Waldbrandkatastrophe in Kalifornien: Bisher 76 Tote und mehr als 1.000 Vermisste

Die anhaltenden Waldbrände in Kalifornien, z.T. die schlimmsten in der Geschichte des Bundesstaats, sind ein schockierendes Zeugnis für die kriminelle Vernachlässigung der Infrastruktur durch Staat und Behörden.

Bisher lässt sich das immense Ausmaß der Schäden erst ansatzweise erfassen. Am Samstag erreichte die offizielle Zahl der Todesopfer durch den Waldbrand Camp Fire in Nordkalifornien 76, die Zahl der Vermissten schnellte von 631 auf über 1.000 in die Höhe.

Der Waldbrand Woolsey Fire in Südkalifornien begann am 8. November und hat fast 400 Quadratkilometer Fläche verwüstet. Mehr als 295.000 Menschen mussten evakuiert werden, bis Samstagmorgen gab es drei bestätigte Todesopfer. Das Feuer ist mittlerweile zu 69 Prozent eingedämmt.

Feuerwehrleute kämpfen gegen das Woolsey Fire in Südkalifornien [Quelle: Cal Fire]

Ebenfalls am 8. November brach im nordkalifornischen Butte County der Waldbrand Camp Fire aus. Er tobt momentan auf einem Gebiet von ca. 590 Quadratkilometern und ist erst etwa zur Hälfte unter Kontrolle. 52.000 Menschen mussten evakuiert werden. Bisher sind 12.263 Gebäude zerstört, darunter 9.844 Einfamilien- und 144 Mehrfamilienhäuser.

Weitere 15.500 Gebäude sind nach wie vor durch Camp Fire bedroht. Man rechnet damit, dass der Brand frühestens am 30. November vollständig unter Kontrolle ist. Insgesamt sind etwa 9.400 Feuerwehrleute im Einsatz, etwa 1.500 davon sind Strafgefangene, die nur 1 Dollar Stundenlohn erhalten.

Die Städte Paradise und Magalia, die größtenteils von Arbeitern und Rentnern bewohnt werden, sowie mehrere kleinere Orte wurden durch Camp Fire völlig zerstört. Die fast 500-köpfigen Such- und Rettungstrupps in der Gegend finden täglich im Schnitt acht weitere Leichen unter den Trümmern.

Am Donnerstag wurde die offizielle Zahl der Vermissten von 300 auf 631 heraufgesetzt, am Freitagabend auf 1.011. Der Polizeichef von Butte County Kory Honea erklärte, die Behörden hätten endlich alle Notrufe und Vermisstenmeldungen verarbeitet, die in der letzten Woche eingegangen waren.

Zerstörte Gebäude in Paradise und Umgebung

Die Behörden haben noch keine vollständige Namensliste der Vermissten veröffentlicht, doch da über 91 Prozent von ihnen älter als 50 Jahre sind, ist zu befürchten, dass viele von ihnen umgekommen sind. Das Feuer hat sich rasch ausgebreitet, und flächendeckende Warnsysteme gab es nicht.

Camp Fire dürfte der schlimmste Waldbrand seit dem Cloquet Fire in Minnesota sein, bei dem 1918 etwa 1.000 Menschen ums Leben kamen. Dass es im heutigen Amerika zu einer solchen Katastrophe kommen kann, spricht Bände über die Krise des modernen Kapitalismus, in dem alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens dem privaten Profitstreben untergeordnet sind.

Camp Fire hat nicht nur Todesopfer und Obdachlose hinterlassen. Zudem wurden Millionen Menschen in ganz Nordkalifornien giftigem Feinstaub ausgesetzt, der sich Hunderte von Kilometern westwärts ausgebreitet hat. Betroffen sind u.a. die dicht besiedelte Bay Area und große Teile des Central Valley.

Laut dem Netzwerk Purple Air, das die Luftqualität überwacht, ist die Luft in Nordkalifornien momentan die am stärksten verschmutzte der Welt, schlimmer als der berüchtigte Smog in Städten Indiens oder Chinas. Am Freitagnachmittag wurde in Chico und Oroville, wo sich die meisten Evakuierten befinden, sowie in der dicht bevölkerten Region Sacramento mit über 600.000 Einwohnern die höchste Gefahrenstufe erreicht. In mindestens 25 weiteren Städten gilt die Luft als „gesundheitsgefährdend“ oder „stark gesundheitsgefährdend“.

Die langfristigen gesundheitlichen Folgen lassen sich kaum abschätzen. Der Smog kann Asthmaanfälle, Schlaganfälle und Herzinfarkte auslösen. Da die Finanzierung der Schulen an die Anwesenheit der Schüler gebunden ist, wurden sie in fast allen großen Schulbezirken der Region die ganze Woche über offengehalten. Erst am Freitag mussten sie zwangsläufig schließen. In der ganzen Region mussten Schüler mit schweren Asthmaanfällen ins Krankenhaus gebracht werden.

Die Luftqualitätsmessungen über Nordkalifornien zeigt, dass Millionen Menschen geschädigt werden [Quelle: wunderground.com]

US-Präsident Donald Trump, der sich eine Fehde mit den Politikern der Demokraten in Kalifornien liefert, drohte anfangs mit der Streichung aller Bundesmittel an den Staat. Seither ist er etwas zurückgerudert. Am Donnerstag kündigte das Weiße Haus an, Trump werde am Samstag „von den Waldbränden Betroffene“ besuchen.

Welche leeren Phrasen Trump bei diesem Besuch auch dreschen mag, seine Regierung wird weder die Überlebenden entschädigen, noch wird sie etwas gegen die tieferen Ursachen der Waldbrandepidemie unternehmen. Dasselbe gilt für die Demokratischen Politiker, die den Bundesstaat regieren, sei es der amtierende Gouverneur Jerry Brown oder sein Nachfolger Gavin Newsom.

