Große Koalition plant Wiedereinführung der Wehrpflicht

Die Große Koalition will die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland wieder einführen. Darüber berichteten am vergangenen Wochenende diverse Medien, unter anderem Spiegel Online, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Tagesschau.

Auf dem CDU-Parteitag im Herbst soll ein Beschluss zur Wiedereinführung des Wehrdienstes verabschiedet und in das neue Grundsatzprogramm der Union aufgenommen werden.

Der Bundestagsabgeordnete Oswin Veith, der zugleich Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr ist, erklärte der F.A.Z., der Dienst solle „zwölf Monate gehen und für junge Männer und Frauen über 18 Jahre gelten“. Ein anderer CDU-Politiker, Patrick Sensburg, verkündete, angesichts einer unsicheren Weltlage sei die Wehrpflicht „für die ureigene Aufgabe einer Armee, die Verteidigung des eigenen Landes“, unabdingbar.

Auch seitens der SPD erhält der Vorschlag Unterstützung. Der Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu äußerte sich besonders deutlich: „Wir müssen eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, ob wir auf dem heutigen Weg, die Bundeswehr möglichst attraktiv zu machen, tatsächlich die Personalzahlen erreichen, die wir für die Landes- und Bündnisverteidigung brauchen.“

Über das Ziel, die Bundeswehr „attraktiv“, also möglich schlagkräftig zu machen, herrscht in der Großen Koalition absoluter Konsens.

Zwar äußern einige Politiker — sowohl in der Opposition, als auch in den Reihen von CDU und SPD — Vorbehalte gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Sie fürchten, dass der vor sieben Jahren in Angriff genommene Aufbau einer Berufsarmee dadurch Schaden nimmt. Professionelle Soldaten, die mehrere Jahre Dienst tun, sind wesentlich schlagkräftiger und weniger dem Druck der öffentlichen Meinung ausgesetzt als Wehrpflichtige, die nach zwölf Monaten wieder ausscheiden.

Sie befürworten deshalb die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen. Volljährige deutsche Staatsbürger sollen nach ihrer Schulausbildung zwölf Monate „Deutschland dienen“ — entweder bei der Bundeswehr, oder aber beim Technischen Hilfswerk, in der Gesundheitsversorgung oder in der Pflege.

Der Zwang, sich zwischen einem zivilen Pflichtdienst und der Bundeswehr zu entscheiden, würden den Druck erhöhen, sich „freiwillig“ bei der Bundeswehr zu melden, und dem Staat gleichzeitig billige Arbeitskräfte im Pflege- und anderen Bereichen zur Verfügung stellen. Junge Menschen sollen gezwungen werden, entweder im Gesundheitssektor ausgebeutet oder in die deutsche Kriegsmaschinerie hineingezogen zu werden.

Die Einführung eines solchen Pflichtdienstes würde allerdings eine grundlegende Änderung der Verfassung erfordern. Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Hans-Peter Bartels (SPD), zeigte sich gegenüber der Bild am Sonntag skeptisch hinsichtlich der Legalität: „Das fällt unter das Verbot der Zwangsarbeit“. Er halte es „für ziemlich unwahrscheinlich, 700.000 junge Männer und Frauen jährlich für die eine oder andere Aufgabe verpflichtend einzuziehen, so sympathisch die Idee auch klingen mag“.

Die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht reiht sich nahtlos in den stramm rechten und militaristischen Kurs der Großen Koalition ein. Seit ihrer Vereidigung am 14. März beweisen SPD und CDU täglich, dass sie eine hartnäckige Agenda der Kriegstreiberei und Großmachtpolitik verfolgen mit dem Ziel, die Interessen der deutschen Wirtschaft auf globaler Ebene zu stärken.

Ende Juli offenbarte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Interview mit dem Spiegel, mit welcher Vehemenz die deutsche Bourgeoisie aufrüstet. Vom Spiegel auf die Beziehung zu US-Präsident Donald Trump angesprochen, nutzte von der Leyen die Steilvorlage und erklärte: „Wir Europäer sind gefordert – in unserem ureigenen Interesse, und nicht, um dem US-Präsidenten zu gefallen.“

Ausdrücklich unterstützte sie Trumps Forderung nach höheren Rüstungsausgaben: „Dass Präsident Trump von allen Nato-Partnern mehr Anstrengungen fordert – da hat er einen Punkt. Auch Deutschland muss die Bundeswehr dringend besser und vollständig ausstatten. Deswegen waren unsere Trendwenden der vergangenen Jahre richtig, und wir müssen hier kraftvoll weitermachen.“

Gegenstimmen oder grundsätzliche Kritik sucht man auch bei den Oppositionsparteien vergeblich. Die Fraktionschefin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, forderte jüngst in Worten, die jenen von der Leyens zum Verwechseln ähnlich klingen, eine „selbstbewusste Außenpolitik“, eine Stärkung des „deutschen Binnenmarktes“ sowie mehr Finanzmittel für Polizei und Justiz. Auch die Grünen unter Anton Hofreiter werfen der Regierung vor, sie sei unfähig, „die Soldatinnen und Soldaten mit notwendiger Grundausrüstung auszustatten“ und deutsche Interessen im Ausland durchzusetzen.

Der Kurs der herrschenden Klasse ist unmissverständlich: Anfang Juli verabschiedete der Bundestag den neuen Haushalt für den Rest des Kalenderjahres, sowie einen Finanzplan bis 2021, der die Ausgaben für Militär und Polizei massiv erhöht. Vorgesehen sind weitere 5,4 Milliarden Euro für die innere Sicherheit, sowie ein Aufstocken des Wehretats von aktuell knapp 40 auf 42,9 Milliarden Euro.

Die Verteidigungsministerin bekennt sich strikt zum NATO-Ziel, zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts ins Militär zu investieren. Während in ganz Deutschland die Löhne stagnieren und es in Bildung, Pflege, und sozialer Sicherheit an allen Ecken und Enden mangelt, pumpt die Bourgeoisie Unsummen in den Kriegsapparat. Selbst eine deutsche Atombombe wird inzwischen gefordert.

Im Interview mit dem Spiegel behauptete von der Leyen dreist: „In der Bevölkerung gibt es sehr wohl Verständnis dafür, dass sich unsere Sicherheitslage dauerhaft verändert. Und dass wir deshalb eine Bundeswehr brauchen, die gemeinsam mit unseren Verbündeten agieren kann. Das ist inzwischen breiter Konsens“. Das ist eine Lüge. Wäre der Rückhalt für Aufrüstung und Krieg tatsächlich so groß wie behauptet, gäbe es keine Notwendigkeit für die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Im Gegenteil: Die etablierten Parteien gehen auch deshalb immer rabiater vor, weil die internationale Arbeiterklasse auf dem Vormarsch ist. Auf der ganzen Welt gehen Arbeiter in Streiks und demonstrieren gegen Sozialabbau und Militarisierung. Eine Mehrheit spricht sich explizit gegen die widerliche und menschenverachtende Politik der Großen Koalition aus

So fanden am Wochenende in Berlin, Hamburg, Bremen, Köln und Leipzig massive Proteste der Aktion „Seebrücke — Schafft sichere Häfen!“ gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung statt, die CDU und SPD von der rechtsradikalen AfD übernommen haben. Laut einer aktuellen Umfrage des Spiegel widersprechen 67 Prozent der Deutschen klar dem aktuellen Rechtsruck in der Politik.

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