Daimler: Betriebsratschef Brecht fordert höhere „Effizienz“

Kaum meldet der Daimler-Konzern einen Gewinnrückgang – das Ergebnis vor Steuern lag 2018 „nur“ noch bei 11,1 Milliarden Euro – reiht sich Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht in den Chor der Aktionäre und Banker ein, die heftige Angriffe auf die weltweit mehr als 300.000 Beschäftigten des Autokonzerns fordern

In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte Brecht: „Wenn bei steigenden Stückzahlen die Ergebnisse schlechter werden, müssen wir die Effizienz erhöhen, keine Frage.“ So sei die Zahl der Modellvarianten in den vergangenen Jahren auf 40 angestiegen. Das bringe „übermäßig viel Komplexität in die Produktion und die Entwicklung. Da gibt es Handlungsbedarf.“

Brecht fordert außerdem, dass Daimler im Entwicklungsbereich mit anderen Herstellern aus Europa zusammenarbeitet, um schneller zu sein und gemeinsame Standards zu setzen.

Jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, weiß, was dies bedeutet. Höhere Effizienz, schlankere Produktion, Zusammenlegung der Entwicklung heißt Arbeitsplatzabbau, niedrigere Löhne und schärfere Arbeitshetze. Da mag Brecht noch so oft betonen, er unterstütze nur Dinge, die „nicht gegen das Personal“ laufen.

Auf der ganzen Welt finden derzeit heftige Angriffe auf die Beschäftigten der Autoindustrie statt. General Motors und Ford haben zehntausende Entlassungen angekündigt und legen ganze Werke still. Bei Volkswagen ist der Abbau von 100.000 Arbeitsplätzen im Gespräch. In Rüsselsheim werden die Entwicklungsabteilung von Opel mit 7000 Arbeitsplätzen und große Teil der Produktion abgewickelt, nachdem Opel mit dem französischen Hersteller PSA (Citroën und Peugeot) fusioniert hat, um – wie dies Brecht auch für Daimler vorschlägt – „Synergieeffekte“ zu erzielen.

Die Konzerne reagieren mit dieser Offensive auf den sich verschärfenden internationalen Handelskrieg, technische Umbrüche, wie den Übergang zur Elektromobilität, und vor allem auf die unersättliche Gier der Aktionäre und Manager, sie schwindelerregende Profite und Gehälter einstreichen. Daimler bildet hier keine Ausnahme.

Kaum hatte der scheidende Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche am Mittwoch in Stuttgart die Jahresbilanz vorgelegt und eine Senkung der Dividende von 3,65 auf 3,25 Euro angekündigt, schlugen die Aktionäre Alarm. Der Absatz des Weltkonzerns war 2018 zwar um 2,4 Prozent auf 167,4 Milliarden Euro gestiegen und Daimler hatte insgesamt rund 3,4 Millionen Pkw und Trucks verkauft. Doch der Gewinn war um 22 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro gesunken.

Unter der Überschrift „Investoren drängen Daimler zum Sparen“ schilderte das Handelsblatt die Reaktion der Aktionäre. Bert Flossbach, Chef des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, der mit einem Anteil von 1,8 Prozent zu den größeren Anteilseignern zählt, verlangte ein neues Sparprogramm. Michael Muders von Union Investment forderte „noch mehr Anstrengungen, um effizienter zu werden“. Stefan Bauknecht von der Fondsgesellschaft DWS mahnte: „Kostenkontrolle muss nun Priorität haben. Daimler hat mehr Speck angesetzt als andere.“

Insbesondere die Betriebsrenten, zu denen sich Daimler tariflich verpflichtet hat, sind den milliardenschweren Investoren ein Dorn im Auge. Von den Verpflichtungen von insgesamt 31,4 Milliarden Euro seien lediglich 26,6 Milliarden Euro finanziert. Das Geld, das der Konzern an die Pensionäre zahle, fehle für die Zukunftsinvestitionen, kritisierte Flossbach.

Ins gleiche Horn stößt Betriebsratschef Brecht. Er hat stimmt zwar nicht mit allen Forderungen der Aktionäre überein. So verlangen diese die vollständige Abspaltung der Lkw-Sparte, während der Vorstand den Konzern nur in drei rechtlich selbstständige Einheiten (Pkw, Lkw, Mobilitätsdienste) unterteilen will. Doch das sind rein taktische Differenzen.

Brecht ist bereit, mit den Aktionären über alles zu reden. „Ich habe überhaupt keine Berührungsängste, mich mit Analysten und Investoren an einen Tisch zu setzen. Die sollen ruhig bei mir anrufen. Ich rede mit jedem,“ sagte er dem Handelsblatt.