Beide Parteien, Demokraten wie Republikaner, sind für diese Katastrophe mitverantwortlich. Die Finanzierung der Behörden, die für Brandschutz und Brandbekämpfung zuständig sind, wurde in den letzten Jahrzehnten auf Bundes- und Bundesstaatsebene ständig gekürzt. Gleichzeitig durfte der Energiemonopolist Pacific Gas and Electric Company (PG&E) die öffentliche Sicherheit seinem Profitstreben unterordnen.

Das kalifornische Amt für Forstwirtschaft und Feuerschutz (Cal Fire) veröffentlichte letzten Juni einen Bericht, laut dem Anlagen von PG&E im Vorjahr 16 Waldbrände ausgelöst haben. Elf davon gingen auf Verstöße gegen die staatliche Brandschutzordnung zurück, sodass PG&E möglicherweise 15 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen muss. Das Versorgungsunternehmen Southern California Edison, das einen Großteil von Südkalifornien mit Energie beliefert (darunter auch die vom Woolsey Fire betroffene Region), gab Ende Oktober zu, dass seine Anlagen zu dem massiven Waldbrand Thomas Fire beigetragen haben. Damals wurden zwei Menschen getötet und über 1130 Quadratkilometer Fläche zerstört.

Doch im September unterzeichnete Gouverneur Brown den Gesetzesentwurf SB 901, der die potenziellen Schadenersatzansprüche an Versorgungsbetriebe begrenzt. Das Gesetz erlaubt den Aufsichtsbehörden außerdem, Schadensberechnungen zu reduzieren, wenn das Wetter die Katastrophe verschlimmert hat. Außerdem wird der „finanzielle Status“ der Unternehmen berücksichtigt, um die Kosten für Aktionäre zu begrenzen und Preiserhöhungen für die Verbraucher zu ermöglichen.

Der Wert der Aktien von PG&E ist seit Beginn des Camp Fire um 53 Prozent gesunken, da der Brand unter Stromleitungen von PG&E nahe dem Poe-Staudamm ausgebrochen sein soll. Am Dienstag gab PG&E zu, dass es nur wenige Momente vor dem Ausbruch des Brandes eine „Meldung über einen elektrischen Zwischenfall“ gegeben hat. Daraufhin stürzten die Aktien in den Keller.

Am Donnerstag traf sich der Präsident der California Public Utilities Commission Michael Picker deshalb im privaten Umfeld mit Investoren und Analysten von der Wall Street. Berichten zufolge soll er ihnen zugesichert haben, er wolle eine Insolvenz von PG&E verhindern und werde dem Unternehmen erlauben, die waldbrandbedingten Kosten durch ein Anleihenprogramm auf die Kunden umzulegen. Im nachbörslichen Handel legte die PG&E-Aktie daraufhin um mehr als 44 Prozent, nachdem sie am Handelstag selbst um 30 Prozent nachgelassen hatte.

Picker erklärte in einem Interview mit dem Chronicle: „Wenn sich PG&E kein Geld leihen kann, wenn das Unternehmen Liquiditätsprobleme hat und keine Wiederaufforstung betreiben kann, ist das ein Problem. Es ist wirklich keine gute Politik, sie finanziell instabil werden zu lassen.“

Fast alle Stromleitungen in Kalifornien verlaufen über oberirdische Holzmasten, die aufgrund schlechter Wartung immer wieder Waldbrände auslösen. Vernünftiger, aber natürlich auch teurer, wären unterirdische Leitungen oder Strommasten aus Stahl. Stattdessen ist PG&E seit 2013 dazu übergegangen, ganzen Regionen, in denen die Infrastruktur den Ausbruch von Waldbränden begünstigt, einfach den Strom abzustellen. In den Tagen vor dem Ausbruch von Camp Fire kündigte PG&E eine kurzfristige Einstellung der Stromversorgung in Butte County an, die dann allerdings nicht erfolgte.

Das kapitalistische System hat sich als unfähig erwiesen, auf den Klimawandel zu reagieren, der zu immer extremeren Wetterereignissen führt. Die Dürre in Kalifornien von 2011 bis 2016 war die schlimmste in der Geschichte des Bundesstaats seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1895. Im Jahr 2017 regnete es dann mehr als jemals zuvor. 2018 kehrte die Dürre zurück. Vor dem Ausbruch des Camp Fire war in der Region 210 Tage lang kein Regen gefallen.

Die jetzigen Waldbrände geben Millionen Menschen zu denken und werden die Radikalisierung der Arbeiterklasse beschleunigen. Der Tellerwäscher Robert Starling, der vor Camp Fire aus Magalia geflohen ist, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Dieses Land ist gescheitert. Wir müssen es erneuern. Ich weiß nicht, wie das gehen soll, ob es eine neue Revolution braucht. ... Solche Dinge bringen die Leute auf und geben ihnen Antrieb dazu.“

In einer sozialistischen Gesellschaft wären große Konzerne wie PG&E oder Edison International verstaatlicht. Milliardenbeträge würden vom Militär und den Bankkonten der Superreichen in eine rationale Stadtplanung umgelenkt werden. Unterirdische Stromleitungen und Metallmasten wären eine Selbstverständlichkeit. Notfalltechnologie würde Waldbrände oder extreme Wetterereignisse sofort melden, und die Feuerwehren würden ausreichend finanziert werden, um weitere Brandausbrüche zu verhindern. Programme, mit denen sich der vom Menschen verursachte Klimawandel aufhalten und umkehren lässt, würden das Klima stabilisieren und die Voraussetzungen für das Überleben künftiger Generationen schaffen.

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