Europäische Union will das iranische Atomabkommen retten

Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, hat am Dienstag in Brüssel Gespräche mit dem deutschen, französischen und britischen Außenminister sowie dem iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif geführt, um das iranische Atomabkommen zu retten.

Eine Woche zuvor, am 8. Mai, hatte US-Präsident Donald Trump bekannt gegeben, dass sich die USA einseitig aus dem Abkommen zurückziehen, das im Juli 2015 von den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China unterzeichnet wurde. Trump erklärte, die USA würden erneut lähmende Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängen.

Vertreter der US-Regierung forderten daraufhin, dass die EU ihre Handelsbeziehungen zum Iran abbricht.

Der nationale Sicherheitsberater John Bolton erklärte, es seien „keine neuen Verträge erlaubt" und gab europäischen Unternehmen 90 bis 180 Tage Zeit, um ihre Aktivitäten in bestimmten Sektoren wie Öl, Energie, Auto und Schifffahrt herunterzufahren. Sollte sich die EU nicht daran halten, müsse sie mit sekundären Sanktionen rechnen.

Die europäischen Mächte sowie die Staats- und Wirtschaftsmedien verurteilten das Vorgehen von Trump, forderten die Wahrung des Vertrags und schworen, ihre Geschäftsinteressen gegen die Drohungen von Trump zu verteidigen, die „höchste Stufe an Wirtschaftssanktionen gegen den Iran“ zu verhängen.

Die Europäer sind zunächst darüber besorgt, dass Trumps Rückzug aus dem Deal ihre Bemühungen zunichte macht, den Iran unter Bedingungen, bei denen sich die Wirtschaft des europäischen Kontinents selbst verlangsamt, wirtschaftlich auszubeuten.

Der Handel der USA mit dem Iran betrug 2017 nur 170 Millionen Dollar, während der Handel zwischen der EU und dem Iran Geschäfte im Wert von 25 Milliarden Dollar umfasste. Der Handel der EU mit dem Iran stieg von 7,7 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 21 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die EU ist damit nach China und den Vereinigten Arabischen Emiraten der drittgrößte Handelspartner des Iran.

Die europäischen Mächte befürchten darüber hinaus, dass die Wiedereinführung von Sanktionen lediglich die Vorstufe eines Kriegs mit dem Iran darstellt. Eine militärische Invasion des Iran hätte zutiefst destabilisierende Auswirkungen auf die Region und ginge mit steigenden Ölpreisen sowie der Flucht von Massen von Menschen einher.

Ungeachtet dessen, ob die USA als Mittel letztlich einen Krieg oder eine Regimewechseloperation gegen den Iran vorziehen, besteht ihr Hauptziel darin, ihre Hegemonie über den Nahen Osten auf Kosten Chinas und Russlands, aber auch ihrer europäischen Verbündeten zu konsolidieren.

Sowohl der französische Präsident Emanuel Macron als auch Kanzlerin Angela Merkel reisten letzten Monat nach Washington, um Trump davon abzubringen, das Iran-Abkommen über Bord zu werfen. Der britische Außenminister Boris Johnson führte anschließend Gespräche mit dem amerikanischen Vizepräsident Pence und Außenminister Pompeo.

Um Trump davon zu überzeugen, das Abkommen aufrecht zu erhalten, vereinbarten die Europäer, eine Reihe neuer Forderungen an Teheran zu stellen. Dies blieb jedoch ohne Erfolg.

Seitdem hat das US-Finanzministerium weitere Sanktionen angekündigt. Nur Minuten vor dem Treffen der EU-Außenminister mit ihrem iranischen Amtskollegen am Dienstag in Brüssel gaben die USA die Einführung von Sanktionen bekannt, die sich unter anderem gegen den Gouverneur der iranischen Zentralbank und einen Stellvertreter richten. Begründet wurden die Maßnahmen mit deren angeblicher Unterstützung für die Quds-Brigaden der islamischen Revolutionsgarde sowie für die Hisbollah im Libanon.

Teheran hat sich dazu verpflichtet, seinen Teil des Abkommens einzuhalten, solange der Iran sein Öl verkaufen kann, und der EU eine Frist von 60 Tagen gesetzt, um die Umsetzung des Atomabkommens zu garantieren. Weitere gemeinsame Treffen finden nächste Woche in Wien und am Mittwoch in Sofia statt.

Am Dienstagabend versprach Mogherini, das Atomabkommen von 2015 auch ohne die USA am Leben zu erhalten. Der Handel mit dem Iran und die Investitionen in dem Land sollen dazu aufrecht erhalten werden. Mogherini räumte indessen ein, dass es schwierig sein werde, Teheran die geforderten Garantien zu geben. Die EU hatte sich darauf geeinigt, praktische Lösungen zu finden und weiterhin Öl- und Gasprodukte des Iran zu kaufen, effektive Beziehungen zwischen den Banken zu erhalten und europäische Investitionen in Iran zu schützen. Sie fügte jedoch hinzu: „Ich kann nicht über rechtliche oder wirtschaftliche Garantien sprechen...“

Außenminister Zarif betonte: „Wir müssen irgendeine Art Garantie erreichen, dass diese Vorteile für den Iran innerhalb dieses festgelegten Zeitraums garantiert werden können.... ein paar Wochen".

