Venezuelas Öl und die Geopolitik des US-gestützten Putsches

Die USA haben ihre Bestrebungen, den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro durch einen Putsch zu entmachten, stetig verschärft. Sie haben verheerende Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängt, die einem Belagerungszustand gleichkommen, und drohen ständig mit einer offenen US-Militärintervention.

Das Ziel dieser Regimewechsel-Operation ist es, die US-Marionette Juan Guaidó an die Macht zu bringen, der im Dezember 2018 in die USA gereist war, um mit der Trump-Regierung über diese Operation zu diskutieren.

Guaidó ist ein Funktionär der rechten Partei Voluntad Popular, die von der Behörde der Vereinigten Staaten für Internationale Entwicklung (United States Agency for International Development, USAID) und dem Think Tank National Endowment for Democracy (NED) finanziert wird. Er genießt die Unterstützung sowohl der Demokraten als auch der Republikaner. Die Medien präsentieren ihn als eine Art Freiheitskämpfer und Verteidiger der Demokratie gegen Maduro, der als Diktator und böse Macht dargestellt wird. US-Außenminister Mike Pompeo warnte letzte Woche in einer Rede vor den Vereinten Nationen die anderen Regierungen: „Entweder ihr steht auf der Seite der Mächte der Freiheit, oder ihr seid mit Maduro und seinem Wahnsinn im Bunde.“

Mit diesem abgedroschenen und heuchlerischen Gerede von „Freiheit“ und „Demokratie“ tarnt Washington seine wahren Motive für einen Putsch, der schnell zu einem Bürgerkrieg und einer bewaffneten Intervention führen könnte.

Venezuela hat die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt – mehrere Milliarden Barrel mehr als Saudi-Arabien. Dieses wertvolle Vermögen ist nicht nur eine Profitquelle, sondern ein wichtiges geopolitisches Werkzeug im Konflikt zwischen den USA und China, vor allem angesichts der wachsenden Befürchtungen, dass sich die Lage auf den Ölmärkten bald verschlechtern könnte.

Am Montag versuchte die US-Regierung, die Maduro-Regierung von den Einnahmen aus dem Ölexport abzuschneiden, indem sie alle Zahlungen der USA an den staatseigenen Ölkonzern Petróleos de Venezuela (PDVSA) einstellte. Da 41 Prozent der venezolanischen Ölexporte an die USA gehen, ist das Land stark von diesen Einnahmen abhängig.

Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton drückte am Montag offen aus, welche Ziele Washington damit verfolgt. Gegenüber Fox News erklärte er, ein erfolgreicher Putsch werde „für die USA einen großen wirtschaftlichen Unterschied ausmachen, wenn amerikanische Ölkonzerne wirklich in die Ölvorkommen in Venezuela investieren und diese fördern könnten.“

Damit das passiert, müsste die Verstaatlichung der venezolanischen Ölindustrie rückgängig gemacht werden. Die Verstaatlichung wurde vor mehr als vier Jahrzehnten und damit bereits lange vor Maduros Amtszeit oder der seines Vorgängers Hugo Chávez durchgeführt. Zudem müsste das Land in offen sichtbarer Weise in eine Halbkolonie des US-Imperialismus und der Ölkonzerne verwandelt werden.

Einige Wirtschaftsanalysten beschreiben den neuesten Versuche der USA, die venezolanischen Öleinnahmen abzuwürgen, als „nukleare Option“. In den letzten Jahren ist die venezolanische Ölindustrie bereits zusammengebrochen. Die Rohölproduktion ging von fast drei Millionen Barrel pro Tag auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag im letzten Jahr zurück. Laut einigen Prognosen wird sie dieses Jahr auf 800.000 Barrel pro Tag sinken.

Venezuelas extra-schweres Rohöl aus dem Orinoco-Gürtel ist zwar reichhaltig, aber die Produktion ist sehr teuer. Ähnlich wie der kanadische Teersand kann es nur profitabel gefördert werden, wenn dies sehr langsam geschieht. Um das extra-schwere Öl oder den Teersand in nutzbares Rohöl zu verwandeln, muss Venezuela große Mengen von Leichtöl aus den USA importieren und es in einem energieintensiven Raffinierungsprozess mit seinem Rohöl vermischen.

