Soziale Krise in den USA: Die Lebenserwartung sinkt

Die Lebenserwartung in den USA ist auch im Jahr 2017 außergewöhnlich stark gesunken. Im Jahr 2016 hatte sie stagniert, nachdem sie schon 2015 zurückgegangen war. Das Land erlebt den langandauerndsten Rückgang der Lebenserwartung seit dem Ende des Ersten Weltkriegs mit der Spanischen Grippewelle von 1918.

Der jährliche Sterblichkeitsbericht der Centers for Disease Control (CDC) verdeutlicht die katastrophalen Auswirkungen der sozialen Krise für die amerikanische Arbeiterklasse. Das Institut, das zum US-Gesundheitsministerium gehört, hat als entscheidende Faktoren für den anhaltenden Niedergang der Lebenserwartung Suizide und Drogenüberdosen festgestellt, und es bezeichnet sie als „Todesfälle durch Verzweiflung“.

Altersbereinigte Zahl der Todesfälle durch Drogenüberdosis: USA 1999–2017

Im Jahr 2017 starben mehr als 2,8 Millionen Amerikaner, d.h. etwa 70.000 mehr als im Jahr davor. Das ist der höchste Jahreswert seit Beginn der Aufzeichnungen. Von 2016 bis 2017 stieg die Todesrate für die Gesamtbevölkerung altersbereinigt um 0,4 Prozent.

Die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA ging von 78,7 auf 78,6 Jahre zurück. Bei Männern sank sie von 76,2 auf 76,1 Jahre, bei Frauen blieb sie unverändert bei 81,1 Jahren. Die Lebenserwartung von Frauen ist generell höher als die von Männern, und die Kluft zwischen beiden hat sich weiter vergrößert. Im Jahr 2017 stieg der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen um 0,1 Jahr. Im Jahr 2016 betrug die Differenz 4,9 Jahre, im Jahr 2017 fünf Jahre.

Die altersspezifische Todesrate hat sich von 2016 bis 2017 in den Altersgruppen 25–34, 35–44 und ab 85 Jahren erhöht. Diese statistischen Zahlen zeigen, dass das Gesundheitssystem Ältere benachteiligt, und dass jüngere Arbeiter unter der gesellschaftlichen Krise leiden. In den jüngeren Altersgruppen ist der Tod durch Verzweiflung, auch infolge von Alkoholismus, eine besonders häufige Todesursache.

Die Selbstmordrate in den USA lag letztes Jahr auf dem höchsten Stand seit 50 Jahren. Seit 2008 ist Suizid in allen Altersgruppen die zehnthäufigste Todesursache. Im Jahr 2016 war Suizid die zweithäufigste Todesursache in den Altersgruppen von 10 bis 34 Jahren und die vierthäufigste Ursache in den Gruppen 35–54. Seit 1999 bis heute steigt die Selbstmordrate sowohl bei Männern als auch bei Frauen stetig an und hat sich seit 2006 noch einmal erhöht.

Von 1999 bis 2006 stieg die Suizidrate jährlich um ein Prozent und von 2006 bis 2017 um zwei Prozent an. Unter Frauen ist die altersbereinigte Selbstmordrate von 4,0 pro 100.000 im Jahr 1999 auf 6,1 im Jahr 2017 angestiegen, bei Männern von 17,8 auf 22,4 pro 100.000.

Altersbereinigte Suizidrate: USA 1999–2017

Die Studie weist auf die Suizide in heruntergekommenen ländlichen Regionen hin. Im Jahr 1999 war die Zahl der Selbstmorde in ländlichen Gebieten 1,4-mal höher als in den Stadtregionen. In ländlichen Gegenden lag sie bei 13,1 pro 100.000 Einwohner, in den Städten bei 9,6 pro 100.000. Im Jahr 2017 verschärfte sich der Unterschied weiter. In den meisten ländlichen Gebieten stieg die Selbstmordrate auf 20,0 pro 100.000 Einwohner, d.h. auf das 1,8-fache der Rate der meisten Stadtgebiete (11,1 pro 100.000).

