Perspektive

Massenmord in Gaza

Das israelische Militär hat am Montag in Gaza zig unbewaffnete palästinensische Demonstranten abgeschlachtet und Tausende weitere verletzt. Zum Zeitpunkt der Gräueltat fand keine 100km entfernt eine groteske Zeremonie zur feierlichen Eröffnung der US-Botschaft in der geteilten und besetzten Stadt Jerusalem statt.

Die beiden Ereignisse zum 70. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Israels wurden in den Medien nebeneinander gestellt und von den Fernsehsendern gleichzeitig auf geteilten Bildschirmen übertragen. Es konnte nicht verschwiegen werden, dass die Eröffnung der amerikanischen Botschaft im Einklang mit dem Massaker am Sicherheitszaun stand, der das verarmte besetzte Gebiet von Israel trennt.

Die Zahl der unbewaffneten palästinensischen Demonstranten, die von Scharfschützen der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) an der Ostgrenze des Gazastreifens erschossen wurden, stieg am Montag auf mindestens 58. 2.700 weitere Menschen wurden verletzt, wobei viele von ihnen schwere Verletzungen durch scharfe Munition erlitten. Die Zahl der Todesopfer wird daher höchstwahrscheinlich noch steigen. Viele der Überlebenden haben durch israelische Scharfschützen Gliedmaßen verloren. Berichten zufolge konnten palästinensische Rettungsteams den stark befestigten Grenzzaun und damit einige der Leichen von Demonstranten nicht erreichen.

Unter den Toten waren mindestens acht Kinder unter 16 Jahren, darunter ein 12-jähriges und ein noch jüngeres Mädchen. Unter den Verwundeten befinden sich 78 Frauen und 203 Kinder, berichtete die palästinensische Gesundheitsbehörde in Gaza.

Diese absichtliche Massentötung von Flüchtlingen, die das Recht auf Rückkehr in die Häuser und Dörfer fordern, aus denen ihre Familien vor 70 Jahren mit der Gründung des Staates Israel gewaltsam vertrieben wurden, ist eine monströse Straftat.

Das israelische Militär ging mit tödlicher Gewalt vor, u.a. mit Luftangriffen, Panzergranaten und dem Abwerfen von brennbarem Material auf Zeltlager, in denen sich palästinensische Familien versammelt hatten.

Diese zügellose staatliche Gewalt ist keine Reaktion auf irgendeine Art von tödlicher Bedrohung durch Zehntausende unbewaffneter Demonstranten. Die IDF hat zwar weit über 100 Palästinenser getötet, zählt aber selbst kein einziges Opfer seit Beginn der Proteste zum „Großen Marsch der Rückkehr“ am 30. März in Gaza.

Vielmehr stellt das von den Jugendlichen geforderte elementare Recht auf Rückkehr eine existenzielle Bedrohung für das gesamte zionistische Projekt dar. Dieses beruht schließlich darauf, dass durch die Enteignung des palästinensischen Volkes ein auf rassischer und religiöser Exklusivität basierender jüdischer Staat errichtet wurde.

Alle an diesem Massenmord Beteiligten – vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem Kabinett, über die Wegbereiter in Washington bis hin zu den Scharfschützen, die die Kugeln abfeuern – sind gemeinsam wie persönlich für Kriegsverbrechen verantwortlich. Wie in den Nürnberger Prozessen gegen die NS-Kriegsverbrecher festgestellt wurde, sind Soldaten in der Lage und verpflichtet, einen illegalen Befehl zur mutwilligen Tötung von Zivilisten abzulehnen. Nur eine Armee, die mit rassistischer und faschistischer Ideologie gesättigt ist, kann solche Verbrechen begehen.

Das Massaker an der Grenze zu Gaza wurde begleitet von der kriminellen und reaktionären Atmosphäre bei der Zeremonie zur Eröffnung der US-Botschaft. Anwesend bei den Feierlichkeiten waren rechte israelische und amerikanische Politiker, Armeekommandeure und führende Rabbiner.

Anwesend war Sheldon Adelson, der Casino-Mogul aus Las Vegas, der seine Millionen zur Finanzierung zionistischer Siedlungen im besetzten Westjordanland einsetzt und für die Präsidentschaftskampagne von Donald Trump verwendete. Ebenfalls anwesend war Joseph Lieberman, der ehemalige Senator und Vize-Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei. Lieberman hatte 1995 einen Plan vorgelegt, der die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem forderte, und dafür die Unterstützung der beiden großen Parteien in den USA erhalten.

