Farce um „humanitäre Hilfsgüter“: Washington legt Venezuela Ultimatum vor

Am Mittwoch stellte US-Außenminister Mike Pompeo der venezolanische Regierung von Präsident Nicolas Maduro ein letztes Ultimatum, die Landesgrenzen zu öffnen, um den USA die Lieferung „humanitärer Hilfsgüter“ in das Land zu ermöglichen. Washingtons tatsächliches Ziel besteht darin, entweder eine Spaltung innerhalb der Streitkräfte des Landes zu provozieren oder die Voraussetzungen für eine von den USA geführte Militärintervention zu schaffen.

„Das venezolanische Volk braucht dringend humanitäre Hilfe“, twitterte Pompeo. „Die USA und andere Länder versuchen zu helfen, doch #Venezuelas Militär blockiert auf Maduros Befehl hin die Hilfslieferungen mit LKW und Tanklastern. Das Maduro-Regime muss DIE HILFSGÜTER ZU DEN HUNGERNDEN MENSCHEN DURCHLASSEN.“

Die gleiche US-Regierung, die sich plötzlich um die „hungernden Menschen“ in Venezuela sorgt, hat die venezolanische Wirtschaft systematisch abgewürgt. Im August 2017 verhängte sie eine Finanzblockade gegen Venezuela und letzte Woche ein Ölembargo, das sämtliche Geschäfte des staatlichen Ölkonzerns PDVSA verhindern soll. Damit droht dem Land der Verlust seiner wichtigsten Devisenquelle und seiner Fähigkeit, Lebensmittel und Medizin zu importieren.

Die Absichten der USA sind unmissverständlich. Sie wollen die venezolanische Bevölkerung durch Aushungern zur Unterwerfung zwingen, das Land unregierbar machen und auf diese Weise einen Regimewechsel herbeiführen, der eine rechte Marionettenregierung an die Macht bringen soll.

Zu diesem Zweck haben die USA den politischen Putsch von Juan Guaidó finanziert, der sich am 23. Januar selbst zum „Übergangspräsidenten“ erklärte. Die Trump-Regierung, mit der diese Aktion im Vorfeld abgesprochen war, erkannte ihn sofort als Präsidenten an. Guaidó ist Abgeordneter der rechtsextremen Partei Voluntad Popular („Volkswille“), die von den USA finanziert wird. Im Vorfeld des Putsches wurde er zum Vorsitzenden der von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung ernannt. Zeitgleich zu Guaidós Putsch erklärte die Trump-Regierung Maduro für „illegitim.“

Die rechten Regierungen in Lateinamerika wie auch Kanada und die europäischen Großmächte beteiligten sich an den Handlungen, die einem verbrecherischen und räuberischen Wettlauf um die Kontrolle über Venezuela gleichkommen – dem Land, das über die größten nachgewiesenen Ölvorkommen verfügt.

Guaidó und die venezolanische Rechte haben in enger Zusammenarbeit mit der CIA und dem US-Außenministerium eine lautstarke öffentliche Kampagne um die von Washington, Kanada und der Europäischen Union versprochenen Hilfsgelder in Höhe von jeweils 20 Millionen, 40 Millionen und fünf Millionen US-Dollar begonnen. Sie fordern die Einrichtung eines „humanitären Korridors“ und erklären, dass bald Hilfsgüter in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta eintreffen und unter Kontrolle der rechten Opposition sowie ohne Behinderung nach Venezuela gebracht werden sollen.

Diese Propagandakampagne richtet sich hauptsächlich an das venezolanische Militär, das eine wichtige Stütze der Maduro-Regierung darstellt und bis jetzt nicht mit ihr gebrochen hat.

Die am prominentesten platzierte Nachricht auf dem Twitter-Account der von Guaidó geführten Nationalversammlung lautet: „Soldat des Vaterlands, die Zeit ist reif! Wirst du deiner Mutter humanitäre Hilfe verwehren?“

Zwischenzeitlich twitterte Guaidó am Mittwoch: „In den kommenden Stunden werden wir die Größe und die Möglichkeiten der humanitären Hilfe bekannt geben. Den nationalen Streitkräften sage ich: Lasst diese Hilfsgüter ins Land, denn sie sind auch für eure Familien.“

Das venezolanische Militär reagierte auf diese Kampagne, indem es die Hauptbrücke zwischen Cúcuta (Kolumbien) und Urena (Venezuela) mit einem Tanklastwagen und zwei großen Containern blockierte, die quer über die drei Fahrspuren der Brücke abgestellt wurden.

Die Behauptung, Lastwagen voll Nahrungsmitteln und Medizin, die über die kolumbianisch-venezolanische Grenze ins Land gebracht werden, könnten die tiefe wirtschaftliche und soziale Krise in Venezuela lösen, ist absurd. Wann auch immer die Hilfsgüter eintreffen, sie sind ein Trojanisches Pferd. Sie sollen nicht das Leid der venezolanischen Bevölkerung lindern, sondern einen Militärputsch oder eine bewaffnete Konfrontation auslösen.

Sowohl das Rote Kreuz als auch die Caritas, die mit der katholischen Kirche verbunden ist, weigerten sich unter Berufung auf ihre Neutralität und Unabhängigkeit, sich an irgendeiner Operation im Zusammenhang mit dem „humanitären Korridor“ der USA zu beteiligen.