Im gleichen Zeitraum ist auch die Zahl der Todesfälle durch Drogenüberdosis auf das Dreieinhalbfache angestiegen. Von 1999 bis 2017 stieg diese Zahl von 6,1 pro 100.000 Einwohner auf 21,7 pro 100.000. Von 1999 bis 2006 stieg sie um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr, von 2006 bis 2014 um drei Prozent, und von 2014 bis 2017 um ganze sechzehn Prozent. Der Anstieg fällt mit der Opioid-Krise in Teilen der USA zusammen, die am stärksten in West Virginia, Ohio und Pennsylvania wütet.

Die Zahlen aus dem aktuellen CDC-Bericht sind Ausdruck einer kranken amerikanischen Gesellschaft und beweisen das Scheitern des kapitalistischen Systems. Seit zehn Jahren, seit dem Wirtschaftscrash von 2008 und der Rettung der Wall Street unter Obama und den Demokraten, hat sich die soziale Ungleichheit massiv verschärft, während der Wohlstand in nie gekanntem Ausmaß von der Arbeiterklasse an die Reichen verschoben wurde.

Die Arbeitsplätze, die dabei zerstört worden sind, wurden bestenfalls durch unsichere Niedriglohnjobs ersetzt. Der als Obamacare bekannte Betrug hat nicht dazu geführt, dass die Bevölkerung heute Zugang zu einer Krankenversicherung hat, sondern hat die Versicherungs- und Pharmakonzerne in Milliardenhöhe bereichert, denn die Arbeiter müssen von ihrem eigenen Geld Krankenversicherungen abschließen, die jedoch völlig unzureichend sind.

Lebenserwartung in unterschiedlichen Altersgruppen: USA 2016 / 2017

CDC-Direktor Robert R. Redfield zog in einer Presseerklärung die Schlussfolgerungen aus dem Bericht seiner Organisation:

„Die jüngsten Daten der CDC zeigen, dass die Lebenserwartung in den USA in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Tragischer Weise geht dieser beunruhigende Trend größtenteils auf Todesfälle durch Drogenüberdosis und Suizid zurück. Die Lebenserwartung gibt uns einen Einblick in die allgemeine Gesundheit der Nation, und diese ernüchternden Statistiken sind ein Weckruf. Wir verlieren zu oft und zu früh zu viele Amerikaner aufgrund von vermeidbaren Ursachen.“

Gerade die hohen Zahlen über Suizide im ländlichen Raum zeigen, dass Arbeitslosigkeit und soziale Isolation einen hohen Preis fordern. Der Angriff der herrschenden Klasse auf den Lebensstandard, den sich die Arbeiterklasse im zwanzigsten Jahrhundert erkämpft hat, treibt viele Arbeiter zur Verzweiflung.

Die herrschende Klasse hat für den anhaltenden Niedergang der Lebenserwartung keine Lösung. Sie betrachtet den Anstieg der Todesraten als notwendige Geschäftskosten bei der Umverteilung von immer größeren Summen in die Taschen solcher Räuberbarone wie zum Beispiel Jeff Bezos und für die Finanzierung der beispiellosen Ausgaben für das US-Militär.

Notwendig ist eine sozialistische Antwort. Um den Bedürfnissen der Arbeiter gerecht zu werden, muss der Reichtum der Wirtschafts- und Finanzelite angegriffen werden. Um eine allgemeine Krankenversicherung zu finanzieren, muss der Reichtum des obersten Prozents enteignet werden, und die riesigen Pharmakonzerne müssen in staatliche Versorgungsbetriebe umgewandelt werden.

Der seit Jahren wütende Angriff auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse muss rückgängig gemacht werden. Die Gesellschaft muss in einer Weise umgestaltet werden, dass alle Menschen Zugang zu qualitativ hochwertiger Krankenversicherung, Bildung und vernünftigen Wohnungen haben. Jeder hat das Recht auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz und auf Freizeit. Notwendig ist vor allem der Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse, die von beiden Parteien des Großkapitals unabhängig ist und für den Sozialismus kämpft.

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