Erdbeben und Tsunami in Indonesien fordert über 1200 Todesopfer

Wie die indonesische Regierung am Samstag mitteilte, haben das Erdbeben und der Tsunami vom letzten Freitag wohl auf der Insel Sulawesi Tausende von Todesopfern gefordert. Die offizielle Zahl ist inzwischen auf über 1.200 angestiegen und nimmt weiter zu, indem die Rettungskräfte die weiter abgelegenen Gebiete erreichen.

Obwohl weiterhin nur wenige Berichte vorliegen, ist bereits klar, dass es sich um eine Tragödie von enormem Ausmaß handelt, die das Leben von Hunderttausende oder sogar Millionen Arbeitern, Bauern und ihren Familien zerstört. Etwa 2,4 Millionen Menschen leben in der Palu-Koro-Verwerfung, und die am stärksten betroffenen Städte sind Donggala und Palu. Etwa 17.000 Menschen wurden evakuiert.

Das Hauptbeben mit einer Stärke von 7,5 begann um 18:02 Uhr Ortszeit, gefolgt von Tsunamiwellen, die teils bis zu sechs Meter hoch waren. Zuvor waren bei einem Beben in der Zentralregion von Sulawesi mehrere Menschen getötet sowie zehn weitere verwundet und Dutzende Häuser beschädigt worden.

Vom Tsunami überschwemmter Stadtteil von Palu (Foto: IHH Humanitarian Relief Foundation)

Das starke Beben war noch in weiter Entfernung zu spüren. Im Süden der Insel erreichten Ausläufer ihre größte Stadt, Makassar, und die Nachbarinsel Kalimantan, den indonesischen Teil von Borneo. Mehr als 150 Nachbeben erschütterten die Region, die 1.300 Kilometer westlich der Hauptstadt Jakarta liegt.

Das Erdbeben war das verheerendste in Indonesien seit über zehn Jahren. Nur sieben Wochen zuvor wurden anfang August die Inseln Lombok und Bali von einer Serie von Erdbeben verwüstet, bei denen 623 Menschen getötet und Hunderttausende von Gebäuden zerstört wurden.

Das Beben hat Palu zerstört. Es gibt keinen Strom, das Trinkwasser geht zur Neige. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie die Wellen mehrere Gebäude zum Einsturz bringen und eine große Moschee überfluten, die durch den steigenden Wasserspiegel halb unter Wasser steht. Die Stadt ist von Trümmern eingestürzter Gebäude übersät, und ein großes Einkaufszentrum wurde praktisch völlig zerstört.

Etwa 821 registrierte Todesopfer kamen aus Palu. Nahe den Küsten lagen halb verschüttete Leichen, und die Überlebenden durchsuchten das Gewirr aus Wellblechdächern, Holz und Trümmern. Ein Mann barg die schlammbedeckte Leiche eines kleinen Kindes. Angesichts der wachsenden Gefahr von Krankheiten werden Massengräber für die Toten vorbereitet.

Einer der Toten ist der 21-jährige Fluglotse Anthonius Gunawan Agung. Heldenhaft blieb er in dem hin- und her schwankenden Tower am Flughafen von Palu, um sicherzustellen, dass ein Flugzeug mit Hunderten von Passagieren sicher starten konnte. Er sprang aus dem Tower und starb, bevor ihn ein Rettungshubschrauber erreichte.

Die Regierung erklärte, es gebe noch keine Angaben über die Zahl der Todesopfer in Donggala, einer Stadt mit etwa 300.000 Einwohnern. Sie ist nach dem Zusammenbruch ihrer wichtigsten Brücke immer noch völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Jan Gelfand, ein Vertreter des Roten Kreuzes aus Jakarta, erklärte: „Wir haben nichts aus Donggala gehört, und das ist äußerst beunruhigend … Das ist bereits eine Tragödie, es könnte aber noch viel schlimmer kommen.“

Laut einem Sprecher der Nationalen Katastrophenagentur Sutopo Purwo Nugroho wurden mindestens 540 Menschen schwer verletzt, und viele weitere gelten noch immer als vermisst. Es herrscht weiterhin Sorge um das Schicksal Hunderter Menschen, die ein Strandfestival vorbereiteten, das genau zu der Zeit stattfinden sollte, als der Tsunami an Land traf.