Der Minderheitenführer im US-Senat Chuck Schumer unterstrich die parteiübergreifende Unterstützung für die kriminelle Israelpolitik und begrüßte die Eröffnung der Botschaft in Jerusalem als „längst überfällig“. Der Demokrat sagte: „Ich beglückwünsche Präsident Trump zu diesem Schritt.“

Anwesend waren auch noch andere Gestalten: Robert Jeffress, ein rechter Prediger der Dallas Baptisten, der andernorts erklärt hat, dass „alle Juden in die Hölle kommen" und dass der Islam „eine Ketzerei aus der Hölle“ sei. Er trat gemeinsam mit einem israelischen Rabbi auf, der Schwarze als „Affen“ bezeichnete. Ebenfalls vor Ort war ein weiterer prominenter „christlicher Zionist“, John Hagee, dem zufolge Hitler ein von Gott gesandter „Jäger“ war, der biblische Prophezeiungen erfüllte, indem er die Juden nach Israel jagte. Dies sind die Freunde des israelischen Staates.

Während Trump per Video auftrat, hielt sein Schwiegersohn Jared Kushner die Hauptrede: „Wir stehen zu Israel, weil beide Staaten an Menschenrechte und Demokratie glauben, die es wert sind, verteidigt zu werden, und weil wir wissen, dass es das Richtige ist.“ Nichts könnte anschaulicher zeigen, wie es um die von Washington propagierten „Menschenrechte“ und „Demokratie“ bestellt ist, als die Unterstützung der USA für die Massentötung ziviler Demonstranten durch das israelische Militär.

Kushner machte die Palästinenser für ihren eigenen Tod verantwortlich und erklärte, dass „diejenigen, die Gewalt provozieren, Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind“. Diese Position wurde Montagnachmittag von einem Sprecher des Weißen Hauses wiederholt, der mit Frage nach einem mäßigen Einfluss auf Israel konfrontiert war. Er betonte, dass allein die Hamas, die als bürgerlich-islamistische Partei den Gazastreifen verwaltet, mit ihren „zynischen Aktionen“ für das Massaker verantwortlich sei.

Die Leitmedien taten ihr Bestes, um das Ausmaß des Verbrechens in Gaza zu verschleiern. Die Fernsehsender in den USA handeln das Blutbad kurz ab und üben keinerlei Kritik an Israels brutaler Unterdrückung. Man kann sich leicht vorstellen, wie groß der Aufschrei wäre, wenn die Regierungen in Russland, Iran, Venezuela oder einem anderen Land, das auf der Schwarzen Liste der „Menschenrechtsimperialisten“ steht, ein solches Verbrechen begangen hätte.

Die europäischen Mächte wringen ihre Hände über dem Blutbad im Gazastreifen, was nur auf ihre eigene Beteiligung hinweist. Die außenpolitische Sprecherin der Europäischen Union Federica Mogherini forderte Israel auf, den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Anwendung von Gewalt“ zu respektieren – etwas, das Israel eindeutig nicht tun wird – und forderte gleichzeitig die Hamas auf sicherzustellen, dass die Proteste „streng gewaltfrei bleiben“.

Die arabischen bürgerlichen Regimes, die sich einst fälschlicherweise als Verteidiger des palästinensischen Volkes ausgegeben haben, wenden sich vom Massaker in Gaza ab. Die saudische Monarchie, die sich über die Vorbereitungen für einen regionalen Krieg gegen den Iran fest mit den USA und Israel verbündet hat, begrüßt die Repression.

Das ägyptische Regime von General Abdel-Fateh al-Sisi erklärte in einer heuchlerischen Erklärung, man lehne „die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Märsche, die legitime und gerechte Rechte fordern“ ab. Dies von einer Regierung, die ihre Macht konsolidierte, indem sie 1.600 Anhänger des gewählten Präsidenten Mohamed Mursi massakrierte! Das ägyptische Regime fordert ein Ende der Proteste im Gazastreifen, da man befürchtet, der Massenwiderstand könne über die Grenze schwappen.