Diese grundlegenden geophysischen Tatsachen erschweren und verschärfen die Wirtschaftskrise, mit der das national-bürgerliche Maduro-Regime konfrontiert ist. Genau wie zuvor Chávez braucht Maduro diese Öleinnahmen für die begrenzten Sozialprogramme, die es seinem Regime ermöglicht haben, sich fälschlich als Vertreter des „bolivarischen Sozialismus“ zu inszenieren und gleichzeitig dem in- und ausländischen Kapital Eigentumsrechte und Profite zu garantieren.

Genau wie viele Öl produzierende Länder ist auch Venezuela von einem einzigen Rohstoff übermäßig abhängig. Wenn ein Land zu stark vom Export eines bestimmten wertvollen Rohstoffs abhängig ist, kann der Zufluss von Devisen zu einer allgemeinen Inflation führen. Bevorzugte Investitionen in diesen einen Rohstoff führen zur Benachteiligung aller anderen Bereiche der Wirtschaft. Dies führt unweigerlich zum Niedergang anderer Teile der Wirtschaft, vor allem der Industrie und der Produktion, sofern dieser Prozess nicht durch radikale Maßnahmen aufgehalten wird.

Aufgrund dieses Prozesses erleidet Venezuela bereits seit den 1920er Jahren immer wieder Wirtschaftskrisen. Diesmal hat das fehlende Kapital des venezolanischen Regimes und der schwankende Ölpreis die Regierung daran gehindert, die notwendigen und kostspieligen Investitionen in ihre Schwerölfelder zu tätigen, um die Produktion stabil zu halten.

Die USA und ihre Verbündeten kümmert es nicht, dass die Aussicht auf einen langwierigen Regimewechsel in Venezuela zum kurzzeitigen Rückzug des venezolanischen Rohöls von den globalen Märkten führt. Die amerikanische Rohölproduktion und die unablässige Förderung von Schieferöl und Schiefergas werden jeden Engpass auffangen. Doch Venezuelas Reserven gelten dennoch aus zwei Gründen als entscheidend für die langfristige wirtschaftliche und geopolitische Stabilität der USA.

Zum einen hat Venezuela vor kurzem Pläne für eine engere Zusammenarbeit mit dem chinesischen Staat und chinesischen Ölkonzernen eingeleitet. Venezuela schuldet China etwa zwanzig Milliarden Dollar. China ist damit einer der größten Gläubiger des Landes. 40 Milliarden aus einem anderen Kredit hat es bereits in Form von Ölexporten an China zurückgezahlt. Chinesische Erdölkonzerne haben große Anteile an verschiedenen Unternehmungen in Venezuela aufgekauft und beabsichtigen, die Abwärtsspirale der Industrie aufzuhalten und Öl nach China zu schicken.

Chinas Ölproduktion liegt bei einem Volumen von 3,5 Millionen Barrel pro Tag und gleicht nicht einmal annähernd den Verbrauch des Landes von fünfzehn Millionen Barrel pro Tag aus. Im Gegensatz zu den USA hat China keine nennenswerten Schieferölvorkommen. Der Mangel an Öl hat die chinesische herrschende Klasse dazu gebracht, verzweifelt nach Öl im Ausland zu suchen. Andererseits verstehen die USA, dass der strategische Besitz – entweder durch ein Bündnis oder durch direkte Kontrolle – der größten Ölfelder der Welt die chinesische Wirtschaft im Falle eines Konflikts zerstören würde. Daher gelten ölreiche Länder wie Venezuela und Gaddafis Libyen als wichtige Ziele der USA. Beide Länder haben chinesische und russische Investitionen in die Ölindustrie erlaubt.

