wirtschaftlichen Vorherrschaft durch eine aggressive Militärpolitik auszugleichen. Die europäischen Mächte haben sich zwar den Militäraktionen der USA angeschlossen, insbesondere Großbritannien und Frankreich mit ihrer Beteiligung am Raketenangriff auf Syrien am 14. April. Doch ihre Hoffnungen auf einen Teil der imperialistischen Beute können sich nicht erfüllen, wenn sie weiterhin am Rockzipfel der USA hängen. Deshalb müssen sie unweigerlich selbst aufrüsten, um im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zu bestehen. Dieser Prozess ist bereits in vollem Gange.

Washingtons Versuche, Europa mit einem erneuten Aufschub der Handelskriegsmaßnahmen zu besänftigen und die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel vorübergehend abzubauen, dienen lediglich dazu, alle Kräfte auf die Kriegsvorbereitungen im Nahen Osten zu konzentrieren.

Die Entwicklung eines Krieges zwischen Israel und dem Iran verschärft sich im Rahmen der anhaltenden militärischen Intervention der USA in Syrien, die sich zu einer Konfrontation mit regierungsorientierten Kräften entwickelt, die vom Iran und von Russland unterstützt werden.

US-Verteidigungsminister James Mattis deutete am Montag an, dass die mehr als 2.000 US-Soldaten, die derzeit in Syrien stationiert sind, nicht in absehbarer Zeit abgezogen würden. „Wir wollen uns nicht zurückziehen, bevor die Diplomaten den Frieden gewonnen haben“, sagte er. „Du gewinnst den Kampf und dann den Frieden.“

Tatsächlich bleiben die US-Streitkräfte, unterstützt von ihren Stellvertretertruppen der syrisch-kurdischen YPG-Miliz, vor Ort, um eine amerikanischen Einflusszone zu sichern, die etwa ein Drittel des Territoriums Syriens an seinen nordöstlichen Grenzen zur Türkei und zum Irak umfasst. In diesem Gebiet befinden sich auch die Öl- und Gasreserven des Landes. Die US-Truppen verfolgen nicht mehr ihre angebliche Mission gegen den IS, sondern kämpfen gegen die Versuche der syrischen Regierung, die Kontrolle über dieses Gebiet und seine Ressourcen zurückzugewinnen. Dabei wird Assad von Russland und dem Iran unterstützt.

Außerdem führt Russland Gespräche mit Damaskus über die Bereitstellung hochentwickelter Luftverteidigungssysteme. Damit wächst die Gefahr eines Konflikts zwischen russischen Streitkräften und denen der USA und Israels.

Die Entwicklung in Syrien und die drohende Konfrontation mit dem Iran sind eine ernste Warnung an die Arbeiterklasse in den USA und auf der ganzen Welt. Unter den Bedingungen der Krise des Kapitalismus bereitet die herrschende Klasse – allen voran die USA – einen Weltkrieg vor, der mit Atomwaffen geführt werden würde.

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