Perspektive

Donald Trump des „Verrats“ bezichtigt

In den USA gehen die Hysterie und Vorwürfe an den US-Präsidenten Donald Trump weiter, der sich in Helsinki mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin getroffen hat. Am 19. Juli brachte die New York Times einen Artikel mit dem Titel: „Jetzt dreht sich die Debatte um das Wort ‚Verat‘.“

Der Artikel stammt von dem Times-Korrespondenten für das Weiße Haus, Peter Baker. Er ist Autor zweier Bücher, eines davon „The call of history“ (Der Ruf der Geschichte), das Barack Obama verherrlicht, und das andere eine Dämonisierung von Putin im Stil des Kalten Krieges („Kremlin Rising“). Sein neuster Artikel über Trump enthüllt ungewollt die scharfe Rechtswende, die die Demokratische Partei und der einstige Medien-Liberalismus vollzogen haben.

Baker weist darauf hin, dass der Vorwurf des Verrats sich darauf beziehe, dass Trump anscheinend „Putins Wort über das der amerikanischen Geheimdienste stellt, wenn es um die Einmischung in russische Wahlen geht“. Dann schreibt er:

„Mr. Trump wurde nicht nur des schlechten Urteils, sondern auch des Verrats beschuldigt – und zwar nicht nur von Randelementen und liberalen Talkshow-Moderatoren, sondern auch von einem ehemaligen CIA-Direktor.“

An Trump gewandt, fährt er fort: „In einer beispiellosen Präsidentschaft sorgen Sie für einen neuen Moment, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Während der Vorwurf des Verrats immer wieder mal am Rand der politischen Debatte erhoben wird, war er in der Moderne noch nie ein so prominenter Teil des nationalen Gesprächs.“

Für Baker scheint die „Moderne“ ein kurzes Zeitalter zu sein. Darüber hinaus war er offenbar über einen wichtigen Artikel nicht informiert. Auf den Innenseiten dieses Leib- und Magenblattes des US-Establishments erschien am selben Tag ein Nachruf auf John Stormer, den Autor eines Buchs von 1964 mit dem Titel „None Dare Call It Treason“ (Niemand erdreiste sich, es Verrat zu nennen). Dieser Nachruf ist für die Vorwürfe hochaktuell.

John Stormers Buch, das eine Rolle in der gescheiterten Präsidentschaftskandidatur des damaligen republikanischen Kandidaten Barry Goldwater spielte, brachte das Narrativ des rechtsextremen Flügels der amerikanischen Politik auf den Punkt, das zum Teil auf Senator Joseph McCarthy zurückgeht. Dieses Narrativ besagte, dass die US-Regierung weitgehend von kommunistischen Agenten und „Betrügern“ übernommen worden sei, die sie im Interesse des Kremls führten.

Auf der Titelseite des Buches stand: „1964 ist ein Jahr der Krise und der Entscheidung. Wird Amerika weiterhin dem kommunistischen Feind helfen, wird es sich angesichts der Gefahr entwaffnen, sich vor kommunistischen Diktatoren in jedem Winkel der Erde beugen? Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“

Dieser paranoide Stil findet zweifellos Widerhall innerhalb der Demokratischen Partei und der New York Times selbst. Nur zwei Tage zuvor beschrieb der unsägliche außenpolitische Kolumnist der Zeitung, Thomas Friedman, Trump als „eine Bereicherung des russischen Geheimdienstes“ und rief auf ähnliche Weise zu den Waffen: „Meine amerikanischen Mitbürger, wir sind in Schwierigkeiten und haben heute große Entscheidungen zu treffen.“ Letztes Jahr benutzte derselbe Friedman seine Kolumne, um einen offenen Brief an die Militäroffiziere der Trump-Administration zu richten und zu einer Palastrevolte gegen den Präsidenten aufzurufen.

Die Hauptautorität, die Baker für seinen Verratsartikel zitiert, ist John Brennan, der ehemalige Direktor der US Central Intelligence Agency (CIA). Baker bezeichnet ihn als „einen der lautesten Kritiker von Trump“. Brennan hatte Trumps Verhalten in Helsinki als „nichts anderes als Verrat“ denunziert.

Die Behauptung, Trump sei ein Agent des Kremls, ist nicht glaubhafter als ähnliche Anschuldigungen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert von Leuten wie McCarthy, Stormer und der John Birch Society gegen Eisenhower und Kennedy erhoben wurden.

Die Demokratische Partei erweckt ein Narrativ zu neuem Leben, das mit den rechtsextremen Elementen des amerikanischen politischen Spektrums verbunden ist. Das hat unheilvolle Folgen. Es wird in der US-Bevölkerung zwangsläufig politische Verwirrung stiften und eine extrem reaktionäre und gefährliche Wende des amerikanischen kapitalistischen Staates einleiten.

Was ist der Inhalt von Trumps „Verrat“? Wie lautet die Anklage, die die Fernsehmoderatoren und Hohlköpfe im Ton der Entrüstung endlos wiederholen? Es sind übrigens dieselben medialen Handlanger, die schweigend über die Kriegsverbrechen in Syrien und Irak und den Völkermord im Jemen hinweggehen und zur Seite schauen, wenn Trump an der US-mexikanischen Grenze die Einwandererkinder von ihren Eltern trennen lässt.

