Krise in Sri Lanka eskaliert: Oberster Gerichtshof macht Sirisenas Parlamentsauflösung rückgängig

Am Dienstag hat sich der Konflikt innerhalb der herrschenden Elite Sri Lankas dramatisch verschärft. Der Oberste Gerichtshof erließ eine einstweilige Verfügung, mit der die Auflösung des Parlaments durch Präsident Maithripala Sirisena rückgängig gemacht wird. Am 7. Dezember soll das endgültige Urteil fallen.

Im Vorfeld hatte der Oberste Gerichtshof zwölf Eingaben verhandelt, in denen die Parlamentsauflösung vom 9. November als Verstoß gegen die Grundrechte bezeichnet wurde. Zu den Antragsstellern gehörten neben mehreren Parteien – die United National Party (UNP), die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und die Tamil National Alliance (TNA) – auch „zivilgesellschaftliche“ Gruppen und Individuen. Außerdem wurden fünf Eingaben eingebracht, die Sirisenas Entscheidung unterstützten.

Durch das Urteil wird aus dem Streit innerhalb der herrschenden Elite eine schwere Verfassungskrise, in der sich Sirisena und der Oberste Gerichtshof sowie der neuernannte Premierminister Mahinda Rajapakse und dessen Amtsvorgänger Ranil Wickremesinghe gegenüberstehen. Letzterer wird vermutlich das Vertrauensvotum im Parlament gewinnen, das am Mittwoch wieder zusammentritt.

Letzten Freitag hatte Sirisena unter Verstoß gegen die Verfassung das Parlament aufgelöst und für den 5. Januar Neuwahlen angekündigt. Das neue Parlament sollte dann am 17. Januar wieder zusammentreten. Die Verfügung des Obersten Gerichtshofs vom Dienstag gilt auch für das Datum der Neuwahl und die Nominierungen von Ministern, die für die Zeit zwischen 19. und 26. November geplant waren.

Die Anwälte der Gegner von Sirisenas Parlamentsauflösung argumentierten, der Schritt verstoße gegen die Verfassung. Justizminister Jayantha Jayasuriya betonte hingegen, es liege nicht im Zuständigkeitsbereich des Gerichts, über die Eingaben gegen die Auflösung zu entscheiden. Er erklärte, die Vollmachten des Präsidenten seien in dieser Hinsicht „eindeutig“. Allerdings beschloss das dreiköpfige Richtergremium unter dem Obersten Richter Nalin Perera dennoch, die Petitionen zu verhandeln.

Die Auflösung des Parlaments reiht sich in die undemokratischen Maßnahmen des sri-lankischen Präsidenten der letzten zwei Wochen ein. Am 26. Oktober entließ er Premierminister Ranil Wickremesinghe in einem politischen Putsch und ersetzte ihn durch den ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapakse. Danach suspendierte er das Parlament bis zum 16. November. Angesichts innenpolitischer und internationaler Kritik verkürzte er diese Frist auf den 14. November.

Dabei handelte es sich um ein Manöver, das Rajapakse die Möglichkeit geben sollte, sich die Mehrheit im Parlament zu sichern. Doch trotz intensiver Hinterzimmer-Verhandlungen musste Rajapakse letzte Woche erklären, dass er nicht die notwendige Unterstützung bekommen konnte. Daraufhin löste Sirisena das Parlament auf.

Nach der Bekanntgabe des Obersten Gerichtshofs propagierten die UNP und die anderen Oppositionsparteien die vorläufige Anordnung begeistert als „Sieg“ für die Demokratie und das Volk.

Arbeiter und Jugendliche müssen diese Behauptungen zurückweisen. Die einstweilige Verfügung zeigt auf einer höheren Ebene die tiefe Spaltung innerhalb der politischen Elite Sri Lankas. Die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiter werden nicht von den politischen Vertretern der Bourgeoisie oder der Justiz verteidigt. Die Justiz ist nur ein weiteres Unterdrückungsinstrument des kapitalistischen Staates.

Die einstweilige Verfügung ist Ausdruck der Furcht in den herrschenden Kreisen, dass Sirisenas offene Verstöße gegen die Verfassung die wachsende Protest- und Streikbewegung der Arbeiter und der Landbevölkerung verstärken könnten. Sollte sich in den nächsten drei Wochen keine Lösung für die politische Krise finden, könnte das Gericht dennoch für Sirisena entscheiden.

Nach der gerichtlichen Verfügung erklärte UNP-Chef Wickremesinghe auf Twitter: „Wir sollten nach vorne blicken und die Souveränität unseres Volkes und unseres geliebten Landes wiederherstellen.“ In den Medien sagte er, seine Partei werde „bis zum Letzten“ für die Rettung der Demokratie, die Parlamentshoheit und die Verteidigung der Verfassung kämpfen.

Wickremesinghes pompöse Rhetorik steht auf einer Stufe mit Sirisenas lächerlichen Behauptungen, sein autoritäres Vorgehen diene der „Verteidigung der Demokratie“.

