Obama schaltet sich in den Fraktionskampf gegen Trump ein

Am 7. September schaltete sich der ehemalige US-Präsident Barack Obama in die Offensive eines Teils der herrschenden Klasse und des Staatsapparats gegen Präsident Trump ein. Seine Rede an der Universität von Illinois war sein erster direkter Angriff auf seinen Amtsnachfolger. Damit versuchte er im Vorfeld der Zwischenwahlen, den Widerstand der Bevölkerung gegen die Trump-Regierung im Interesse der herrschenden Klasse vor den Karren der Demokraten zu spannen.

Obamas Rede war der Höhepunkt in einer Reihe außergewöhnlicher Ereignisse während der letzten zwei Wochen. In dieser Zeit hat die Intensität der akuten politischen Krise in den USA ein neues, explosives und gefährliches Stadium erreicht.

Als erstes löste der Tod des republikanischen Senators John McCain eine parteiübergreifende Orgie der Heuchelei und ein Aufwallen politischer Reaktion aus. McCain hatte zu den übelsten Kriegstreibern im politischen Establishment der USA gezählt. An seinem Grab versuchten die Demokraten, die Republikaner darin zu überbieten, McCain als „amerikanischen Helden“ und vorbildlichen Staatsmann zu beweihräuchern.

Nur zwei Tage nach McCains Beerdigung brachten die Medien umfangreiche Enthüllungen aus dem bald erscheinenden Buch des Washington Post-Redakteurs Bob Woodward über das Weiße Haus unter Trump. Gestützt auf anonyme Interviews mit hochrangigen Vertretern der Trump-Regierung, zeichnet Woodward ein Bild von Chaos und Zerstrittenheit. Personen wie Verteidigungsminister James Mattis und Stabschef John Kelly bezeichnen Trump in dem Buch als Idioten. Woodward schildert Vorfälle, bei denen Vertreter der Trump-Regierung Befehlen des Präsidenten zuwider handelten, als „administrativen Putsch“.

Danach veröffentlichte die New York Times die Kolumne eines „hochrangigen Vertreters“ der Trump-Regierung, der die Aktivitäten des „inneren Widerstands“ gegen Trump im Weißen Haus schilderte. Darin war von Diskussionen zwischen Trumps Beratern die Rede über die Möglichkeit, ihn wegen geistiger Inkompetenz abzusetzen, wie es der 25. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung vorsieht. Daraus wird deutlich, dass die Times und die Demokraten eine Art von „Widerstand“ befürworten, der an Trumps Steuersenkungen für die Reichen, seiner Abschaffung von Wirtschaftsregulierungen und der Erhöhung der Militärausgaben nichts auszusetzen hat. Kritisiert wird Trump dagegen wegen seiner „Schwäche“ gegenüber Russland und Nordkorea, seiner Impulsivität, Unberechenbarkeit und seinem Leichtsinn.

Obamas Rede war nach einem ähnlichen Muster aufgebaut. Er präsentierte eine absurd verzerrte Geschichte über den Fortschritt Amerikas auf der Grundlage des „freien Marktes“, wobei er bloß einige kleine Fehler einräumte, wie etwa die Kriege in Vietnam und im Irak, die Millionen Todesopfer forderten. Seine Regierung sei Teil dieses Marschs in Richtung Fortschritt gewesen.

Als Beweis für seine eigenen fortschrittlichen Leistungen nannte er die außergerichtliche Ermordung von Osama bin Laden und seinen Beitrag zum „Aufschwung“ nach der Finanzkrise von 2008. Er wiederholte seine Behauptung, zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2016 sei die Lage in Amerika „großartig“ gewesen.

„Als ich mein Amt niederlegte, war das Haushaltseinkommen nahe an seinem Höchststand, die Zahl der Nicht-Versicherten auf dem Tiefststand, die Armutsquote sank. Ich erwähne das nur, damit Sie wissen, wann dieser Aufschwung begonnen hat, wenn sie jetzt hören, wie gut es der Wirtschaft heute geht.“

Obama versuchte nicht einmal zu erklären, warum die Demokratische Partei trotz seines angeblich unermüdlichen Einsatzes für den einfachen Amerikaner die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses verloren hat. Ebenso wenig erklärte er, warum die Demokratische Partei zuletzt so verhasst war, dass sich der milliardenschwere Betrüger und Halbfaschist Trump im Jahr 2016 als Freund der arbeitenden Bevölkerung hinstellen und die Wahl gewinnen konnte.

In Wirklichkeit war Obama für die größte Umverteilung von Vermögen von unten nach oben in der Geschichte verantwortlich. Die Wall Street und die Finanzoligarchie wurden mit Billionen Dollar gerettet. Dies wurde dadurch finanziert, dass die Löhne abgesenkt und vernünftig bezahlte Arbeitsplätze zerstört wurden. An ihrer Stelle wurden Armutslöhne, Teilzeitstellen und Zeitarbeitsverträge eingeführt. Außerdem wurden durch „Obamacare“ die Gesundheitsleistungen für Millionen von Arbeitern zusammengestrichen, die Renten gekürzt, tausende von öffentlichen Schulen geschlossen, zehntausende von Lehrern entlassen und der Lebensstandard der Arbeiterklasse allgemein verringert.

