Perspektive

Der Gipfel von Singapur und die wachsende Kriegsgefahr

Das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un war eines der meistdiskutierten Ereignisse der jüngeren Geschichte und zog Tausende von Journalisten in den Stadtstaat Singapur, um live darüber zu berichten.

Der Gipfel wurde wiederholt als „historisch“ bezeichnet, weil es sich um die erste persönliche Begegnung zwischen einem amtierenden amerikanischen Präsidenten und einem nordkoreanischen Staatschef handelt.

Es ist jedoch alles andere als klar, was das Endergebnis dieser kurzen Begegnung zwischen den Regierungschefs zweier Länder sein wird, die sich noch immer formell im Kriegszustand befinden. Der Koreakrieg, der über drei Millionen Menschen das Leben gekostet und Nordkorea in den Ruin getrieben hatte, endete im Juli 1953 nur mit einem Waffenstillstand zwischen den USA und Nordkorea.

In der kurzen, von Trump und Kim unterzeichneten gemeinsamen Erklärung, die nur 400 Wörter umfasst, heißt es, man sei sich einig, „neue Beziehungen“ zwischen den beiden Ländern anzustreben und eine „dauerhafte und robuste Friedensordnung auf der koreanischen Halbinsel“ aufzubauen. Während Trump „sich verpflichtet, der Demokratischen Volksrepublik Korea Sicherheitsgarantien zu geben“, bekräftigte Kim „sein entschlossenes und unerschütterliches Engagement für die vollständige nukleare Abrüstung der koreanischen Halbinsel“.

In der Erklärung von Singapur wird darüber hinaus aber nicht genauer dargelegt, wie diese erklärten Ziele und Verpflichtungen verwirklicht werden sollen.

Der Ton des Treffens – Trump lobte Kim als „sehr talentierten“ und „sehr klugen“ Mann, der „sein Land sehr liebt“ – stand im völligen Gegensatz zur Rhetorik des letzten Jahres, als Trump den nordkoreanischen Staatsführer als „kleinen Raketenmann“ verhöhnt und dem verarmten und unterdrückten Nordkorea mit „Feuer und Wut, wie die Welt sie noch nie erlebt hat“, und der vollständigen Zerstörung gedroht hatte.

Mit der Gleichgültigkeit eines unerschrockenen Soziopathen verwies Trump auf einer

Pressekonferenz nach dem Gipfel auf die Implikationen, die seine militaristische Politik gegenüber Nordkorea hätte: „Es ist wirklich eine Ehre für mich, das zu tun, denn ich denke, es hätten möglicherweise 30, 40, 50 Millionen Menschen sterben können.“

Es gibt keine Gewähr, dass der Gipfel von Singapur nicht zum Auftakt einer Erneuerung und Eskalation der US-Kriegsdrohungen gegen Nordkorea werden könnte. Bezeichnenderweise kündigte Trump an, dass die Verhandlungen über die Konkretisierung des vagen Abkommens, das er mit Kim unterzeichnet hat, in den Händen seines Außenministers Mike Pompeo und des nationalen Sicherheitsberaters John Bolton bleiben würden. Pompeo hatte in seiner Funktion als CIA-Direktor gesagt, der Weg zur nuklearen Abrüstung Nordkoreas führe über die Ermordung von Kim Jong-un. Bolton hatte sich erst im Februar im Wall Street Journal für eine unprovozierte Bombenkampagne gegen Nordkorea ausgesprochen.

Vor kurzem schlug Bolton vor, dass die US-Verhandlungen mit Nordkorea dem „libyschen Modell“ folgen sollten. Dieses begann mit Muammar Gaddafis Zustimmung zur Demontage seiner Massenvernichtungswaffen und endete dem Lynchmord Gaddafis durch von den USA unterstützte islamistische Milizen.

Ein Rückblick auf Washingtons Umgang mit Ländern, die Abrüstungsprogramme unter Androhung von Militärangriffen und angesichts von Wirtschaftssanktionen durchgeführt haben, gibt keinen Anlass zur Beruhigung. Das „Libyen-Modell“ ist hier die Regel, nicht die Ausnahme.

Im Irak und in Libyen haben die USA Regimewechsel-Kriege geführt, die den Tod ihrer jeweiligen Staatsführer zur Folge hatten. Der Iran sieht sich mit der Erneuerung der Strafsanktionen konfrontiert, nachdem die Trump-Regierung das Atomabkommen mit den Großmächten einseitig aufgehoben hatte. Deshalb warnte Teheran Nordkorea, dass Trump das Singapur-Abkommen noch „vor der Rückkehr nach Hause“ aufkündigen könnte.