Die Außenminister der Nachbarstaaten Venezuelas, Kolumbien und Brasilien, von wo aus die USA ihre „humanitären Korridore“ öffnen wollen, trafen sich am Dienstag in Washington zu Diskussionen mit Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton. Letzterer trug letzte Woche auf einer Pressekonferenz einen Notizblock, auf dem die Worte „5.000 Soldaten nach Kolumbien“ zu lesen waren.

Zweifellos besteht die bevorzugte Option der USA darin, in Venezuela eine so schwere soziale, wirtschaftliche und politische Krise zu provozieren, dass das Militär die Seiten wechselt, gegen Maduro putscht und sich hinter ein US-Marionettenregime stellt. Trump hat mehrfach erklärt, dass die Möglichkeit einer US-Militärintervention weiterhin „auf dem Tisch liegt“, falls es nicht zu diesem Ergebnis kommt.

In seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag erkannte Trump Guaidó erneut als die „legitime Regierung“ an und erhielt dafür Applaus sowohl von Republikanern als auch von den Demokraten, deren führende Politiker den US-Putschversuch unterstützen.

Auch die amerikanischen Leitmedien unterstützen Washingtons Regimewechsel-Operation, so wie sie es zuvor bei den Kriegen im Irak, in Libyen und anderen Ländern getan haben. Nachdem das Außenministerium, das Weiße Haus und die CIA die entsprechenden Stichworte gegeben haben, berichteten sie über den Hunger in Venezuela und stellten Maduro als Schurken dar, weil er seine Grenzen nicht für die amerikanischen „Hilfsgüter“ öffnet.

Maduro steht an der Spitze einer bürgerlichen Regierung, die das Privateigentum und die Interessen des in- und ausländischen Finanzkapitals verteidigt. Als möglichen Vermittler zwischen seiner Regierung und der von den USA unterstützten rechten Opposition wandte sich Maduro an den Papst. Die Regierung begrüßte die Intervention einer „Kontaktgruppe“, die von Uruguay und Mexiko organisiert wurde und an der Bolivien, Ecuador, Costa Rica sowie acht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal, Schweden und Großbritannien) beteiligt sind. Die „Kontaktgruppe“ traf sich gestern in Montevideo, um eine friedliche Lösung auszuhandeln.

Doch die rechte Opposition unter Führung von Guaidó agiert auf Befehl von Washington und hat jeden „Dialog“ sowie jegliche Verhandlungslösung ausgeschlossen. Sie fordert stattdessen einen bedingungslosen Regimewechsel und verlässt sich bei der Durchsetzung auf die militärische Stärke der USA.

Hinter dieser Unnachgiebigkeit steht die Entschlossenheit des US-Imperialismus, sich die Hegemonie über das ölreichste Land der Welt zu sichern und den Einfluss Chinas und Russlands zurückzudrängen. Beide Staaten unterhalten umfangreiche wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Caracas.

Die Gefahr, dass sich in Venezuela eine schwere Konfrontation zwischen den größten Atommächten entwickelt, ist real und sie wächst. Die New York Times veröffentlichte am Mittwoch einen Leitartikel, in dem sie den Sturz der Maduro-Regierung im Allgemeinen unterstützte. Allerdings brachte sie auch die Nervosität zum Ausdruck, die sich in Teilen des herrschenden Establishments der USA angesichts der extrem militaristischen Politik gegenüber Venezuela breit macht.

„Die Krise hat sich zu einem gefährlichen globalen Machtkampf entwickelt, nicht zuletzt, weil die Trump-Regierung einen Regimewechsel uneingeschränkt unterstützt“, warnte die Times. „Das ist das letzte, was die Venezolaner gebrauchen können.“

Die Times wies auf die Beziehungen Venezuelas zu Moskau und Peking hin und erklärte: „Es ist sehr stark im amerikanischen und westlichen Interesse, Venezuela von solch unheiligen Bündnissen durch Verhandlungen zwischen den Anhängern von Guaidó und Maduro zu befreien.“

Und wenn diese Verhandlungen zu nichts führen? Angesichts der Tatsache, dass frühere militärische Abenteuer im Irak und Libyen blutig gescheitert sind und keine nennenswerten Ziele im Interesse des US-Imperialismus erreicht wurden, haben die herrschenden Kreise ohne Zweifel genügend Gründe, Angst vor einem weiteren Krieg der USA für einen Regimewechsel zu haben. Doch letzten Endes hat sich die herrschende Klasse in Venezuela als Ganze auf einen Kurs begeben, der nur zu einem Blutbad und zur Errichtung einer Diktatur von der Sorte führen kann, wie sie in den 1960er und 70er Jahren von der CIA und dem Pentagon u.a. in Chile und Argentinien an die Macht gebracht wurden. Die Gefahr eines noch größeren Krieges kommt noch hinzu.

Die Arbeiterklasse in den USA, Europa und im Rest der Welt muss das Gerede Washingtons und der europäischen Mächte über „humanitäre Hilfe“ und „Demokratie“ mit Verachtung zurückweisen und gemeinsam mit der Arbeiterklasse von Venezuela und ganz Lateinamerika den Kampf gegen eine imperialistische Intervention und gegen den Kapitalismus aufnehmen.

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