Das Debakel der Neonazis in Washington

Die Beteiligung an der Neonazi-Kundgebung am Sonntag in Washington vermittelt einen Eindruck von dem Charakter der Faschisten und Rassisten in den Vereinigten Staaten. Eine pausenlose Medienkampagne hatte ein weit übertriebenes Bild der Unterstützung für die Ultrarechten in der Bevölkerung gezeichnet. Aber nicht einmal zwei Dutzend Teilnehmer kamen schließlich zu der „Unite the Right 2“-Kundgebung im Lafayette Park gegenüber dem Weißen Haus.

Man sollte die ganze Angelegenheit eine vom Staat inszenierte Provokation nennen und nicht eine Kundgebung. Die Handvoll Neonazis erhielt in der U-Bahn ihren eigenen Waggon. Sie wurden von der Polizei von anderen Fahrgästen getrennt. Sie passierten U-Bahn-Stationen, wo zahlreiche Polizisten patrouillierten. Anschließend wurden sie aus der U-Bahn-Station Foggy Bottom eskortiert und von noch mehr Polizisten aus einem privaten Ausgang geführt und in Sicherheit gebracht. Auf dem Fußweg zum Lafayette Park wurden sie noch einmal von hunderten Polizisten geschützt, die antifaschistische Demonstranten auf Abstand hielten. Das Verhältnis von Nazis und Gegendemonstranten belief sich auf mindestens eins zu hundert. Nach der Kundgebung bestiegen die Faschisten weiße Vans, die ihnen entweder die Polizei oder die Verkehrsgesellschaft zur Verfügung stellten.

An jedem Punkt der inszenierten Aktion waren die Journalisten, die über den Flop berichteten, gegenüber den Neonazis weit in der Überzahl. Dutzende Reporter in seinem Schlepptau lasen dem Organisator der Kundgebung, Jason Kessler, jedes Wort von den Lippen ab. Die Anzahl der Stunden, in denen auf allen TV-Kanälen berichtet wurde, erwies sich als größer als die Zahl der teilnehmenden Neonazis. Das beschreibt das ganze Ausmaß des Medienhypes.

Der wiederum ging nicht in erster Linie von Fox News aus. Dem Sender war die Pro-Trump-Ausrichtung der Rassisten auf der Kundgebung eher etwas peinlich. CNN und MSNBC stellten praktisch unbegrenzte Sendezeit zur Verfügung und National Public Radio gewährte Kessler sogar ein siebenminütiges Interview, in dem er das landesweite Publikum fast ununterbrochen mit seinem rassistischen Schmutz malträtieren konnte. Das ermöglichte den Neonazis, als eine weit größere potentielle Kraft zu erscheinen, als sie es in Wirklichkeit sind.

Kessler rief zu der Kundgebung auf, um auf das Andenken an Heather Heyer zu spucken, die antifaschistische Demonstrantin, die vor genau einem Jahr von einem Rassisten in Charlottesville, Virginia, bei der ersten „Unite the Right“-Kundgebung in der Universitätsstadt ermordet worden war. Aber es war klar, dass Kessler sich verkalkuliert hatte. 2017 gab es noch einen offenen faschistischen Aufstand in Charlottesville, bei dem hunderte mit Fackeln demonstrierende Rassisten durch den Ort zogen, um Denkmäler der Konföderierten, den Truppen der Sklavenhalter aus den Südstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg, vor dem Abbau zu bewahren. Der Auftritt in Lafayette Park 2018 war hingegen ein Debakel.

Viele der Rassistengruppen, die an der Aktion in Charlottesville teilgenommen hatten, kamen zumindest teilweise wegen der geplanten linken Gegendemonstrationen nicht nach Washington. Außerdem waren aber auch viele der ultrarechten Kräfte in Virginia damit beschäftigt, den Wahlkampf des Kandidaten der Republikaner für den Senat, Corey Stewart, zu unterstützen, der offen rassistisch und einwandererfeindlich ist und vom republikanischen Parteiestablishment boykottiert wird. Trump hingegen unterstützt ihn begeistert.

