Rechtsextremer Offizier Franco A.: Keine Anklage wegen Terrorplänen

Mit Beschluss vom 7. Juni hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bekannt gegeben, dass der rechtsextreme Bundeswehroffizier Franco A. nicht wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat angeklagt wird. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass diesbezüglich „kein hinreichender Tatverdacht“ bestehe. Weitere Anklagepunkte, darunter Verstöße gegen das Waffengesetz sowie Betrug, sollen in einem Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt verhandelt werden. Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt.

Angesichts der Vorwürfe, die die Bundesanwaltschaft gegen Franco A. erhebt, ist die Entscheidung des OLG ein Skandal. Der Fall hatte im vergangenen Jahr großes Aufsehen erregt. Am 3. Februar 2017 war A. auf dem Flughafen Wien festgenommen worden, als er eine eigens dort versteckte Schusswaffe von einer Toilette abholen wollte. Bei den anschließenden Ermittlungen wurde bekannt, dass A. gemeinsam mit mindestens zwei weiteren Komplizen – Maximilian T. und Mathias F. – offenbar Anschläge auf hochrangige Politiker und Persönlichkeiten plante. A. hatte sich in Bayern als syrischer Flüchtling registrieren lassen, subsidiären Schutzstatus erhalten und plante offensichtlich, künftige Taten Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben, um damit rechte und ausländerfeindliche Stimmungen in Deutschland zu schüren.

Maximilian T., der selbst als Bundeswehrsoldat in der gleichen Einheit wie A. im französischen Illkirch gedient hatte, hatte diesen gegenüber Vorgesetzten offenbar gedeckt. T. ist inzwischen als persönlicher Referent für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte tätig, der zuvor ebenfalls Soldat war. A. selbst war bereits während seines Studiums bei der Bundeswehr durch eine Masterarbeit aufgefallen, die nach dem Urteil eines wissenschaftlichen Direktors am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr „einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell“ darstelle. Nach einer mündlichen Ermahnung hatte A. sein Studium dennoch unbehelligt fortsetzen können.

Auf einer Liste, die T. verfasst haben soll, fanden sich u.a. die Namen des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck, des damaligen Justiz- und derzeitigen Außenministers Heiko Maas (SPD), der Grünen-Politikerin Claudia Roth und des Linken-Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow. Auch Institutionen wie das Zentrum für Politische Schönheit, der Zentralrat der Muslime und der Zentralrat der Juden in Deutschland wurden darauf genannt. Insgesamt soll es sich dabei um mögliche Ziele für Anschläge gehandelt haben. Hinzu kommt, dass bei den drei Beschuldigten umfangreiche Bestände an Waffen und Munition gefunden wurden.

Das OLG Frankfurt bestreitet nicht grundsätzlich, dass A. derlei Anschläge tatsächlich vorbereitete. Wie das Gericht in einer Pressemitteilung schreibt, sei es „überwiegend wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte sich die beiden Pistolen und die beiden Gewehre sowie 51 Sprengkörper beschaffte und diese aufbewahrte.“ Es sei „jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er dabei bereits den festen Entschluss hatte, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen.“

Auch diese Einschätzung relativiert das Gericht sogleich wieder. Es erklärt, dass „mehrere Umstände für einen festen Tatentschluss des Angeklagten“ sprächen. „Einiges“, so das Gericht weiter, deute „sogar darauf hin, dass er diese Tat schon hinsichtlich Tatort, Tatmittel und Tatopfer konkretisiert hatte.“ Als Beleg führt das Gericht an, Franco A. habe „eine nationalistische/völkische und antisemitische Einstellung gehabt, aufgrund derer er das politische System der Bundesrepublik Deutschland ablehnte.“ Der Offizier habe „eine politisch wirksame Handlung vornehmen wollen, um die Verhältnisse in Deutschland nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen.“

Das Gericht erkennt außerdem an, wie weitreichend die Terrorpläne von Franco A. bereits gediehen waren. Der Angeklagte habe „nach den Feststellungen des OLG auch die Anwendung von Gewalt einschließlich der Tötung eines hochrangigen Politikers und/oder einer Person des öffentlichen Lebens bzw. einer Menschenrechtsaktivistin ernsthaft in Betracht gezogen.“ Als Beleg führt das OLG an, Franco A. sei „am 22.6.2016 in die nicht öffentlich zugängliche Tiefgarage des Gebäudes eingedrungen“, in dem die genannte Aktivistin arbeitete, und habe „mit seinem Mobiltelefon dort geparkte Fahrzeuge“ fotografiert. Außerdem habe er sich „Zubehör für die Schusswaffen besorgt und mit zwei dieser Waffen nachfolgend auf einen Schießstand geschossen.“

Doch wer geglaubt haben sollte, aus solchen schwerwiegenden Verdachtsmomenten müsse unweigerlich eine Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat erwachsen, sieht sich getäuscht. Um diesen Vorwurf fallen lassen zu können, greift das OLG zu einer abenteuerlichen Argumentation.