Alle Fraktionen der herrschenden Elite befinden sich in der Krise. Sie wissen nicht, was sie gegen die wachsenden wirtschaftlichen Probleme und die globalen geopolitischen Spannungen unternehmen sollen, vor denen der sri-lankische Kapitalismus steht. Ebenso wenig haben sie eine Antwort auf den zunehmenden sozialen Widerstand der Arbeiter und der armen Bevölkerung gegen die Sozialangriffe der Regierung. Die rivalisierenden bürgerlichen Parteien in Sri Lanka haben nie die demokratischen oder sozialen Rechte der Bevölkerung verteidigt, sondern die Massen immer systematisch unterdrückt.

Am Dienstag unterbrach der JVP-Generalsekretär Tilwin Silva seine Triumphrede auf einer öffentlichen Versammlung, um die Verfügung des Obersten Gerichtshofs anzukündigen. Er erklärte, Sirisenas und Rajapakses „Verschwörung“ sei gescheitert und fügte hinzu, es werde „weitere Verschwörungen“ geben. Seine Partei sei jedoch bereit, sie zum Scheitern zu bringen.

Tatsächlich hat die JVP die betrügerische Kampagne zur „Verteidigung der Demokratie“ der UNP gegen die Machenschaften von Sirisena und Rajapakse zynisch unterstützt. Im Januar 2015 stellte sie sich jedoch auf die Seite von Sirisena und Wickremesinghe, die Rajapakse im Rahmen eines von den USA unterstützten Regimewechsels stürzten. Dies stellten sie als Verteidigung der Demokratie gegen Rajapakses Diktatur dar.

Der Regierungssprecher erklärte zwar gegenüber den Abgeordneten, das Parlament werde am Mittwoch wieder zusammentreten, doch was tatsächlich passieren wird, ist noch unklar. Wickremesinghe erklärte vor den Medien, das Parlament würde zeigen, dass er die Mehrheit hat: „Wir werden zeigen, dass wir die legitime Regierung sind.“ Zudem rief er die „Diener der Regierung“ auf, „sich an die Verfassung zu halten“. Weiter erklärte er, die Polizei solle sich an seine Anweisungen „halten“.

Am Dienstagabend behaupteten mehrere Minister der neuen so genannten Rajapakse-Regierung auf einer Pressekonferenz, der Sprecher habe nicht die Befugnis, das Parlament erneut einzuberufen.

Noch bezeichnender war, dass Sirisena als Reaktion auf die Verfügung am Dienstagabend eine Sondersitzung des nationalen Sicherheitsrats und der Befehlshaber der Streitkräfte anordnete. Es wurden zwar keine Details bekannt, welche Anweisungen er erteilt hat, doch laut den Medien hat er die Oberbefehlshaber angewiesen, die Sicherheit im Land zu erhöhen. Der Generalinspekteur der Polizei, Pujitha Jayasundara, hat die Polizei zudem angewiesen, jedes potenzielle gewalttätige Vorgehen zu unterdrücken.

Die USA und die anderen internationalen Großmächte haben seit der Auflösung des Parlaments ihren Druck auf Sirisena verstärkt. Sirisena und Rajapakse haben beide versucht, die internationalen Bedenken zu beschwichtigen.

Außenminister Sarath Amunugama hat ein Treffen aller ausländischen Diplomaten in Colombo anberaumt, doch laut Reuters nahmen die Botschafter von Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Frankreich, Australien, Südafrika, Italien und Kanada nicht daran teil. Die Europäische Union, die USA und Deutschland haben Repräsentanten geschickt, Indien einen untergeordneten Vertreter.

Die USA kritisierten die Auflösung in einer Erklärung: „Präsident Maithripala Sirisenas Entscheidung, das Parlament aufzulösen, stellt eine schwere Bedrohung für die demokratischen Institutionen Sri Lankas dar.“ Die EU erklärte dazu: „Ein voll funktionsfähiges Parlament ist eine grundlegende Säule der Demokratie.“

Japan äußerte am Dienstag seine Bedenken über die politische Krise und die „Auflösung des Parlaments“. Den Großmächten geht es jedoch nicht um Demokratie oder die sozialen Rechte der Arbeiterklasse in Sri Lanka oder irgendwo anders.

Washington hat den Regimewechsel im Januar 2015 unterstützt, der Sirisena ins Präsidentenamt brachte, und seitdem seine militärischen und politischen Beziehungen zu Sri Lanka gestärkt. Die jetzige Intervention der USA in die eskalierende Krise in Colombo dient dazu, diese Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Während die USA und andere Großmächte momentan Wickremesinghe unterstützen, hat Washington kein Problem, mit Rajapakse zusammenzuarbeiten, wenn dieser bereit ist, den amerikanischen Interessen zu dienen.

Die Arbeiterklasse und die Masse der Landbevölkerung in Sri Lanka können weder durch eine Partei der herrschenden Klasse noch durch Appelle an die Justiz ihre demokratischen und sozialen Rechte verteidigen. Dazu ist die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter und Jugendlichen gegen alle Fraktionen der herrschenden Elite auf der Basis eines revolutionären sozialistischen Programms erforderlich. Die Socialist Equality Party vertritt ein solches Programm.

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