Es ist nicht die Angst vor dem unbedeutenden Atomwaffenarsenal Nordkoreas, geschweige denn das Streben nach Frieden in Nordostasien, was Washington im Umgang mit Kim Jong-un antreibt. Vielmehr will Trump die Interessen des US-Imperialismus durchsetzen und seine Machtstellung in der Region auf Kosten seiner Hauptkonkurrenten Russland und China sowie potenzieller Konkurrenten wie Japan stärken. Wenn die USA Nordkorea – das sowohl an Russland als auch an China grenzt – von einem US-Feind in einen Satellitenstaat verwandeln könnten, wäre das ein bedeutender Schritt in der Vorbereitung auf die „Großmachtkonflikte“, die sich laut Pentagon und Weißem Haus abzeichnen.

Trump versuchte, Nordkorea auf primitivste Art und Weise für seine Ziele zu gewinnen. Er zeigte dem nordkoreanischen Staatschef und seinen Beratern einen vierminütigen Filmclip, der von einer Hollywood-Produktionsfirma im Stil eines Actionfilm-Trailers produziert wurde und eine blühende Zukunft für Nordkorea unter der Herrschaft des amerikanischen Kapitalismus (in Farbe gezeigt) mit der Alternative der totalen nuklearen Zerstörung des Landes (in schwarz-weiß) kontrastiert.

Auf der Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen sprach der US-Präsident über Nordkorea, als ginge es um ein Immobilienprojekt. „Zum Beispiel haben sie tolle Strände“, so Trump. „Das sieht man immer, wenn sie ihre Kanonen in den Ozean schießen. Ich habe gesagt: ‚Junge, sieh dir die Aussicht an. Wäre das nicht eine tolle Eigentumswohnung?‘ Ich habe das erklärt. Ich habe gesagt: ‚Anstatt das zu machen, könntet ihr die besten Hotels der Welt haben.‘ Betrachtet es mal aus der Immobilienperspektive – da ist Südkorea, da China und ihnen gehört das Land in der Mitte. Gar nicht schlecht, oder?“

In diesen Worten, die die groben und halbkriminellen Ansichten eines New Yorker Immobilienspekulanten widerspiegeln, hat Trump die Grundidee vermittelt.

Das Singapur-Abkommen kann nicht außerhalb seines globalen Kontexts verstanden werden. Nachdem die USA Zölle gegen ihre Handelspartner verhängt und die militärischen Spannungen mit Russland und China verschärft haben, drohen ein Handelskrieg und wachsende Großmachtkonflikte.

Auf dem Weg nach Singapur verließ Trump vorzeitig den G7-Gipfel in Kanada und lehnte – als erstes Staatsoberhaupt seit Beginn der Gipfel im Jahr 1975 – die Unterzeichnung eines Abschlusskommuniqués ab.

Anschließend verurteilten er und seine Berater den kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der angeblich engste Verbündete Washingtons. Die verbalen Attacken erinnerten an die faschistische Rhetorik der 1930er Jahre. Sie warfen ihm einen „Dolchstoß von hinten“ vor und erklärten, dass ihm ein „besonderer Platz in der Hölle“ vorbehalten sei.

Es könnte sich noch herausstellen, dass auch das Abkommen in Singapur seine eigenen Präzedenzfälle in den 1930er Jahren hat: Damals hatte das deutsche Nazi-Regime ähnliche Verträge und Nichtangriffsverpflichtungen mit Polen und Russland unterzeichnet – nur um dann wenig später zum totalen Angriffskrieg überzugehen.

Es ist bemerkenswert, dass die Demokratische Partei Trump ausschließlich von rechts angreift. Am Dienstag verurteilte der Minderheitenführer im Senat Chuck Schumer den US-Präsidenten, weil er „einer brutalen und repressiven Diktatur die internationale Legitimität gewährt hat, nach der sie sich schon lange sehnt“. Weiter kritisierte er, dass Trump die US-Militärübungen in Südkorea ausgesetzt und – korrekterweise – als „provokativ“ bezeichnet hatte. Sollte es tatsächlich zu einem Abkommen mit Nordkorea kommen, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten versuchen werden, es zu kippen, so wie es Trump mit dem Iran-Abkommen getan hat.

Mit seiner Reise nach Singapur versuchte Trump nicht zuletzt auch von den zahlreichen Skandalen in Washington und den ständigen Attacken wegen seiner angeblich schwachen Haltung gegenüber Russland abzulenken. Er weiß, dass selbst der Schein einer Abkehr von der Gefahr eines Atomkrieges mit Nordkorea und seine vage Andeutung, Truppen von der koreanischen Halbinsel „nach Hause“ zu bringen, bei breiten Schichten der amerikanischen

Bevölkerung auf Resonanz stößt.

Aber die Logik der Krise, die die USA und den Weltkapitalismus erfasst, läuft auf einen Weltkrieg zu. Die internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus ist die einzige tragfähige Grundlage für einen Kampf gegen die Kriegsgefahr.

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