Der Vorwurf lautet, dass Trump die Aussagen des amerikanischen Geheimdienstes missachtet habe. Als Zeugen der Anklage bei diesem vermeintlichen „Staatverbrechen“ wird ein Trio aus früheren Geheimdienstagenten angeführt, die heute ihre Finanzen aufstocken, indem sie als „Sicherheits- und Geheimdienst-Analysten“ für die Fernsehsender tätig sind: John Brennan, Michael Hayden und James Clapper.

Wahrhaftig unbestechliche Hüter der Wahrheit! Als CIA-Direktoren waren sie federführend bei Folter, geheimen Gefängnissen, „außerordentlichen Überstellungen“ und Drohnenmorden und haben noch andere Verbrechen angeleitet, die hinter dem Rücken des amerikanischen Volkes begangen wurden.

Brennan versuchte, die Enthüllung des CIA-Folterprogramms zu verhindern, indem er das Computer-Hacken des Senat-Geheimdienstes durch CIA-Spitzel anordnete. Clapper ist ein Meineidiger, der den Kongress belog, indem er leugnete, dass die National Security Agency, die er auch leitete, Daten über amerikanische Bürger sammelte. Diese Lüge wurde durch die Enthüllungen von Edward Snowden ans Licht gebracht. Und Hayden, ebenfalls ein Chef der NSA, setzte massive Spionageprogramme im Inland durch.

Wer auch nur ein flüchtiges Geschichtswissen hat, muss hinter die Präsentation dieser Agenten als Verteidiger der Demokratie und hinter die Tatsache, dass sie gegen den „Verräter“ Trump ins Feld geführt werden, ein großes Fragezeichen stellen.

In jeder demokratischen Gesellschaft sind die Geheimpolizei und die Geheimdienste des kapitalistischen Staates von jeher mit dem größten Misstrauen betrachtet worden. Nirgendwo ist das so wahr wie in den USA.

Tatsächlich war das Misstrauen in die CIA so groß, dass ihre Gründungsurkunde sie daran hinderte, Operationen innerhalb der USA selbst durchzuführen. Man ging allgemein davon aus, dass die Agentur ihre geheimen Machenschaften nicht im Rahmen nationaler und internationaler Gesetze durchführen könne.

Die CIA, wegen ihres Mordprogramms auch „Murder, Inc.“ (Mord AG) genannt, hat Staatsstreiche gegen demokratisch gewählte Regierungen durchgeführt und sie durch brutale Diktaturen ersetzt. Dies betraf Staaten vom Iran über Guatemala bis zur Türkei und zu Griechenland und mehrere Länder Lateinamerikas.

Was das FBI angeht, so ist seine Akte prall voll von Gerichtsverschwörungen, Provokationen und Morden. Die Agentur führte einen ausgewachsenen Krieg gegen die Bürgerrechtsbewegung, die Antikriegsbewegung und jeden Teil der amerikanischen Linken und überschwemmte Organisationen mit Tausenden von Spionen und Provokateuren.

Diese Agenturen sind weitgehend verantwortlich für die zwei Lügen – „Massenvernichtungswaffen“ und „Krieg gegen den Terrorismus“ – die benutzt wurden, um im vergangenen Vierteljahrhundert eine US-Außenpolitik auf der Grundlage unendlicher Angriffskriege zu rechtfertigen.

Es muss eine deutliche Warnung vor einem US-Polizeistaat sein, wenn jetzt die Aussage eines Politikers, der sich hinsichtlich der Wahrhaftigkeit und Integrität der CIA, des FBI und der NSA skeptisch äußert, derart gebrandmarkt und mit Verrat gleichgesetzt wird.

Trumps zweiter „Verrat“ bestand in seinem Versuch, die Spannungen mit Moskau abzubauen. Während der US-Präsident Russland durch das Prisma seiner „America First“-Außenpolitik betrachtet, sind die Fraktionen, die im US-Establishment und im Militär- und Geheimdienstapparat das Sagen haben, so sehr auf die Vorbereitung eines Angriffs auf Russland konzentriert, dass sie keinerlei Entspannung tolerieren können.

Die Demokraten, die darauf brennen, die russische Föderation aufzuteilen und in eine Kolonie zurück zu bomben, stellen nach ihren heutigen Interessen die vollendete Partei der Wall Street und der CIA dar. Sie sind weder willens noch fähig, sich Trump von einem progressiven oder linksstehenden Standpunkt aus zu widersetzen, denn sie verteidigen die Interessen des Finanzkapitals und der Milliardäre à la Jeff Bezos dieser Welt.

Die Begriffe „links“ und „rechts“ haben im Kontext der bürgerlichen Politik der USA ihre Bedeutung verloren. Die Demokraten haben eine Neo-McCarthy-Politik angenommen. Darin zeigt sich, dass das gesamte herrschende Establishment und seine kriegführenden Fraktionen zur Reaktion übergehen und bereit sind, die sozialen und demokratischen Grundrechte der Bevölkerung zu zerstören.

Die gleiche Dynamik bestimmt die pseudolinken Organisationen, die sich im Umfeld der Demokratischen Partei bewegen. Das zeigt sich an der Reaktion der International Socialist Organization (ISO) auf die Empörung über den Gipfel von Helsinki. Ihre Führer schreiben: „Trump hat es geschafft, als der Geprellte eines der offensichtlich schlechtesten Menschen des Planeten dazustehen.“

All diese politischen Tendenzen, deren Interessen die der privilegierten Schichten der oberen Mittelschicht sind, werden durch den Aufschwung des Klassenkampfes in den USA und weltweit und die Gefahr einer revolutionären sozialen Erhebung stark nach rechts getrieben.

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