Geht es nach dem Gericht, so ist die fehlende Entschlossenheit Franco A.s zu einem Terroranschlag gerade darin begründet, dass er diesen eben nicht begangen hat, obwohl er doch sämtliche notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen bereits getroffen hatte. Denn weder vor der Festnahme A.s am Flughafen Wien noch zwischen seiner Freilassung am 4. Februar und seiner erneuten Festnahme am 26. April 2017 habe er eine schwere staatsgefährdende Straftat durchgeführt. „Dies, obwohl er jedenfalls seit Ende Juli 2016 Waffen und Sprengstoff besessen, mögliche Opfer konkretisiert und mit der Tiefgarage einen denkbaren Tatort ausspioniert habe. Da keine Umstände gegeben gewesen seien, die den Angeklagten objektiv oder zumindest aus seiner Sicht an der Begehung der Tat gehindert hätten, sei es hoch wahrscheinlich, dass der Angeklagte hinsichtlich der für die Begehung der Tat für ihn maßgeblichen Umstände noch nicht fest entschlossen war“, heißt es in der Pressemitteilung des OLG.

Diese Argumentation ist nicht nur ungeheuerlich, sondern auch nachweislich falsch. Denn A. blieb in der Zeit zwischen Juli 2016 und seiner Festnahme keineswegs untätig. Ganz im Gegenteil: erst das Abholen der zuvor versteckten Pistole am Flughafen Wien führte ja am 3. Februar 2017 zu seiner Verhaftung. Die Waffe soll er dort erst am 22. Januar deponiert haben, wie das OLG selbst schreibt, also keine zwei Wochen vor seiner Festnahme.

Auch mit dem Hinweis, A. habe nach seiner Freilassung und seiner erneuten Festnahme am 26. April 2017 keinen Anschlag begangen, sagt das OLG unfreiwillig viel aus. Denn warum wurde Franco A. im April überhaupt noch einmal festgenommen, nachdem man ihn im Januar nach nur einem Tag wieder auf freien Fuß gesetzt hatte? In der Zwischenzeit war der rechtsextreme Hintergrund A.s und seine Tarnidentität als syrischer Flüchtling aufgeflogen. Anschließend verbrachte A. mehr als sieben Monate in Untersuchungshaft, weil man davon ausging, dass von ihm eine konkrete Gefahr ausgehe. Erst im November 2017 wurde er freigelassen.

Sämtliche Indizien des Falles deuten außerdem darauf hin, dass Franco A. und seine Komplizen nur ein kleiner Ausschnitt eines weit größeren Neonazi-Netzwerks innerhalb der Bundeswehr und des deutschen Staatsapparats sind. Inzwischen ist bekannt geworden, dass es zwischen dem Fall von Franco A. und der geplanten Ermordung linker Politiker in Mecklenburg-Vorpommern einen engen Zusammenhang gibt. In beiden Fällen waren die Tatverdächtigen Mitglieder eines Chat-Netzwerks so genannter Prepper-Gruppen, die sich auf Endzeit-Szenarien wie Bürgerkriege vorbereiten. Administrator dieser Chats ist Berichten der taz zufolge ein Mann, der sich dort „Hannibal“ nennt und als aktiver Elitesoldat beim Kommando Spezialkräfte (KSK) arbeitet.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt muss als ernste Warnung verstanden werden. Während staatliche Stellen alles dafür tun, um rechtsextreme und sogar terroristische Umtriebe von Soldaten, Polizisten und Agenten – wie im Fall des NSU – zu bagatellisieren und zu decken, wird linker Protest wie anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg mit hohen Haftstrafen belegt, selbst wenn keine Beweise vorliegen. Die neu geschaffenen Polizeigesetze der Länder, allen voran in Bayern, ebnen der Kriminalisierung jeglicher politischer Opposition den Weg. Ähnlich wie zu Zeiten der Weimarer Republik kann die Rückkehr Deutschlands zu Großmachtpolitik und Militarismus auch heute nur durchgesetzt werden, indem jeglicher Widerstand möglichst schon im Keim erstickt und die rechtesten Kräfte ermutigt, aufgebaut und unterstützt werden.

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