Die Stadt Palu ist um eine enge Bucht herum gebaut, die offenbar die Kraft des Tsunami verstärkt hat. Die Agentur Sutopo teilte Videos, auf denen zu sehen ist, wie der Tsunami das Land überschwemmt, und dazu heißt es, die Wassermassen hätten Geschwindigkeiten von 800 Stundenkilometern erreicht. Die meisten Menschen wurden durch den Tsunami getötet. Der Guardian zitierte einen Anwohner namens Nining, der erklärte: „Viele Leichen sind am Strand verstreut oder treiben auf dem Wasser.“

Zerstörte Häuser in Palu (Foto: IHH Humanitarian Relief Foundation)

Die Krankenhäuser haben große Schwierigkeiten, mit dem Zustrom an Opfern fertig zu werden. Sie errichten Kliniken im Freien, um die Verletzten zu behandeln. Rettungskräfte konnten bis zu 50 Menschen aus den Trümmern eines Hotels in Palu befreien, erklärten aber, sie hätten die Stimmen von weiteren Menschen gehört. Diese konnten sie jedoch nicht befreien, weil ihnen die notwendige schwere Ausrüstung fehlte.

Indonesische Regierungsvertreter und Hilfsorganisationen haben mit dem beschädigten Kommunikationswesen, zerstörten Straßen und Erdrutschen zu kämpfen. Da der Hafen von Palu schwer beschädigt ist, konnten bisher keine Hilfslieferungen per Schiff eintreffen. Nur wenige Regierungsflugzeuge mit Hilfsgütern haben es geschafft, auf dem Flughafen von Palu zu landen.

Der chaotische Charakter der offiziellen Reaktion macht deutlich, dass in den 14 Jahren seit dem Tsunami im Indischen Ozean von 2004 nichts unternommen wurde, um solche Katastrophen künftig zu verhindern. Damals wurden bis zu 230.000 Menschen in der ganzen Region getötet, die meisten davon in Indonesien.

Stattdessen haben die Regierungen in der ganzen Region die sozialen Kürzungen weiter vorangetrieben, um die Forderungen der internationalen Finanzelite und der lokalen herrschenden Eliten zu erfüllen.

Associated Press berichtete am Montag, das Frühwarnsystem, das nach dem Tsunami von 2004 entwickelt wurde, sei seit über zehn Jahren „in der Testphase stecken geblieben“. Nachdem mehrere Regierungen die Geldmittel der indonesischen Katastrophenschutzbehörden stark gekürzt hatten, waren sie nicht mehr in der Lage, die armselige Summe von einer Milliarde Rupien (95.500 US-Dollar) zur Beendigung des Projekts zusammenzukratzen.

Die Akademikerin Louise Comfort von der Universität von Pittsburgh, die an dem Projekt beteiligt war, erklärte: „Für mich ist das eine Tragödie für die Wissenschaft und noch mehr eine Tragödie für die indonesische Bevölkerung, wie die Bewohner von Sulawesi es jetzt am eigenen Leib erfahren. Es zerreißt einem das Herz, wenn man sieht, dass es ein gut entwickeltes Netzwerk von Sensoren gibt, die entscheidende Informationen liefern könnten.“

Etwa 22 Bojen, die ein entscheidender Bestandteil des bestehenden Warnsystems sind, funktionieren gar nicht mehr. Berichten zufolge ist es schwierig, das antiquierte System für rechtzeitige Warnungen vor einem bevorstehenden Tsunami zu nutzen und den Bewohnern der betroffenen Gebiete damit die Flucht zu ermöglichen.