Als Gegenleistung für die Unterdrückung der Proteste hat Kairo angeboten, die ägyptische Grenze nach Gaza zu öffnen, um Lebensmittel, Treibstoff, Medikamente und andere lebenswichtige Güter ins Land zu lassen, die von Israel gestoppt wurden. Tel Aviv hat den einzigen offenen Grenzübergang als Vergeltung für die Proteste geschlossen, damit droht die fragile Infrastruktur des Gebiets vollständig zusammenzubrechen und sich in Chaos aufzulösen.

Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen dem, was die israelische Regierung in Gaza tut, und den Aktionen der reaktionärsten Regime der Geschichte, vom Massaker an der indischen Bevölkerung durch den britischen Kolonialismus 1919 in Amritsar über den Massenmord des südafrikanischen Apartheidregimes in Sharpeville 1960 bis hin zu den Verbrechen des Naziregimes selbst.

Die Versuche Israels, die Tötung von Palästinensern mit Verweisen auf den Holocaust zu rechtfertigen, sind moralisch obszön. Ebenso die Bemühungen, diejenigen einzuschüchtern, die diese Verbrechen verurteilen, indem sie als Antisemiten bezeichnet werden. Ein groteskes Beispiel lieferte der israelische Sicherheitschef Gilad Erdan am Montag mit der Aussage, dass das Ausmaß der Zahl der Todesopfer an der Grenze zu Gaza „nichts aussagt – genauso wie die Zahl der Nazis, die im Weltkrieg starben, den Nazismus nicht zu etwas macht, was man erklären oder verstehen kann.“

Nur eine zutiefst kranke und demoralisierte Gesellschaft könnte einen solchen Vergleich ziehen zwischen den Nazis und der verzweifelten Jugend im Gazastreifen, die vom israelischen Militär in einem Gebiet gefangen gehalten wird, in dem 60 Prozent Arbeitslosigkeit, Massenarmut und Entbehrung herrschen. Tatsächlich haben die israelische Besatzung und Unterdrückung Bedingungen hervorgebracht, die dem Warschauer Ghetto gleichen, umzingelt von Scharfschützen, die auf jeden scharf schießen, der herauszukommen versucht.

Israel steuert als Gesellschaft und Land auf den Abgrund zu. Ungeachtet der Unterstützung, die das Land von Washington und anderen imperialistischen Mächten genießt, betrachten Millionen Menschen auf der ganzen Welt Israel als einen Verbrecherstaat, der jegliche moralische und politische Legitimität verloren hat. Keine Regierung, die sich selbst demokratisch nennt, hat jemals solche Gräueltaten begangen. Die Verbrechen in Gaza sind das Endprodukt der Methoden, mit denen der Staat vor 70 Jahren gegründet wurde, und aller Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

Hinter den zionistischen Mythen von Israel, dem „sicheren Hafen“ für das jüdische Volk, zeigt sich im Angriff auf Gaza und dem Kriegsstreben Tel Avivs die Verzweiflung der herrschenden Klasse des Landes, soziale Spannungen durch Angst, antiarabischem Chauvinismus und Militarismus nach außen abzulenken. Israel ist nach den USA das sozial ungleichste Land in den Reihen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit einer Armutsquote von 22 Prozent und einer der weltweit höchsten Pro-Kopf-Konzentrationen an Milliardären.

Die blutigen Ereignisse in Gaza zeigen, wie dringlich die arabische und jüdische Arbeiterklasse sich über nationale, religiöse und sektiererische Grenzen hinweg in einem gemeinsamen Kampf gegen den Imperialismus, den Zionismus und die arabische Bourgeoisie auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms vereinen muss.

Es gibt keinen nationalen Weg aus der gegenwärtigen blutigen Sackgasse, weder in der Fortsetzung des krisengeschüttelten zionistischen Projekts noch in der Chimäre einer „Zweistaatenlösung“. Letztere bedeutet nichts als die Schaffung eines palästinensischen Staates im Bantustan-Stil unter der Herrschaft einer korrupten einheimischen Bourgeoisie.

Gleichzeitig stellt das Massaker in Gaza eine dringende Warnung für die Arbeiter überall auf der Welt dar. Dass der israelische Staat zu solch wüster Repression greift, ist Teil eines Rechtsrucks kapitalistischer Regierungen auf der ganzen Welt. Die Gleichgültigkeit der Medien und der bürgerlichen Regierungen gegenüber dem Gemetzel an unbewaffneten palästinensischen Demonstranten zeigt ihre Bereitschaft, in jedem Land, in dem sie auf Massenwiderstand stoßen, noch größere Verbrechen zu begehen und zu rechtfertigen.

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