Es gelang nicht, die politische und wirtschaftliche Ohnmacht der Europäer gegenüber den USA zu verschleiern. Die europäischen Mächte versuchen, die Handelsbeziehungen mit dem Iran unter Bedingungen fortzusetzen, unter denen das Handels- und Investitionensvolumen der EU mit den USA unvergleichlich größer sind.

Einige Unternehmen, darunter die dänischen Reedereien Maersk Tankers und Torm sowie der Technologieriese Siemens, der Verträge im Wert von mehr als 1,6 Milliarden Dollar unterzeichnet hat, haben bereits angekündigt, den Handel mit dem Iran einzustellen. Eine Entscheidung des Flugzeugbauers Airbus, der 100 Maschinen in den Iran liefern will, steht noch aus.

Es gab verschiedene Vorschläge, wie die Europäer „sekundäre Sanktionen“ umgehen könnten, was eine wirtschaftliche Konfrontation mit den USA bedeuten würde. Keiner davon ist jedoch besonders überzeugend.

Ein Vorschlag bezieht sich auf das 1996 als Reaktion auf die Sanktionen der USA gegen Kuba erarbeitete „Sperr-Statut“, das es für EU-Unternehmen illegal machen würde, Gesetze mit extraterritorialer Anwendung einzuhalten. Dieses müsste entsprechend der aktuellen Situation angepasst werden und bedarf der Zustimmung aller 28 Mitgliedstaaten.

Eine weitere sind Vergeltungsmaßnahmen wie eine "Clawback"-Klausel, die es ermöglichen würde, die Kosten für Verstöße gegen die US-Sanktionen durch Zölle auf US-Exporte in die EU zu decken. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verwies auf die Notwendigkeit, dass die EU ihre eigene „wirtschaftliche Souveränität“ verteidigen müsse, und forderte die Schaffung eines europäischen Gremiums, das - ähnlich wie das US-Justizministerium - ausländische Unternehmen für ihre Handelspraktiken bestrafen könne.

Andere haben die europäischen Investmentbanken aufgefordert, Teheran Kreditlinien zur Verfügung zu stellen und Kredite zu erleichtern oder den Dollar im internationalen Handel durch den Euro zu ersetzen.

Dies könnte zwar mittelständischen Unternehmen ohne Handels- und Investitionsbeziehungen zu den USA helfen, wäre aber für die transnationalen Konzerne Europas wie die Automobilhersteller Peugeot und Daimler sowie den dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk, für den die USA ein wichtiger Markt sind, nutzlos. Die meisten Kommentatoren gehen davon aus, dass die Banken nicht bereit wären, solche Vorhaben zu finanzieren und den Zorn der USA auf sich zu ziehen.

Alle diese Maßnahmen riskieren jedoch, die schon jetzt schwer beschädigten Handelsbeziehungen mit den USA vor dem Hintergrund von Trumps Drohung, Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa zu verhängen, noch weiter zu verschlechtern.

Die europäischen Mächte setzen daher ihre Hoffnungen auf einen Appell an die Fraktionen im politischen Establishment der USA, die gegen Trumps Entscheidung zum Iran sind. Sie weisen darauf hin, dass Trump nicht nur die Handelsbeziehungen, sondern auch die politischen Beziehungen zu Europa gefährdet.

Auch wenn die europäischen Mächte bezüglich des Atomabkommens mit dem Iran nach außen eine geschlossene Front gegen die USA bilden, gibt es doch klare Trennungen zwischen ihnen. Einige der kleineren Länder handeln wenig oder gar nicht mit dem Iran, während andere, wie Großbritannien, trotz ihres Widerstandes gegen Trumps Rückzug aus dem Abkommen, vor allen Dingen versuchen, eine Entfremdung Washingtons zu vermeiden.

Wie auch immer die Gespräche am Ende ausgehen werden: der Graben zwischen den USA und Europa vertieft sich.

Die Förderung ihrer eigenen Geschäftsinteressen im Iran und im gesamten Nahen Osten bringt die EU auf Kollisionskurs mit Washington. Die europäischen Mächte sichern ihre Interessen – die nicht weniger reaktionär sind als die von Trump – unter anderem durch illegale Interventionen im Nahen Osten wie die Bombardierung Syriens durch Washington, London und Paris im vergangenen Monat, nachdem sie schon seit Jahren verdeckte Aktionen in dem vom Krieg zerrissenen Land durchführen. Aber die Umsetzung einer von Washington unabhängigen Handels- und Militärpolitik wird einen enormen Anstieg der Militärausgaben erfordern, wenn die europäischen Mächte mit den USA konkurrieren wollen.

Eine solche Politik erfordert notwendig eine Intensivierung der Angriffe auf die Arbeiterklasse, um die Hunderte von Milliarden Euro heran zu schaffen, die notwendig sind, um Europa zu einem glaubwürdigen militärischen Rivalen des Pentagon zu machen. Die europäischen Mächte haben die Absicht, diesen Weg zu gehen.

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