Die Geophysikbehörde des Landes geriet in die Kritik, weil sie die Tsunamiwarnung bereits 34 Minuten, nachdem sie zum ersten Mal ausgegeben worden war, wieder aufhob. Diese Entscheidung hat möglicherweise Verwirrung ausgelöst und die Zahl der Todesopfer erhöht.

Der Sprecher Rahmat Triyono behauptet, die Behörde habe sich an das übliche Verfahren gehalten und den Aufruf zur „Aufhebung“ der Warnung auf der Grundlage von Daten herausgegeben, die von dem am nächsten gelegenen Flutsensor, etwa 200 Kilometer vor Palu, übermittelt worden seien. Er erklärte, die Flutmessung, welche die Veränderungen des Meeresspiegels misst, habe nur eine „unbedeutende“ sechs Zentimeter hohe Welle registriert: „Wenn wir eine Flutmessung oder richtige Daten in Palu gehabt hätten, wäre es besser gewesen. Das müssen wir in Zukunft berücksichtigen.“

Eine Straße in Palu (Foto: IHH Humanitarian Relief Foundation)

Indonesien, ein 5.000 Kilometer breiter Archipel aus 17.000 Inseln, gehört zu den am stärksten von Erdbeben gefährdeten Regionen der Welt. Es liegt in der Zone, die als Feuerring bekannt ist. Allerdings wurde nur wenig unternommen, um sicherzustellen, dass neue Gebäude den häufig auftretenden Naturkatastrophen Stand halten können.

Sutopo ließ im August erklären, die Indonesier „haben keine erdbebensicheren Häuser, vor allem die Menschen in den ländlichen Dörfern, die in schlechten wirtschaftlichen Bedingungen leben“. Es gibt keine staatlichen Vorschriften, laut denen Wohngebäude nach erdbebensicheren Standards gebaut werden müssen. Berichten zufolge haben viele Bauarbeiter nicht die bauhandwerklichen Kenntnisse, die man braucht, um Schäden zu begrenzen.

Die Großmächte und die regionalen Regierungen haben nur minimale Unterstützung oder materielle Hilfe geleistet. Die Regierungen von Australien und Singapur haben nur ihr Beileid geäußert, aber keine konkreten Versprechen gegeben. Die türkische Humanitarian Relief Foundation (IHH) schickte nur ein winziges fünfköpfiges Nothilfe-Team. Nach der Erfahrung aus früheren Katastrophen kommt internationale Hilfe zu spät, ist zu gering und wird statt von Anteilnahme für die Tausende von Opfern von geostrategischen Erwägungen diktiert.

Der indonesische Präsident Joko Widodo hat Truppen in das Gebiet verlegen lassen. Das Militär solle den Rettungsteams angeblich helfen, Opfer und Leichen zu finden. Ihre vordringliche Aufgabe wird es jedoch sein, angesichts der sich unweigerlich verschlimmernden Bedingungen den Ausbruch von Protesten gegen die Regierung zu unterbinden.

Nach solchen Katastrophen sind Truppenverlegungen üblich. Die Regierung befürchtet angesichts der anhaltenden politischen Instabilität, die allgemeine Wut über soziale Ungleichheit und Armut könnte sich entzünden. Letztes Jahr rangierte Indonesien bei Oxfam auf Platz sechs der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit der Welt. Die vier reichsten Personen verfügen zusammen über mehr Reichtum als die ärmsten 100 Millionen Menschen. Arbeiter und die arme Landbevölkerung haben unter solchen Naturkatastrophen unweigerlich am meisten zu leiden.

Dass es immer wieder zu solchen Katastrophen kommt, ist nicht nur ein natürliches Phänomen. Es ist vor allem ein Ausdruck des irrationalen Charakters des Profitsystems, das die sozialen Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung dem Profitstreben einer winzigen Wirtschafts- und Finanzelite unterordnet.

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