Perspektive

Militarismus und Faschismus im deutschen Bundestag

Die Generaldebatte am Mittwoch und Donnerstag im Bundestag warf ein Schlaglicht auf gefährliche Entwicklungen in Deutschland. Während der Hass auf Krieg und Faschismus in der Bevölkerung auch sieben Jahrzehnte nach dem Untergang des Dritten Reichs enorm ist, kehrt die herrschende Klasse zu ihren anti-demokratischen, militaristischen und rassistischen Traditionen zurück.

Zum Auftakt der Debatte geißelte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel die „Geburtenrate“ unter „muslimischen Zuwanderern“ und erklärte: „Sogar die Auffettung der Einwohnerzahl durch zugewanderte Straftäter mit mehrfachen Identitäten scheint Sie überhaupt gar nicht zu stören. Doch ich kann Ihnen sagen: Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.“

Viele Menschen fragen entsetzt, wie es sein kann, dass derartige faschistische Hetztiraden ausgerechnet in Deutschland wieder zum politischen Alltag gehören. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief die „Frau Kollegin“ Weidel unter dem rituellen Applaus der anderen Bundestagsfraktionen lediglich „zur Ordnung“ und ging sofort wieder zur Tagesordnung über. In den letzten Wochen hatten Vertreter aller etablierten Parteien immer wieder im AfD-Stil gegen Flüchtlinge und den Islam gehetzt und Flüchtlingshelfer als „Anti-Abschiebe-Industrie“ beschimpft.

Die Bundestagsdebatte gab Aufschluss darüber, warum Rassismus und Faschismus für die herrschende Klasse wieder zum Mittel der Politik werden. In letztes Konsequenz geht es um die gleichen Fragen, die auch in den 1930er Jahren in die Katastrophe führten. Die deutschen Eliten reagieren auf die historische Krise des europäischen und internationalen Kapitalismus, die globale Kriegsentwicklung und die wachsenden Spannungen zwischen den Großmächten, indem sie zu einer aggressiven Außenpolitik zurückkehren und massiv aufrüsten.

Während ihrer Regierungserklärung tat Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar so, als ob Weidel und die AfD gar nicht existierten, aber sie formulierte ein militaristisches Programm, dass der Arbeiterklasse wie 1933 nur durch die Errichtung einer Diktatur aufgezwungen werden kann. „Aufgrund der Ereignisse im Jahre 2014 und aufgrund dessen, was vor unserer Haustür passiert“, müsse sich Deutschland wieder rüsten und auf Krieg vorbereiten, lautete die Botschaft Kanzlerin.

In schroffem Ton wies sie ihren eigenen Finanzminister darauf hin, dass die bislang für den Wehrhaushalt veranschlagten zusätzlichen Milliarden dafür bei weitem nicht ausreichen. Deutschland fühle sich den Zielen „von Wales bzw. der NATO […] verpflichtet. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag niedergelegt“, betonte sie. Konkret bedeutet dies, dass die Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (oder in Zahlen von derzeit 37 auf etwa 75 Milliarden Euro) anwachsen sollen, was Deutschland zur mit Abstand stärksten Militärmacht in Europa machen würde.

„Neben den Auslandseinsätzen“ sei „auch die Landes- und Bündnisverteidigung wieder von größerer Bedeutung“, erklärte Merkel. „Wir müssen unsere Soldatinnen und Soldaten nicht nur in den Auslandseinsätzen so ausrüsten und ausstatten, dass sie ihre Einsätze gut absolvieren können, sondern [...]sie müssen gleichermaßen auch zu Hause in viel größerer Breite Material und Ausrüstung zur Verfügung gestellt bekommen, um die zusätzlichen Aufgaben, die wir heute haben, bewerkstelligen zu können“.

Dazu gehörten „die Luftraumüberwachung im Baltikum, die Rückversicherung für Polen und die drei baltischen Staaten [...], die Verstärkung des Korps in Stettin und die Engagements in Rumänien und Bulgarien“. Man müsse „Truppen schneller verlegen können und nicht nur jeden hundertsten Soldaten vernünftig ausstatten […], während alle anderen mit wenig Übungsgerät auskommen müssen. Um diese Aufgaben schultern zu können, muss in großer Breite entsprechende Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Aufgabe, vor der die Bundeswehr steht.“

