Perspektive

Israel feiert 70. Jahrestag inmitten von Kriegsverbrechen und verschärfter sozialer Krise

Israel hat gestern den 70. Jahrestag der Gründungserklärung eines jüdischen Staates in Palästina begangen. Diese Erklärung von 1948 fiel zusammen mit dem Ende des britischen Mandats, das seit der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg bestanden hatte.

In diesem Jahr war der Jahrestag davon geprägt, dass die israelische Armee palästinensische Demonstranten an der Grenze zum Gaza erschießt und das Kriegsfieber gegen den Iran schürt.

Der Jahrestag wurde überschattet von der feierlichen Eröffnung der neuen US-Botschaft in Jerusalem, einer von der Trump-Regierung angeordneten Verletzung des Völkerrechts. Sie hat den Nagel in den Sarg des so genannten „Friedensprozesses“ zwischen Israel und den Palästinensern geschlagen und der Illusion einer „Zwei-Staaten-Lösung“ den Garaus gemacht.

Er bildete außerdem den Anlass für ein neuerliches Blutvergießen am stark militarisierten Sicherheitszaun zum Gaza, wo seit über sechs Wochen Tausende von Palästinensern beim so genannten „Marsch der Rückkehr“ demonstriert haben. Etwa 50 Demonstranten wurden bereits vor dem Gründungsfeiertag getötet und viele Tausende verletzt, da die israelischen Streitkräfte Schießbefehl gegen unbewaffnete Demonstranten erhalten haben. Am Montag töteten israelische Sicherheitskräfte weitere 37 Demonstranten und verletzten etwa 500. Beim brutalen Vorgehen am Unabhängigkeitstag wurden gestern letzten Angaben zufolge mindestens 52 Palästinenser getötet und tausende verletzt.

Die Proteste sind mit der Entstehung des Staates Israel und ihren historischen Folgen verbunden. Die Demonstranten fordern ihr Recht auf Rückkehr in die Häuser und Dörfer, aus denen sie vor 70 Jahren vertrieben wurden, was die Palästinenser als „Nakba“ (dt. „Katastrophe“) bezeichnen. Etwa eine Viertelmillion Palästinenser wurden durch eine systematische Kampagne des Terrorismus und der Einschüchterung von ihrem Land vertrieben, ein gigantischer Akt der „ethnischen Säuberung“, der darauf abzielte, einen auf Rasse und Religion basierenden jüdischen Staat zu schaffen.

Die Aktionen Washingtons – sowohl die Verlegung seiner Botschaft nach Jerusalem als auch die Auflösung des Atomabkommens zwischen den großen Weltmächten und dem Iran – wurden von der rechten israelischen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu gefeiert. Sie haben diesem Regime grünes Licht gegeben, um sowohl die gewaltsame Unterdrückung des palästinensischen Volkes zu intensivieren als auch militärische Angriffe in Syrien zu starten, die eine Konfrontation mit dem Iran provozieren sollen. Dies könnte zu einem katastrophalen regionalen Flächenbrand führen.

Israels herrschende Klasse schürt bewusst eine Kriegshysterie, um die immensen sozialen Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft nach außen zu lenken. Sie will außerdem die Aufmerksamkeit von den Korruptionsskandalen ablenken, die das gesamte politische Establishment, von Netanjahu abwärts, betreffen.

Angesichts der gestrigen Ereignisse – der kriminellen Feierlichkeiten zum Umzug der Botschaft durch amerikanische und israelische Beamte und neuerlichen Massakern an der Grenze zwischen Gaza und Israel – wird den großen weltgeschichtlichen Fragen wenig Aufmerksamkeit zuteil, die mit Israels Ursprung und Entwicklung verbunden sind und die untrennbar mit dem Schicksal der Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert zusammenhängen.

Diesen grundlegenden historischen Fragen widmete sich die World Socialist Web Site 1998 zum 50. Jahrestag der Gründung des Staates Israel.

