Bonn: Antisemitismus-Opfer von Polizei verprügelt

Der an der Universität in Baltimore (USA) lehrende Philosophieprofessor Yitzhak Melamed wurde am letzten Mittwoch in Bonn erst Ofer eines antisemitischen Angriffs und anschließend von Bonner Polizeibeamten brutal geschlagen.

Melamed wollte an der Bonner Universität einen Gastvortrag über Spinoza halten und vorher im belebten Bonner Hofgarten mit einer Kollegin einen Spaziergang machen, als ein 20-jähriger Deutscher mit palästinensischen Wurzeln ihn auf seine Kippa ansprach und fragte: „Bist du Jude?“

Wie der Professor der Berliner Morgenpost berichtete, sagte der Angreifer, dass er Palästinenser sei. Melamed antwortete ihm, er habe nichts gegen Palästinenser oder Muslime. Darauf habe der Angreifer in deutscher und englischer Sprache auf Juden geschimpft, ihm mehrmals die Kippa vom Kopf gerissen und ihn geschubst. Passanten riefen die Polizei, die aber erst nach zwanzig Minuten eintraf. In dieser Zeit lief der Angreifer mehrmals auf die Wiese und kam zurück. Melamed wehrte sich mit Tritte gegen das Bein.

Als die Polizei schließlich erschien, floh der Angreifer und der Professor versuchte ihm zu folgen, um der Polizei mitteilen zu können, in welche Richtung er gelaufen war. „Ich dachte, wenn er aus der Sicht ist, kann man ihn nicht mehr festnehmen. Und er wirkte auf mich auch psychisch verwirrt. Ich wollte auch nicht, dass er weiter so aggressiv rumläuft. Das war keine gute Situation. Und vielleicht war das mein Fehler“, sagte Melamed der Berliner Morgenpost.

Doch die Polizisten folgten nicht etwa dem Angreifer, sondern überwältigten den 50-jährigen Professor, der immer noch seine Kippa trug. Vier Polizisten warfen ihn zu Boden, sprangen auf ihn, fixierten ihn und schlugen ihn brutal ins Gesicht. Obwohl er immer wieder beteuerte, er sei die falsche Person, wurde er nach eigenen Angaben „ungefähr 50, 60, 70 Mal“ geschlagen.

Schließlich ließen die Polizisten von ihm ab und verfolgten den Täter. Doch einer drohte ihm: „Machen Sie der deutschen Polizei keinen Ärger.“ Woraufhin er antwortete: „Ich habe keine Angst vor der deutschen Polizei. Mein Großvater wurde von der deutschen Polizei ermordet, meine Großmutter wurde von der deutschen Polizei ermordet, meine Tante wurde von der deutschen Polizei ermordet, mein Onkel wurde von der deutschen Polizei ermordet. Und ich habe keine Angst mehr vor der deutschen Polizei.“

Melamed fuhr schließlich mit den Polizisten aufs Revier, wo er in der Abteilung für „politische Straftaten“ den Vorfall schilderte. Mit einer Stunde Verspätung und einer neuen Lesebrille, weil die Polizisten die alte zerbrochen hatten, konnte er dann schließlich seine Vorlesung halten.

Am nächsten Morgen, kurz vor seinem Abflug in die USA, kam die Bonner Polizeipräsidentin in sein Hotel, entschuldigte sich für das Verhalten der Beamten und versprach, dass es eine Untersuchung geben werde. Auch der Bonner Oberbürgermeister entschuldigte sich bei Melamed. Der Professor akzeptierte die Entschuldigung, sagte aber auch, dass er nicht verstehe, warum ihn die Polizei verwechselt habe: „Ich trug meine Kippa.“ Empört war er auch darüber, dass die Polizei in der Presse die falsche Meldung verbreitet hatte, er habe sich ihr widersetzt. Er sei nicht „zu 100, sondern zu 500 Prozent passiv“ gewesen, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Angreifer wurde von der Polizei gefasst und kurzfristig in die Psychiatrie gebracht, weil er offenbar Dogen genommen hatte, wurde aber schnell wieder entlassen. Er ist der Polizei wegen Drogenkriminalität bekannt. Ein ausreichender Grund, ihn in Haft zu behalten, gab es jedoch nicht.

In jüngster Zeit haben deutsche Medien und Politiker antisemitische Angriffe, an denen Flüchtlinge oder Täter mit muslimischem Hintergrund beteiligt waren, massiv hochgespielt. Jeder Flüchtling mit muslimischem Hintergrund wurde als potentieller Antisemit gebrandmarkt. Das diente vor allem dazu, die Angriffe Flüchtlinge zu verschärfen, die Polizei zu stärken und demokratische Grundrechte abzubauen.

Nicht nur der Vorfall in Bonn, auch die offizielle Statistik zeichnen ein anderes Bild. Es gibt zwar antisemitische Übergriffe von Arabern und Palästinensern, die über die brutale israelische Besatzungspolitik empört sind. Aber die große Mehrheit der antisemitischen Angriffe kommt von Rechtsextremen, die sich durch die Flüchtlingshetze der Bundesregierung und der Medien gestärkt fühlen. Und auch die Polizei verliert angesichts der ständigen Verschärfung der Polizeigesetze alle Hemmungen – wie der Vorfall in Bonn zeigt.

In Nordrhein-Westfalen ist die Anzahl der antisemitischen Straftaten laut der offiziellen Statistik des Landes-Innenministeriums 2017 von 297 auf 324 gestiegen, was eine Zunahme von 9 Prozent entspricht. Doch von diesen 324 Straftaten gingen 294, d.h. über 90 Prozent, auf das Konto von Rechtsradikalen! Doch darüber schweigen sich die Medien weitgehend aus.

Es ist kein Zufall, dass die Misshandlung eines jüdischen Professors durch Bonner Polizisten mit einer drastischen Verschärfung des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes zusammenfällt. Besonders seit den aufgebauschten und vielfach durch Provokationen ausgelösten Auseinandersetzungen beim G20-Gipfel im letzten Jahr, werden in Bayern, NRW und vielen anderen Bundesländern die Polizeigesetze massiv verschärft: Demokratische Rechte werden eingeschränkt, persönliche Freiheitsrechte wie das Selbstbestimmungsrecht über eigene Daten, das Recht auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit und das Streik- und Versammlungsrecht ausgehebelt und polizeilicher Willkür Tür und Tor geöffnet. Dementsprechend fühlen sich Polizisten ermutigt, so vorzugehen wie am letzten Mittwoch im Bonner Hofgarten.

Am 7. Juli protestierten in Düsseldorf 20.000 Menschen gegen das neue Polizeigesetz. Sie wurden um ein Haar selbst zum Opfer polizeilicher Willkür. Die Düsseldorfer Polizei wollte die Demo nur unter strengen Auflagen genehmigen, da der „Protest gegen vermeintliche Polizeigewalt bzw. Polizeihoheit … eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit sich“ bringe. Wer gegen Polizeiwillkür demonstriert, gilt also als Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Yitzhak Melamed hat diesen Zusammenhang gegenüber der Berliner Morgenpost recht gut erfasst. „Der Vorfall mit dem jungen Mann, der mich beschimpfte, das war natürlich schlimm“, sagte er. „Aber nichts im Vergleich mit der Gewalt, die von den Polizisten ausging. … Ganz sicher habt ihr ein Problem mit dem Antisemitismus, aber ihr habt auch ein Problem mit brutaler Polizeigewalt.“

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