Man sollte darauf hinweisen, dass die Mobilisierung der Gegendemonstrationen gegen „Unite the Right 2“ von Facebook zensiert wurde. Das wurde mit dem völlig heuchlerischen Argument begründet, dass diese Demonstrationen eine künstliche Bewegung seien, die angeblich von der russische Regierung angeheizt würde, um Amerikaner gegen Amerikaner aufzuhetzen. Facebook schloss die Seite, die für die Gegenproteste warb, weil sie angeblich Zeichen von „nicht-authentischer Aktivität“ aufweise.

Trotzdem kamen Tausende Jugendliche und Arbeiter zu der Gegendemonstration. Einige reisten aus New York oder noch weiter her an, um ihren Hass gegen die Faschisten und die Trump-Regierung zu zeigen, die sie ganz offensichtlich für die geistigen Brandstifter der Neonazi-Kundgebung hielten, wenn nicht gar für die direkten Organisatoren.

In Wirklichkeit verdiente „Unite the Right 2“ die Bezeichnung „unauthentisch“, weil sie nur durch das Eingreifen des Staates und Medienmanipulationen existieren kann und keinerlei Unterstützung in der Bevölkerung hat.

Das Debakel im Lafayette Park sollte nicht dazu verführen, Neonazis und Rassisten zu unterschätzen oder zu ignorieren. Es zeigt freilich, wo die wirklichen Gefahren liegen: noch nicht in Massenunterstützung für ihre ultra-reaktionäre Politik, sondern in der systematischen Förderung solcher Kräfte durch den kapitalistischen Staat, durch die Trump-Regierung und durch Polizeikräfte auf allen Ebenen, von der Einwanderungsbehörde und der Grenzpolizei, bis hinunter zum örtlichen Sheriff.

Faschistische Elemente werden gefördert, um die Opposition in der Bevölkerung gegen die Trump-Regierung einzuschüchtern und den Eindruck zu erwecken, als ob es nennenswerte Unterstützung für ihr Wüten gegen Einwanderer und ihre Unterstützung für Polizeigewalt und Brutalität gegen die Arbeiterklasse gebe.

Eine besonders schändliche Rolle spielen dabei die Medien mit Unterstützung von Teilen der Pseudolinken, die so tun, als ob die rassistischen Gruppen große Unterstützung hätten. Das entspricht ihrer üblichen Verleumdung weißer Arbeiter als hoffnungslose Rassisten.

Seit fast zwei Jahren verbreiten die Demokratische Partei und ihre Verbündeten in den Medien eine rassistische Erklärung für den Wahlsieg Trumps und für die rechte Politik seiner Regierung. Dieser Theorie zufolge hat Trump die Präsidentschaft gewonnen, weil die weiße Arbeiterklasse in Arbeiterstaaten wie Ohio, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin rassistisch sei.

Die Behauptung, dass Amerika durch und durch rassistisch sei, und dass der Wahlsieg Trumps das beweise, ist schon wiederholt durch ernsthafte Analysen der Wahl von 2016 widerlegt worden. (siehe: Das Märchen von der „reaktionären weißen Arbeiterklasse“).

Diese Behauptungen sind besonders absurd angesichts der Tatsache, dass die gleichen Staaten zweimal für Barack Obama stimmten, den ersten afroamerikanischen Präsidenten, und dass in mehreren von ihnen in den Vorwahlen der Demokraten Bernie Sanders gegen Hillary Clinton gewonnen hatte. Clintons rechter Wahlkampf weckte nicht die geringste Begeisterung in der Arbeiterklasse. Das führte zu einer geringen Wahlbeteiligung bei weißen und schwarzen Arbeitern und ermöglichte Trump auf der Grundlage von wirtschaftlichem Nationalismus und populistischer Demagogie Unterstützung zu gewinnen.

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