Und Zetsches Nachfolger an der Spitze des Konzerns, der bisherige Entwicklungsvorstand Ola Källenius, überhäuft Brecht schon jetzt mit Vorschusslorbeeren. Källenius müsse „die Transformation jetzt von der Spitze weg transportieren“, sagte er. „Belegschaft und Investoren erwarten, dass er bald seine Vorstellungen zur strategischen Ausrichtung darlegt.“ Källenius werde es „gelingen, die neue Aufgabe zu erfüllen. Ich mache mir da keine Sorgen“.

Niemand, der diese Zeilen liest, kann Zweifel daran haben, wo Brecht – und mit ihm der ganze Betriebsrat und die IG Metall – in den kommenden Auseinandersetzungen über Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Löhne stehen werden: auf der Seite des Managements und der Aktionäre. Ohne Brecht gehe bei Daimler nichts, sein Wort habe Gewicht, charakterisiert das Handelsblatt den mächtigen Funktionär. Anders als VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh suche er zwar eher selten das Licht der Öffentlichkeit, er sei „deshalb aber nicht minder einflussreich“.

Der Betriebsratschef sieht die Zukunft von Daimler ganz aus der Warte des Managements und der Aktionäre – und wird dafür entsprechend fürstlich bezahlt. Ihm geht es darum, den Konzern im zunehmend brutalen Konkurrenzkampf gegen seine internationalen und nationalen Rivalen zu stärken, durch hohe Profite attraktiv für Investoren zu machen und die Konkurrenten an die Wand zu drängen.

Das hat zur Folge, dass die Arbeiter bei Daimler gegen ihre Kollegen bei BMW und Audi, deutsche Arbeiter gegen amerikanische und chinesische und die Belegschaften der Stammwerke gegen die der Zulieferer ausgespielt werden. Obwohl Chef des Gesamtbetriebsrats macht Brecht im Handelsblatt deutlich, dass ihn nur die 170.000 Beschäftigten in Deutschland interessieren, nicht aber die 130.000 in anderen Ländern. Er sagt dort wörtlich: „Wir brauchen eine Beschäftigungsperspektive für die 170.000 Mitarbeiter von Daimler in Deutschland.“

Tatsächlich werden aber, damit die Werke in Deutschland „effizient“ bleiben, auch hier die Löhne und Arbeitsbedingungen immer weiter nach unten getrieben. Die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze, die Schließung ganzer Werke (wie Opel Bochum) und zahlreiche Knebelverträge, die den Belegschaften Opfer abverlangten, haben in den vergangenen Jahren die Unterschrift der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre getragen. In der Autoindustrie, die einst als Garant für sichere Arbeitsplätze und anständige Löhne galt, wimmelt es inzwischen von Leiharbeiten und Subunternehmen, die zu Niedriglöhnen arbeiten – alles mit Zustimmung der Gewerkschaften. In der Zulieferindustrie sind die Zustände noch schlimmer. Und auch die Stammarbeiter befinden sich in eine ständigen Abwärtsspirale.

Dagegen wächst weltweit die Opposition. Im mexikanischen Matamoros, das nahe der Grenze zu den USA liegt, streiken über 70.000 Arbeiter der Auto-Zulieferindustrie seit Wochen gegen die unerträglichen Löhne – gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Gewerkschaften. Obwohl es sich um eine der größten Streikbewegungen der jüngeren Zeit handelt, bewahren die Medien – und auch die IG Metall – darüber eisernes Schweigen. Sie haben Angst, dass der Aufstand Schule macht.

Auch in Ungarn, der Slowakei, Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern ist es in letzter Zeit zu zahlreichen Streiks gegen die niedrigen Löhne gekommen, die bei nahezu gleichen Lebenshaltungskosten bis zu zwei Drittel unter den deutschen liegen – zuletzt bei Audi in Ungarn, wo 15.000 Arbeiter eine Woche lang die Arbeit niederlegten. In Frankreich hat die Gelbwesten-Bewegung, die sichere Einkommen fordert, die Regierung des früheren Investmentbankers Emmanuel Macron erschüttert.

Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen können nur durch eine gemeinsame Offensive der internationalen Arbeiterklasse im Kampf gegen die Konzerne und ihre milliardenschweren Investoren verteidigt werden. Dazu ist es nötig, mit den Gewerkschaften und ihren Vertretern im Betrieb zu brechen und unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die den Widerstand organisieren und Kontakt zu anderen Betrieben auf der ganzen Welt aufnehmen.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Entwicklung und Vereinigung der Kämpfe der Arbeiter bei Daimler, in der gesamten Autoindustrie und darüber hinaus zu fördern und zu unterstützen.

Dabei kämpfen wir für ein sozialistisches Programm. Anstatt die Arbeiter dem zerstörerischen Kampf der Banken und Konzerne um Profite und Absatzmärkte unterzuordnen, müssen diese enteignet, unter Arbeiterkontrolle gestellt und ausgehend von den vorhandenen gesellschaftlichen Bedürfnissen reorganisiert werden.

Ein wichtiger Schritt in diesem Kampf ist die heutige Demonstration in Detroit, USA.

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