Ecuadors Präsident zu Besuch in Großbritannien: Julian Assange in akuter Gefahr

Am Samstag traf der ecuadorianische Präsident Lenín Moreno in London ein. Seine Regierung versucht, den WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange zum Verlassen der dortigen ecuadorianischen Botschaft zu bewegen, in der er 2012 politisches Asyl erhalten hat.

Wenn Assange die Botschaft verlässt, wird er von Großbritannien wegen eines Verstoßes gegen seine Kautionsbedingungen verhaftet. Danach ist dem australischen Staatsbürger eine Auslieferung an die USA so gut wie sicher, wo ihm ein Schauprozess wegen Spionage droht.

Auf Anweisung der Moreno-Regierung hat die ecuadorianische Botschaft in London Assange seit dem 28. März jede Kommunikation nach außen und jeden Besuch verboten. Lediglich seine Anwälte sind davon ausgenommen.

Da Großbritannien ihn verhaften würde, sobald er die Botschaft verlässt, lebt Assange seit sechs Jahren als Gefangener in dem kleinen Gebäude. Sein Gesundheitszustand hat sich in dieser Zeit deutlich verschlechtert. Die Kommunikationssperre ist ein Versuch, ihn psychologisch so unter Druck zu setzen, dass er die Botschaft verlässt. Gleichzeitig soll er zum Schweigen gebracht werden, während die amerikanischen und internationalen Medien reißerische Vorwürfe gegen ihn verbreiten: WikiLeaks sei Teil einer russischen Verschwörung mit dem Ziel gewesen, die US-Präsidentschaftswahl 2016 zu manipulieren.

Im Vorfeld von Morenos Besuch in London hatte sein Staatssekretär Paul Granda am 19. Juli erklärt, es sei „kein spezielles Treffen zu Assange geplant“. Am gleichen Tag behauptete der ecuadorianische Außenminister Andres Teran, Morenos Regierung führe „keine Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten“ um den WikiLeaks-Herausgeber.

Diese Aussagen sind nicht glaubwürdig. Alle Anzeichen lassen auf das Gegenteil schließen: Die Verschwörung der Regierungen der USA, Großbritanniens, Ecuadors und Australiens mit dem Ziel, Assange in den USA einen Schauprozess zu bereiten, ist weit fortgeschritten.

Die amerikanischen Geheimdienste sind entschlossen, Assange als „Spion“ anzuklagen. Im April 2017 wurde seine Verhaftung zur Priorität erklärt, nachdem WikiLeaks begonnen hatte, im Rahmen seiner Serie „Vault 7“ neue Dokumente zu veröffentlichen, aus denen hervorgeht, dass die CIA Schadsoftware entwickelt hat, um auf der ganzen Welt Telefone, PCs, Server, Smart-TV-Geräte und Fahrzeugcomputer zu hacken.

Der Verrat von Morenos Regierung an Assange ist Teil ihrer Versuche, im Auftrag der ecuadorianischen Wirtschaftselite die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Washington wiederherzustellen. Assanges Kommunikationsmittel wurden nur einen Tag nach einem Spitzentreffen mit Vertretern des Southern Command des US-Militärs in Ecuador unterbrochen. Bei dem Treffen ging es um eine Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit.

Morenos Komplizenschaft bei der Verfolgung von Assange wurde auch durch die Ankündigung seiner Berater deutlich, dass er während seines Besuchs in London die Botschaft nicht einmal besuchen will, um sich nach dem Befinden eines verfolgten Journalisten zu erkundigen, dem seine Regierung nominell politisches Asyl gewährt.

Am Freitag twitterte die Herausgeberin von Russia Today Margarita Simonjan: „Laut meinen Quellen wird Assange in den kommenden Wochen oder Tagen an die britischen Behörden ausgeliefert werden“.

Wie glaubwürdig Simonjans Quellen sind, ist noch unklar. Doch dass Moreno in den nächsten Tagen mit führenden Mitgliedern der Tory-Regierung von Premierministerin Theresa May sprechen wird, ist erwiesen.

Die Gespräche zwischen Großbritannien und Ecuador finden vor dem Hintergrund einer hysterischen Kampagne des politischen und medialen Establishments in den USA statt. Seit Trumps Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki überschlagen sich diese mit Vorwürfen über Russlands „Einmischung“ und „Einflussnahme“.

Im Mittelpunkt dieser Vorwürfe steht die Veröffentlichung von E-Mails des Nationalkomitees der Demokratischen Partei (DNC) im Juli 2016 durch WikiLeaks. Aus diesen Mails ging hervor, dass die angeblich unparteiischen DNC-Funktionäre im Vorwahlkampf der Demokraten versucht hatten zu verhindern, dass Bernie Sanders anstelle von Hillary Clinton zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wird.

Viele von Sanders‘ Anhängern, vor allem Jugendliche, reagierten empört auf diese Enthüllung. Sie hatten für den Senator aus Vermont gestimmt, weil er sich als „demokratischer Sozialist“ und Gegner der „Milliardäre“ bezeichnet hatte. Hochrangige Mitglieder des Nationalkomitees erklärten ihren Rücktritt, weil sie sich durch ihre Mails so blamiert sahen.

Anschließend haben die Demokratische Partei, die amerikanischen Medien und die US-Geheimdienste diese Geschichte jedoch umgeschrieben. Die Veröffentlichung der E-Mails des DNC wird als „Beweis“ für einen von Russland organisierten Versuch dargestellt, die Präsidentschaftswahl 2016 zu Gunsten von Donald Trump zu manipulieren. WikiLeaks und Assange werden dabei als Komplizen des Putin-Regimes gebrandmarkt.

