Kroatische Werftarbeiter im Streik

Seit vergangenem Montag streiken die Arbeiter im größten kroatischen Schiffbauunternehmen, der Uljanik-Gruppe. Betroffen ist die Werft im istrischen Pula, wo seit Mitte August keine Löhne ausbezahlt wurden. Nach Medienberichten haben sich rund 1500 Arbeiter an einem Protestzug durch Pula beteiligt. Der Streik soll so lange fortgesetzt werden, bis die ausstehenden Löhne ausgezahlt sind.

In der Schwesterwerft in Rijeka wird demnächst über Streikmaßnahmen abgestimmt. Darüber hinaus fordern die Arbeiter den Rücktritt der Geschäftsführung und Hilfsmaßnahmen von der Regierung, um den angeschlagenen Schiffsbau in Kroatien zu erhalten.

Die Streiks machen deutlich, dass die Lebensbedingungen für breite Schichten von Arbeitern im jüngsten EU-Mitgliedsstaat kaum mehr tragbar sind. Sie sind Teil einer wachsenden Streikbewegung in Kroatien und auf dem gesamten Balkan. Es ist bereits der dritte Streik in der Uljanik-Gruppe in diesem Jahr.

Die Uljanik-Gruppe steckt seit Jahren in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Mittlerweile wird offen über einen drohenden Konkurs spekuliert. 2013 musste Kroatien die Werften auf Druck der EU privatisieren, seither sind sie deutlich unterfinanziert. Gegenwärtig fehlt nicht nur das Geld für die Auszahlung der Löhne, es kann auch nicht mehr ausreichend Material für bestehende Aufträge bestellt werden. In den letzten Monaten wurden zahlreiche Aufträge storniert.

Der Schiffbau hat in Kroatien eine lange Tradition und war in früheren Zeiten ein Kernbereich der Wirtschaft. Nach der Abspaltung des Landes von Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre brachen Werften zusammen und es kam zu Entlassungen. Nun hat die Politik der Europäischen Union und der rechten kroatischen Regierung die Abwicklung der gesamten Branche zum Ziel.

Der Konzern gehört heute fast zur Hälfte den Beschäftigten, was in Kroatien eine lange Tradition hat. Den Rest der Anteile halten Investoren, darunter indirekt der kroatische Staat, mehrere Banken und der größte kroatische Versicherer Croatia Osiguranje.

Die Regierung erklärte sofort, dass ihr aufgrund der EU-Regelungen für staatliche Beihilfen die Hände gebunden seien und sie keine Hilfszahlungen leisten werde. Zuletzt hatte die Regierung im Januar staatliche Garantien in der Höhe von 96 Millionen Euro für einen Kredit für die Werft Uljanik in Pula zugesichert. Dieser wurde allerdings von der EU-Kommission abgelehnt.

Uljanik hat laut Medienberichten bisher rund 900 Millionen US-Dollar an staatlichen Garantien bekommen, die vor allem für die Restrukturierung der Werft in Rijeka verbraucht wurden. Der Kollaps des Schiffsbauers könnte eine soziale Bombe in der Küstenregion zur Explosion bringen – in den beiden Werften und den Zulieferbetrieben sind insgesamt 10.000 Arbeitsplätze gefährdet, berichtete Die Presse aus Österreich im August.

Nicht nur in den Werften protestieren in diesem Jahr die Beschäftigten. Im Sommer konnte ein Streik bei der Fluggesellschaft Croatia Airlines nur durch eine Gerichtsentscheidung verhindert werden. Grund für den geplanten Streik war, dass der Tarifvertrag bereits vor knapp zwei Jahren ausgelaufen ist. Die Beschäftigten forderten einen neuen Tarifvertrag mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen. Das Management von Croatia Airlines, das eng mit der Regierung verbunden ist, lehnte jede Verbesserung ab.

In der gesamten Balkanregion kommt es immer häufiger zu Arbeitskämpfen. Bereits im letzten Jahr gab es in Kroatien, Serbien und Slowenien zahlreiche Streiks. Für Anfang Dezember sind in Slowenien Streiks im öffentlichen Dienst angekündigt, falls sich Gehälter und Arbeitsbedingungen nicht spürbar verbessern.

Gegenwärtig sind rund 900 Beschäftigte des bosnischen Stahlunternehmens Aluminij Mostar im Ausstand. Ähnlich wie bei der Uljanik-Gruppe steht das Unternehmen vor dem Aus. Es gehört zu 44 Prozent der Regierung von Bosnien-Herzegowina und zu 12 Prozent dem kroatischen Staat. Der Rest ist im Besitz der Beschäftigten.

Im bettelarmen Bosnien geht es dabei um die Existenz von Tausenden Menschen. „Tritt der ungünstigste Fall ein, sind nicht nur die Arbeiter, sondern auch ihre Familien betroffen,“ klagte Romeo Bioksic, Gewerkschaftsführer bei Aluminij Mostar, gegenüber der Nachrichtenagentur BIRN. „Es geht also um mehrere Tausend Menschen, deren Schicksal von Aluminij abhängt.“

Die kroatische Regierung stellt sich nicht nur bei den Streiks gegen die Arbeiter, sie verfolgt einen brutalen Sparkurs gegen die gesamte Bevölkerung. Die rechte Regierung von Andrej Plenkovic (HDZ) erhöht das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre und senkt die Rente bei früherem Renteneintritt um vier Prozent pro Jahr. Das bedeutet eine empfindliche Rentenkürzung. Die Rentenreform war bereits 2014 beschlossen worden, sollte aber erst ab 2038 gelten. Nun zieht sie die Regierung Plenkovic vor.

In der kroatischen Hauptstadt Zagreb protestierten diese Woche mehrere tausend Menschen gegen die Rentenreform. Die wütenden Demonstranten riefen „Diebe“ und trugen ein Banner mit der Aufschrift: „Nach der Schule die Arbeitslosigkeit, nach der Arbeit das Grab.“ Sie forderten, dass das Renteneintrittsalter wieder auf 65 Jahre gesenkt wird, und begründeten das damit, dass die Lebenserwartung in Kroatien niedriger und die Arbeitsbedingungen weit härter sind als im EU-Durchschnitt. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters führe zum „Arbeiten bis zum Tode“.

Während die rechte HDZ-Regierung die Pläne unter allen Umständen durchsetzen will, haben die Gewerkschaften bereits signalisiert, dass sie weiter mit der Regierung verhandeln. Die Regierung erwartet durch die geplante Reform bis 2040 Ersparnisse von über 11 Mrd. Kuna (rund 1,5 Mrd. Euro).

Laut Regierung besteht derzeit ein Defizit von 17 Milliarden Kuna (2,3 Milliarden Euro). Gewerkschaftsvertreter haben verlauten lassen, dass sie bereit sind, der Reform zuzustimmen, wenn es einige Ausnahmeregelungen für Berufsgruppen gibt, die körperlich besonders hart beansprucht sind, Große Teile der Gewerkschaften unterhalten enge Verbindungen zur sozialdemokratischen SDP, die 2014 die Rentenreform beschlossen hatte.

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