„In Israels Geburt und Entwicklung konzentrieren sich die großen ungelösten Widersprüche des 20. Jahrhunderts. Seine wesentlichen Ursprünge liegen in einem der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Geschichte, dem Holocaust. Die Vernichtung von sechs Millionen europäischen Juden war wiederum der schreckliche Preis für die Krise der Arbeiterbewegung, die durch die stalinistische Degeneration der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale ausgelöst wurde. Die Verbrechen des Stalinismus und seine Herrschaft über die Arbeiterbewegung verhinderten, dass die Arbeiterklasse dem krisengeschüttelten kapitalistischen System ein Ende setzte, das im Faschismus seine letzte Verteidigungslinie fand.“

„Die Niederlagen der Arbeiterklasse, die Verbrechen des Stalinismus und die Schrecken des Holocaust schufen die historischen Voraussetzungen für die Gründung Israels und den weitgehend erfolgreichen Versuch der zionistischen Bewegung – unterstützt sowohl vom US-Imperialismus als auch vom Stalinismus –, den Zionismus mit dem Judentum gleichzusetzen. Es war eine Bewegung und ein Staat, der sich letztlich auf Entmutigung und Verzweiflung gründete. Der Verrat des Stalinismus führte zu Enttäuschung über die sozialistische Alternative, die einen so starken Appell an die jüdischen Werktätigen auf der ganzen Welt gerichtet hatte. Die Verbrechen des deutschen Faschismus wurden als der ultimative Beweis dafür präsentiert, dass es unmöglich sei, den Antisemitismus in Europa oder anderswo zu besiegen. Die Antwort des Zionismus war, einen Staat und eine Armee zu bekommen und die historischen Unterdrücker des jüdischen Volkes mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.“

„Die tragische Ironie dieser vermeintlichen Lösung ist Israels Verknüpfung des jüdischen Volkes – traditionell und historisch verbunden mit dem Kampf für Toleranz und Freiheit – mit der brutalen Niederschlagung einer anderen unterdrückten Bevölkerung.“

In den 20 Jahren seit der Veröffentlichung der Erklärung der WSWS von 1998 haben sich die bösartigen Widersprüche in der israelischen Gesellschaft nur noch vertieft. Die Zahl der Einwohner in den illegalen zionistischen Siedlungen in den von Israel seit dem Krieg von 1967 besetzten Gebieten – dem Westjordanland, Ostjerusalem und den Golanhöhen Syriens – ist von 160.000 auf über 600.000 gestiegen.

Während Israel seine Truppen und Siedlungen aus dem Gazastreifen abgezogen hat, bleibt er ein besetztes Gebiet, ein Freiluft-Gefängnis, über das Tel Aviv eine direkte Kontrolle in Bezug auf Grenzen, Luft- und Seeraum ausübt. Es diktiert die Bedingungen für Massenarbeitslosigkeit und Armut in einem Gebiet, dessen Durchschnittseinkommen in etwa dem des Kongo entspricht. Die israelische Armee hat wiederholt Kriege gegen das Territorium geführt, die Tausende von Zivilisten das Leben gekostet haben und gleichzeitig die lebenswichtige Infrastruktur zerstört haben. Diese beinahe genozidale Kampagne wird bis heute mit der Ermordung von Demonstranten an der Grenze zum Gaza fortgesetzt.

Seit 2000 sinken die Reallöhne im Westjordanland unter der nominellen Herrschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde, die als Hilfspolizei für die israelische Besatzung fungiert und gleichzeitig eine dünne Schicht korrupter PLO-Beamter und Geschäftsleute bereichert.

Innerhalb der israelischen Gesellschaft selbst wachsen die Klassenspannungen. Das Land steht nach den Vereinigten Staaten auf Platz zwei der sozial ungleichsten Mitgliedsländer der OECD. Die Armutsquote liegt bei 22 Prozent – 55 Prozent der israelischen Palästinenser und jedes dritte Kind des Landes leben in Armut.

Am Sonntag beendeten israelische Hafenarbeiter einen dreitägigen Streik, nachdem sie die Häfen von Eilat, Haifa und Ashdod geschlossen hatten. Im vergangenen Dezember kam es zu einem landesweiten Streik gegen die Entscheidung des Pharmakonzerns Teva, ein Viertel seiner Belegschaft zu entlassen. Die städtischen Arbeiter in Jerusalem führten im Januar wegen drohender Massenentlassungen und Nichtzahlung ihrer Löhne einen Streik durch, bei dem sie den Zugang zur Knesset mit Müllwagen blockierten.

Siebzig Jahre nach der Gründung des Staates Israel ist heute klarer denn je, dass es keine nationale Lösung für die Probleme gibt, mit denen sämtliche Teile der Arbeiterklasse in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten konfrontiert sind. Nur die Vereinigung jüdischer und arabischer Arbeiter in der gesamten Region auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms kann einen Ausweg aus der heutigen blutigen und zunehmend gefährlichen Sackgasse bieten.

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