Großbritannien und Nordirland

Britisches Militär bereitet sich auf Bürgerkrieg nach Brexit vor

Wie der Staatssekretär im britischen Verteidigungsministerium Tobias Ellwood erklärte, müssen im Falle eines „harten Brexit“ 50.000 Soldaten für den Einsatz auf den Straßen Großbritanniens bereitstehen.

Diese Äußerungen aus einer anonymen Quelle zitierte die Times am Samstag. Sie bestätigen, dass sich die herrschende Elite auf einen möglichen Bürgerkrieg vorbereitet, wenn Großbritannien in weniger als 90 Tagen wie geplant aus der Europäischen Union (EU) austritt.

Die Times schreibt: „Am Donnerstag [dem 3. Januar] wurden die Minister bei einem Treffen informiert, dass im Falle eines harten Brexit 30.000 reguläre Soldaten und 20.000 Reservisten bereitstehen müssen, um Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen zu leisten.“ Ellwod soll gewarnt haben, die Truppen müssten „im Falle von Unruhen in der Bevölkerung“ einsatzbereit sein, um „auf britischen Flughäfen dabei zu helfen, die Versorgung mit Treibstoff und Medikamentenvorräten zu sichern“.

Die vorgeschlagene Mobilisierung ist ungewöhnlich. 50.000 Soldaten entspricht fast der Hälfte der derzeitigen Gesamtstärke der British Army von 81.500 regulären Soldaten und knapp über 27.000 Reservisten. Diese Streitmacht ist außerdem größer als die Truppe, die die britische Regierung im Jahr 2003 zur Unterstützung der USA beim Einmarsch in den Irak geschickt hat.

Ellwood machte deutlich, dass diese Truppen vor allem gegen die Arbeiterklasse eingesetzt werden sollen. Der Informant berichtete, er habe „vorgeschlagen, dass sich die anderen Minister daran erinnern sollten, was während der Benzinblockade 2000 geschehen war und etwas Derartiges in viel größerem Ausmaß planen ...“ Im Jahr 2000 wurden britische Soldaten eingesetzt, um Benzinlieferungen zu schützen.

Erst letzten Monat kündigte die Regierung an, dass 3.500 Soldaten in Bereitschaft versetzt werden, um laut Verteidigungsminister Gavin Williamson „jede Regierungsbehörde bei jeder möglichen Eventualität zu unterstützen“. Die 3.500 Soldaten sollten die 5.000 ergänzen, die bereits in ständiger Bereitschaft stehen, angeblich für den Fall eines Terroranschlags. Die Truppe besteht aus regulären Soldaten und aus Reservisten. Nach den jüngsten Meldungen könnten es aber nun zehnmal so viele Soldaten werden.

Ellwoods Äußerungen müssen als nachdrückliche Warnung begriffen werden. Ein harter oder „No-Deal“-Brexit ist für wichtige Teile der britischen Bourgeoisie ein Alptraumszenario und brächte eine unmittelbare wirtschaftliche und soziale Katastrophe mit sich. Nicht weniger als 40 Prozent des britischen Außenhandels wären davon bedroht.

Wenn sich Großbritannien mit der EU einigt oder der Brexit abgesagt wird, entwickelt sich die bevorstehende Krise vielleicht weniger schnell. Die Hinwendung zu militärischer Unterdrückung und autoritären Herrschaftsformen hat jedoch ihre Ursache in den Klassenverhältnissen, die von wachsender sozialer Ungleichheit für Millionen Menschen geprägt sind, während eine winzige Minderheit immense Vermögen anhäuft. In Großbritannien ist zwar noch keine Massenbewegung wie die Gelbwesten in Frankreich entstanden. Doch die britischen Herrschaften blicken mit Furcht auf die andere Seite des Ärmelkanals und sehen ihre eigene Zukunft.

Man sollte Ellwood auch nicht als einzelnen Spinner abtun. Er hat im Rang eines Captain im Royal-Green-Jackets-Regiment der Army gedient, den Verbleib in der EU unterstützt und gilt als loyaler Anhänger von Premierministerin Theresa May. Seine Äußerungen decken sich mit anderen Vorbereitungen, die bereits publik geworden sind.

Letzten September wurde bekannt, dass der National Police Chiefs Council (NPCC) nach den Jugendunruhen in vielen Städten überall in England im Jahr 2011 Pläne ausgearbeitet hat, mit denen bis zu 7.000 Polizisten in kürzester Zeit mobilisiert werden können. Es wurde behauptet, die Polizei arbeite an verschiedenen Szenarien, die sich nach dem EU-Austritt Großbritanniens am 29. März entwickeln könnten, u.a. allgemeines Chaos als Folge von Störungen der Versorgungskette.

Alle für den Handel mit Europa wichtigen Häfen, vor allem Dover, Hull, Felixstone, Portsmouth und New Haven, wurden zu Problemzonen erklärt. Hier können sich möglicherweise lange Staus von Lastwagen bilden und zu einer „beispiellosen und überwältigenden“ Störung des Straßennetzwerks führen. Es kann zu Engpässen bei Medizin und anderen Grundgütern kommen, was „Unruhen in der Bevölkerung schürt“. Lebensmittelknappheiten und Preissteigerungen können zu „weit verbreiteten Protesten“ führen, „die wiederum zu chaotischen Zuständen eskalieren“.