Obamas brutale Abschiebepolitik, seine Weiterführung der unbegrenzten Inhaftierung und des Folterlagers Guantanamo, die Organisierung eines umfassenden Lauschangriffs auf die Bevölkerung und sein Drohnenmordprogramm, dem auch amerikanische Staatsbürger zum Opfer fielen, all das hat Trumps Angriffe auf demokratische Rechte vorbereitet. Unter Obama wurden die Kriege in Afghanistan und im Irak fortgesetzt und neue in Libyen und Syrien begonnen.

Laut Obama bedeutete Trump jedoch eine radikale Abkehr von der Welle des „Fortschritts“. Trump, der eine „Politik der Angst und des Ressentiments“ verkörpere, stelle den „Gegenschlag der Mächtigen und Privilegierten“ dar. Obama kritisierte Trump zwar wegen seiner „Steuersenkungen für die Reichen, den Abbau von Regulierungen und die Schwächung des Sicherheitsnetzes“. Sein Hauptaugenmerk aber galt dem Anstieg des Defizits.

Er versuchte nicht, diese Darstellung mit seiner eigenen Reaktion auf die Wahl 2016 in Einklang zu bringen. Damals hatte er sie als „intramural scrimmage“ bezeichnet, als einen Wettkampf zwischen Spielern des gleichen Teams.

Am bissigsten kritisierte Obama Trump jedoch wegen seiner angeblichen Schwäche gegen Russland. Dabei appellierte er an die Tradition des Antikommunismus aus dem Kalten Krieg.

Er erklärte: „Sie schwächen unsere Bündnisse und führen einen Kuschelkurs mit Russland. Was ist mit der Republikanischen Partei passiert? Ihr zentrales organisatorisches Prinzip in der Außenpolitik war der Kampf gegen den Kommunismus, aber jetzt kuscheln sie mit dem ehemaligen Chef des KGB.“

In Anspielung auf das konstruierte Narrativ, Russland habe sich in die Wahl 2016 eingemischt, warf Obama Trump und den Republikanern im Kongress vor, dass sie „aktiv Gesetze blockieren, die unsere Wahlen vor russischen Angriffen schützen würden“.

Obama appellierte mit seiner Rede hauptsächlich an unzufriedene Republikaner und Konservative, im Herbst für die Demokraten zu stimmen. Er ging so weit, Trump wegen dessen Angriffe auf das FBI und das Justizministerium zu kritisieren, welche die Hexenjagd gegen Immigranten anführen.

Er erklärte: „Aber ich bin hier, um Ihnen zu sagen: Selbst wenn Sie mit meiner Politik oder derjenigen der Demokraten nicht einverstanden sind, selbst wenn Sie an freiheitliche Wirtschaftstheorien glauben, selbst wenn Sie evangelikal sind und Ihnen unsere Haltung in bestimmten sozialen Fragen etwas zu weit geht, selbst wenn Sie meine Haltung zur Immigration für falsch halten und glauben, dass die Demokraten bei diesem Thema nicht ernsthaft genug durchgreifen, möchte ich Ihnen sagen, dass unser derzeitiger Kurs Ihnen dennoch Sorgen bereiten sollte, und dass Sie für die Rückkehr von Ehrlichkeit, Anstand und Rechtmäßigkeit in unserer Regierung einstehen sollten. Das darf keine Frage von ‚Demokrat oder Republikaner‘ sein.“

Dieser rechte Appell ging mit einem Seitenhieb auf die Sanders-Anhänger in der Demokratischen Partei einher. Obama erklärte: „Ich will ehrlich sein. Manchmal gerate ich mit progressiven Freunden in Streit darüber, was in der aktuellen politischen Lage nötig sei. Es gibt wohlmeinende Leute, die sich leidenschaftlich für soziale Gerechtigkeit einsetzen und glauben, die Lage sei so schlimm geworden, die Linien so stark gezogen, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen müsse. Diese Meinung teile ich nicht.“

Diese Rede und die ganze Situation zeigen zwei grundlegende Tatsachen: Keines der zerstrittenen Lager verkörpert irgendetwas Fortschrittliches oder Demokratisches. Auch die Methoden von Trumps Gegnern in der herrschenden Klasse, allen voran in der Demokratischen Partei, sind zutiefst undemokratisch. Es sind Methoden einer Palastrevolte.

Es handelt sich um die Krise der amerikanischen Kapitalistenklasse, und wenn ihre Lösung den rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Elite und ihres Staatsapparats überlassen bleibt, wird das Ergebnis aus einem weiteren Rechtsruck und verstärkten Angriffen auf demokratische Rechte bestehen. Das würde die Fortsetzung des brutalen Sparkurses bedeuten, und die internationalen Kriege würden weiter eskalieren. Die Demokraten haben sich bereits an die Spitze des Feldzugs für die Internet-Zensur gestellt.

Es gibt aber auch einen Widerstand gegen Trump, der sich von demjenigen der Demokraten und ihrer Verbündeten aus Militär, Geheimdienst und Wall Street gänzlich unterscheidet, mehr noch, der den Kampf gegen diese Kräfte aufgenommen hat. Das ist der wachsende Widerstand der internationalen Arbeiterklasse. Er äußert sich in der anhaltenden Welle von Lehrerstreiks, dem massiven Widerstand der UPS-Arbeiter gegen den Ausverkauf durch die Gewerkschaften und der wachsenden Wut unter Amazon-Beschäftigten und anderen schlecht bezahlten und extrem ausgebeuteten Arbeitern. Er ist außerdem Teil eines weltweiten Wiederauflebens des Klassenkampfes. Unabhängig von beiden Parteien des Großkapitals gilt es, diesen Widerstand auf der Grundlage eines revolutionären sozialistischen Programms zu organisieren.

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