Am 6. Januar 2017 erklärte das Office of National Intelligence: „Wir stellen fest, dass die GRU [der russische Militärgeheimdienst] mit großer Sicherheit Material, das er vom DNC und wichtigen Politikern der Demokraten beschafft hatte, an WikiLeaks weitergeleitet hat. Wahrscheinlich fiel die Wahl Moskaus auf WikiLeaks, weil sich dieses mit dem Ruf der Authentizität schmückt.“

Behauptungen über russische „Fake News“ und „Einmischung“ dienten auch als Rechtfertigung für die umfassende und anhaltende Kampagne zur Zensur oppositioneller Publikationen im Internet, von der u.a. WikiLeaks und die World Socialist Web Site betroffen sind. Gleichzeitig werden sie als Rechtfertigung für die Forderungen des amerikanischen Establishments benutzt, die wirtschaftliche und militärische Konfrontation mit Russland zu verschärfen – welche die Gefahr eines Weltkriegs birgt.

Der Vorwurf, Assange sei ein „russischer Agent“, spielt beim Angriff auf die Meinungsfreiheit und demokratische Rechte und bei den Kriegsvorbereitungen eine entscheidende Rolle.

Da Assange als Publizist schlechterdings nicht wegen der Veröffentlichung von Dokumenten angeklagt werden kann, hatte ihn der damalige Vizepräsident Joe Biden im November 2010 als „Hightech-Terroristen“ bezeichnet. Im April 2017 bezeichnete der damalige CIA-Direktor und heutige Außenminister Mike Pompeo WikiLeaks als „nichtstaatlichen feindlichen Geheimdienst“.

Wenn Assange als russischer Spion angeklagt würde, so wäre dies ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen. Internationale Medien und Journalisten, die Informationen veröffentlichen, könnten fortan ohne Rücksicht auf die von der Verfassung geschützte Meinungsfreiheit verfolgt und angeklagt werden.

Die Verleumdung von Assange als Werkzeug Russlands dient eindeutig ideologischen Zwecken. Sie wurde im Rest der Welt vom ex-liberalen und pseudolinken Milieu benutzt, um sich an die Seite des US-Imperialismus, der Demokratischen Partei und der Geheimdienste zu stellen und ihre Untätigkeit bei der Verteidigung von WikiLeaks und demokratischen Rechten zu rechtfertigen.

In Wirklichkeit hat WikiLeaks – unabhängig von seiner Quelle – Informationen veröffentlicht, die Nachrichtenwert hatten und die Menschen über den korrupten, militaristischen und unternehmerfreundlichen Charakter der Demokratischen Partei und ihrer Kandidatin Clinton aufklärten. Jedes wirkliche Nachrichtenorgan, das solche Dokumente erhält, hätte sie veröffentlicht.

In welch immenser Gefahr Assange schwebt, zeigen die Aussagen des britischen Außenministers Jeremy Hunt und seiner australischen Amtskollegin Julie Bishop vom Freitag.

Hunt erklärte hämisch: „Gegen [Assange] liegen ernsthafte Vorwürfe vor, und wir wollen, dass er sich diesen Vorwürfen stellt, aber wir sind ein Rechtsstaat. Er kann jederzeit auf die Straßen von Knightsbridge gehen, und die britische Polizei wird ihm einen herzlichen Empfang bereiten.“

Bishop, die sich zur gleichen Zeit in Großbritannien befand wie Moreno, äußerte die ganze Verachtung der wechselnden australischen Regierungen gegenüber den Rechten eines Staatsbürgers und Journalisten, der von den USA verfolgt wird. Sie reagierte gleichgültig auf Hunts Drohungen und sprach die Regierung von der Verantwortung für Assanges Schicksal frei. Gegenüber den Medien erklärte sie: „Wir verstehen, dass es immer noch Angelegenheiten gibt, für die Assange nach britischem Recht haftbar ist.“ Deshalb seien diese Angelegenheiten Sache der britischen Strafverfolgungsbehörden.

Tatsächlich sind die einzigen Vorwürfe, denen sich Assange in Großbritannien stellen muss, ein Verstoß gegen seine Kautionsbedingungen. Dieser war jedoch notwendig, um einem bedrohlichen Auslieferungsantrag Schwedens zu entgehen, wo er wegen zweifelhafter Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs „befragt“ werden sollte. Er befürchtete zurecht, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden.

Die schwedische Staatsanwaltschaft hat nie Anklage erhoben. Im Dezember 2016 erklärte sie ich damit einverstanden, Assange in London zu befragen. Im April 2017 stellte sie das fingierte Verfahren ein, doch die britischen Behörden und Gerichte weigerten sich, das damit hinfällig geworden Verfahren wegen des Verstoßes gegen die Kautionsauflagen ebenfalls einzustellen.

Als einziger „ernsthafter Vorwurf“ gegen Assange ist eine Anklage wegen Spionage in den USA denkbar, die mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder sogar einem Todesurteil enden könnte.

Mit der Verfolgung von Assange wird das Ziel verfolgt, Whistleblower und unabhängige Medien zu terrorisieren und einzuschüchtern. Sie sollen über imperialistische Kriegsverbrechen und Intrigen, Machtmissbrauch der Wirtschaft und die Kriegsvorbereitungen der USA schweigen.

Wer die Pressefreiheit und demokratische Rechte verteidigt, muss sich für Julian Assanges bedingungsloses Recht einsetzen, die Botschaft in London und Großbritannien ungehindert zu verlassen und nach Australien zurückzukehren, wenn er dies wünscht. Dabei muss ihm garantiert werden, dass er nicht an die USA ausgeliefert wird.

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