Der NPCC plant eine Einheit aufzustellen, die die Bedrohungslage bewertet, und erwägt in den Wochen vor und nach dem Brexit einen Urlaussperre für Polizisten zu verhängen. Eine Quelle erklärte gegenüber dem Guardian, dass die massenhafte Mobilisierung der Polizei landesweit möglicherweise über Wochen andauert. Diese Woche will die britische Regierung bei einer Übung 150 Schwertransportlaster in einem stillgelegten Flugfeld nahe Ramsgate in Kent in einer „Auffangeinrichtung“ sammeln und zur Hauptverkehrszeit sowie im Morgenverkehr fahren lassen, um festzustellen, wie sehr sie das Verkehrschaos verstärken.

Noch schwerwiegender ist jedoch die Ankündigung, dass eine massive Mobilisierung der Polizei in Nordirland vorbereitet wird. In Schottland und England werden bis zu 1.000 Polizeibeamte als Verstärkungen des Police Service of Northern Ireland (PSNI) für den Fall eines „harten“ Brexit und der Rückkehr einer „harten Grenze“ zum EU-Mitgliedsstaat Irland ausgebildet.

Der PSNI hat diese Verstärkungen auf der Grundlage von gegenseitigen Hilfsabkommen zwischen den Polizeibehörden angefordert. Sie sollen in „Bereitschaft“ gehalten werden und die mehr als 300 zusätzlichen Polizeibeamten, neuen Fahrzeuge und Ausrüstung ergänzen, die der PSNI letztes Jahr hauptsächlich für Operationen an der Grenze nach dem Brexit angefordert hat. Die Rekrutierung wird vermutlich bis 2020 dauern.

Der Verkauf von drei stillgelegten Polizeistationen, die während des Nordirlandkonflikts stark befestigt wurden, wurde gestoppt. Die drei PSNI-Polizeistationen Warrenpoint, Castlederg und Aughnacloy befinden sich allesamt im Grenzgebiet, allerdings ist ihre Wiedereröffnung derzeit nicht geplant. Im Dezember gab die britische Regierung dem PSNI weitere 16 Millionen Pfund für alle Eventualitäten, die aufgrund des Brexits entstehen.

Wenn die zusätzlichen Kräfte eingesetzt werden, bewachen sie 250 Grenzübergänge zwischen Nordirland und der Republik Irland. Obwohl die britische und die irische Regierung sowie die EU allesamt erklärt haben, sie wollten die Entstehung einer „harten Grenze“ vermeiden, ist noch ungewiss, was im Falle eines harten Brexits passiert.

Jeder Versuch, Grenzposten, Kontrollpunkte oder technische Infrastruktur hinter der Grenze zu errichten, wird Hunderttausende Menschen in Rage versetzen, die jede Woche die jetzt nahezu unsichtbare Grenze passieren.

Dies würde außerdem die religiös begründeten Spannungen verschärfen, die das politische Leben Nordirlands noch immer prägen. Vor Kurzem wurde bekannt, dass sich in den letzten dreieinhalb Jahren etwa 2.000 Familien bei der Northern Ireland Housing Executive obdachlos gemeldet haben, weil sie von religiösen paramilitärischen Organisationen bedroht oder unter Druck gesetzt wurden, die viele Arbeiterviertel dominieren.

Bisher hat der PSNI nur während des G8-Gipfels in County Fermanagh um Unterstützung bei anderen Polizeibehörden gebeten. Diese Tatsache verdeutlicht, mit welchem Ausmaß an Grenzkontroll- und Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen der PSNI rechnet.

Im Jahr 2013 wurden 8.000 Polizisten aus Nordirland von 3.600 Kollegen aus Großbritannien unterstützt, die eine Sonderausbildung im Einsatz von Wasserwerfern und in der Aufstandsbekämpfung erhalten hatten. In einem Radius von acht Kilometern um den G8-Tagungsort wurden Stahlzäune und Straßensperren errichtet, außerdem wurden 300 zusätzliche Polizeizellen in den Gefängnissen Maghaberry und Magilligan zur Verfügung gestellt.

Eine solch massive Mobilisierung von Soldaten für den Einsatz im Inland wird hinter verschlossenen Türen diskutiert und die Bevölkerung erfährt davon nur, weil Informationen an die Murdoch-Presse durchsickern. Hierin zeigt sich, wie sehr sich die herrschende Klasse in den letzten zwei Jahrzehnten von grundlegenden demokratischen Normen verabschiedet hat. Niemand in den Mainstream-Medien kritisiert den Einsatz von Soldaten in einem Ausmaß wie zuletzt während des Zweiten Weltkriegs und die Pläne für die bewaffnete Niederschlagung von legitimen Protesten und Arbeitskämpfen.

Labour-Parteichef Jeremy Corbyn schweigt hierzu ebenso vollständig wie im November, als der Oberbefehlshaber der Streitkräfte General Sir Nick Carter die Existenz von „vernünftigen“ Notfallplänen für den Brexit bestätigte – „egal, ob es ein Terroranschlag, ein Disput der Tanklastwagenfahrer, Arbeitskämpfe oder sonst etwas ist“.

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