Ein zweiter Grund ist, dass Venezuelas Öl trotz seiner hohen Kosten helfen könnte, ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu überbrücken, mit dem im Laufe dieses Jahrzehnts gerechnet wird. Die Internationale Energiebehörde geht davon aus, dass die Welt mindestens 640 Milliarden Dollar jährlich wird ausgeben müssen, um die Produktion auf angemessenem Niveau zu halten. Allerdings liegen die Ausgaben der Industrie mit derzeit nur 430 Milliarden Dollar deutlich darunter.

Momentan können die USA die Märkte durch ihr Fracking beliefern. Wenn es jedoch in den kommenden Jahren eine deutliche wirtschaftliche Rezession geben sollte, braucht Venezuela hohe Investitionen, um die Lücke zu füllen. Sollte der von den USA unterstützte Putsch erfolgreich sein, würden Konzerne wie Exxon, die früher das venezolanische Öl kontrolliert haben, dort wieder investieren und den Rohstoff kontrollieren.

Die Bestrebungen der USA, den Fluss des venezolanischen Öls zu kontrollieren, sind nicht neu. Vor der Verstaatlichung in den 1970er Jahren dominierten mehrere westliche Konzerne den Ölreichtum des Landes, ausgehend von der Royal Dutch Shell zu Beginn des 20. Jahrhunderts, danach kamen das heutige Exxon Mobil (früher Standard Oil, Exxon und Mobil) und schließlich die Verstaatlichung der lange Zeit vom ausländischen Kapital dominierten Ölindustrie Venezuelas.

Anfang der 1970er Jahre war Venezuela ein enger Verbündeter der USA in Lateinamerika. 1976 wurden die Ölvorkommen unter Präsident Carlos Andrés Pérez offiziell verstaatlicht und der Ölkonzern Petróleos de Venezuela als staatseigenes Unternehmen geschaffen. Diese Verstaatlichung hat westlichem Öl im Verhältnis zu dem aus OPEC-Staaten weit günstigere Bedingungen verschafft.

Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre kam es zu einem zweiten großen Wirtschaftsabschwung, der ebenfalls mit der übermäßigen Abhängigkeit des Landes vom Öl und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Problemen zusammenhing. In dieser Wirtschaftskrise und den als Caracazo bekannten Massenunruhen gegen Austeritätsmaßnahmen trat der ehemalige Präsident Hugo Chávez erstmals als nationale Figur in Erscheinung. 1992 führte er einen erfolglosen Putschversuch an, 1998 wurde er zum Präsidenten gewählt.

Chávez führte Sozialreformen ein, die anfangs den Lebensstandard eines Teils der Arbeiterklasse verbesserten und größtenteils durch Öleinnahmen finanziert wurden. Doch als bürgerlicher Nationalist repräsentierte er keineswegs die Arbeiterklasse, und ebenso wenig förderte er ihren Kampf für die Kontrolle über die Produktion und die Gesellschaft. Vielmehr sprach er für eine Schicht von Geschäftsleuten, die glaubten, ihre Lage könnte verbessert werden, wenn sie mehr Unabhängigkeit vom ausländischen Kapital erhielten und gleichzeitig die Öleinnahmen benutzten, um die Klassenspannungen zu verringern.

Genau wie in der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre haben die globalen Kräfte des Kapitals das kurzfristige Gleichgewicht einer nationalen Wirtschaft gestört, die von einem einzigen Rohstoff abhängig ist. In den Jahren vor Chávez‘ Tod im Jahr 2013 hat sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert, das venezolanische Regime sah sich mit einer zunehmend feindlichen und desillusionierten Arbeiterklasse konfrontiert.

Der US-Imperialismus versucht jetzt, diese Krise zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen. Unter dem scheinheiligen Banner von „Freiheit“ und Demokratie“ versucht er unverhohlen, eine imperialistische Intervention durchzuführen, die eine Diktatur an die Macht bringen würde. Diese würde die Arbeiterklasse unterdrücken, um die uneingeschränkte Kontrolle der US-Ölkonzerne und der Wall Street zu gewährleisten.

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