Die „Aufgaben“, die hinter dem Rücken der Bevölkerung diskutiert werden, reichen offenbar bis zu einem Cyberkrieg gegen Russland. Es gehe „auch um völlig neue Fähigkeiten, zum Beispiel die Cyberfähigkeit“, so Merkel. „Es war richtig, ein Cyberkommando einzurichten; denn die hybride Kriegsführung ist zum Beispiel Teil der Militärdoktrin Russlands – ganz offiziell beschrieben. Darin sind sie gut; und hier müssen wir natürlich wehrhaft sein können. Ansonsten werden wir keine Chance haben.“

Merkel ließ keinen Zweifel daran, dass die Große Koalition eine neue Runde massiver Sozialangriffe durchführen wird, um die geplante Aufrüstung zu finanzieren. Es sei notwendig „dazu beizutragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit besser wird, und zwar nicht besser gegenüber unserem europäischen Durchschnitt, sondern besser gegenüber dem, was global notwendig ist.“ Dabei gehe es „sehr stark um die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, aber „auch sehr stark um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“.

Während die Kanzlerin stellvertretend für die gesamte herrschende Klasse die Militärstiefel anzieht und die Sparknute in die Hand nimmt, übernimmt sie auch die Flüchtlingspolitik der extremen Rechten. Merkel lobte demonstrativ die sogenannten Anker-Zentren von Innenminister Horst Seehofer (CSU), in denen Asylbewerber kaserniert und konzentriert werden. Es gehe darum, „eine funktionierende Rückführungskultur in Deutschland [zu] schaffen. Wer kein Bleiberecht hat, der muss auch wieder gehen“, rief sie den Abgeordneten zu.

Die rechte Agenda der Großen Koalition ist Konsens im Bundestag. Bezeichnenderweise klatschten an mehreren Stellen von Merkels Rede neben den Regierungsfraktionen auch Abgeordnete der FDP, der Grünen und der Linkspartei. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, plädierte für „eine eigenständige und selbstbewusste europäische Außenpolitik“ und verbreitete unter dem Applaus der AfD dumpfen Anti-Amerikanismus. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte von Merkel: „Führen Sie! Führen Sie dieses Land.“

Um die Worte Leo Trotzkis aus seinem brillanten Aufsatz „Porträt des Nationalsozialismus“ von 1933 zu zitieren: „Nicht jeder erbitterte Kleinbürger könnte ein Hitler werden, aber ein Stückchen Hitler steckt in jedem von ihnen.“

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland bezog sich in seiner Rede direkt auf den Humboldt-Professor und außenpolitischen Berater der Bundesregierung, Herfried Münkler, um die Rückkehr Deutschlands zu einer militaristischen Außen- und Großmachtpolitik einzufordern. „Als ‚Macht in der Mitte‘, als vermittelnde Macht, wie uns Herfried Münkler sieht, müsste Deutschland eine gemeinsame Linie für die Politik der Europäer finden“, erklärte er.

Dann zitierte er zustimmend Münklers Absage an eine „wertgebundene“ Außenpolitik aus dessen Buch über den Dreißigjährigen Krieg, wo sich gleich zu Beginn die erstaunliche Feststellung finde: „Über die verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertbindung lässt sich anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen.“

Was mit der Absage an eine „wertegebundene“ Außenpolitik gemeint ist, hatte Münklers Kollege Jörg Baberowski, der ebenfalls von der AfD verehrt wird, bereits vor vier Jahren auf den Punkt gebracht. „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen,“ erklärte der Humboldt-Professor auf einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Interventionsmacht Deutschland?“ im Oktober 2014 über die Kriegseinsätze der Bundeswehr im Nahen und Mittleren Osten.

Die Sozialistische Gleichheitspartei hatte bereits damals die objektiven Triebkräfte der Rückkehr des deutschen Militarismus analysiert und gewarnt: „Die Propaganda der Nachkriegsjahrzehnte – Deutschland habe aus den ungeheuren Verbrechen der Nazis gelernt, sei ‚im Westen angekommen‘, habe zu einer friedlichen Außenpolitik gefunden und sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt – entpuppt sich als Mythos. Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist, mit all seiner Aggressivität nach innen und nach außen.“

Mit der reaktionären Politik der Großen Koalition und der Integration der AfD ins politische Establishment hat sich diese Einschätzung bestätigt. Um zu verhindern, dass die herrschende Klasse ihr Programm von Militarismus und Krieg erneut mit faschistischen Methoden durchsetzt, muss die wachsende Opposition auf einer bewussten politischen Grundlage mobilisiert werden. Notwendig ist der aktive Kampf für ein sozialistisches Programm und der Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale als neue revolutionäre Massenpartei der internationalen Arbeiterklasse.

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