Millionen von Schülern und Jugendlichen demonstrieren gegen den Klimawandel

Schätzungsweise 1,4 Millionen Schüler und Jugendliche haben am Freitag die Schule geschwänzt und an den weltweiten Demonstrationen gegen den Klimawandel teilgenommen. Die international koordinierten Proteste waren die größten seit sechzehn Jahren. Sie zeigen die wachsende Erkenntnis junger Menschen, dass die Regierungen der Welt unfähig sind, wichtige Maßnahmen zu ergreifen, um die globale Erwärmung zu stoppen.

Der jüngste UN-Bericht stellt fest, dass kaum noch elf Jahre verbleiben, bis die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Zivilisation exponentiell ansteigen werden. Demonstrierende wiesen empört auf internationale Vereinbarungen wie das Pariser Abkommen hin, die sich zur Bewältigung der Krise allesamt als wertlos erwiesen haben.

Der erste Impuls der Bewegung, bekannt als Jugendklimastreik oder Fridays For Future, ging von der 16-jährigen Greta Thunberg aus, die im vergangenen August erstmals vor dem schwedischen Parlamentsgebäude gegen den Klimawandel demonstrierte. In den letzten Monaten folgte darauf eine ganze Reihe von Protesten.

Die Demonstrationen am Freitag schwollen zu weit größerem Ausmaß an. Offiziell wurden Aktionen in mehr als 2.000 Städten aufgelistet, in mindestens 120 Ländern und auf allen Kontinenten, einschließlich der Antarktis. In Italien gab es 235 Proteste, 214 in Frankreich, 200 in Deutschland, 195 in den Vereinigten Staaten, 144 in Schweden und 120 im Vereinigten Königreich.

Die größte Einzelkundgebung fand in Mailand statt, wo schätzungsweise 100.000 Studenten und Jugendliche auf die Straße gingen. Die Organisatoren zählten 60.000 Teilnehmer in Montreal, 50.000 in Neapel, 40.000 in Paris, 30.000 in Brüssel und Rom, 20.000 in Berlin und 10.000 in London. Kleinere Proteste mit Dutzenden oder Hunderten von Studenten und Jugendlichen fanden in allen Teilen der Welt statt, darunter Kapstadt, Tokio, Moskau, New Delhi, Mexiko-Stadt, Jakarta, Buenos Aires und Schanghai.

Mehr als 23.000 deutsche, österreichische und schweizerische Wissenschaftler unterzeichneten unter dem Namen „Scientists For Future“ eine Stellungnahme zur Unterstützung der Proteste. Sie erklärten: „Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären wir auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diese Anliegen [der Jugendlichen] sind berechtigt und gut begründet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus …Die jungen Menschen fordern zu Recht, dass sich unsere Gesellschaft ohne weiteres Zögern auf Nachhaltigkeit ausrichtet. Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel ist ihre Zukunft in Gefahr.“

Die Demonstrationen spiegeln die wachsende Radikalisierung junger Menschen auf internationaler Ebene wider, nicht nur im Zusammenhang mit dem Klimawandel, sondern auch als Reaktion auf die zunehmende soziale Ungleichheit, das üble Vorgehen gegen Einwanderer und Flüchtlinge und endlose Kriege.

Dies spiegelte sich in vielen Slogans auf handgefertigten Plakaten wider, die die Jugendlichen zu den Kundgebungen mitbrachten. Einige lauteten: „Der Kapitalismus tötet den Planeten – tötet den Kapitalismus!“, „Profit oder Zukunft“, „Offene Grenzen für Flüchtlinge“, „Der Kapitalismus tötet uns“, und „Weltweiter Streik für die Zukunft“, sowie „System change, not climate change“.

Mitglieder der Sozialistischen Gleichheitsparteien (SGP) und andere Unterstützer der World Socialist Web Site nahmen an Demonstrationen in mehreren Ländern teil, wo sie Exemplare der WSWS-Perspektive „Die Klimaproteste der Jugend und der Kampf gegen die globale Erwärmung“ und andere Erklärungen über den Kampf des IKVI zur Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus verteilten.

Die von den SGP-Anhängern vertretene Perspektive stand in scharfem Gegensatz zu derjenigen, die mehrere Politiker bürgerlicher Parteien anpriesen. In den USA twitterte Alexandria Ocasio-Cortez von der Demokratischen Partei, dass die jungen Menschen „Klimaprogramme gestartet haben, um ihre Regierungen dazu zu bringen, nach einem echten Klimawandelplan zu handeln“.

Ocasio-Cortez und andere Demokraten fördern einen „Green New Deal“, der auf der unrealistischen Vorstellung basiert, dass durch die Demokratischen Partei im Rahmen des kapitalistischen Systems der Klimawandel gestoppt werden könne.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern schrieb: „Wir hören euch und wir arbeiten an einem Weg zur Klimaneutralität“ und verwies damit auf die verschiedenen Systeme von Emissionshandel, die Neuseeland in den letzten Jahren getestet hat. Zu diesen Politikern gesellten sich verschiedene Gewerkschaften und Gruppen von Pseudolinken mit dem Ziel, die Illusionen in die Tauglichkeit der Parteien des politischen Establishments zu stärken.

Viele Demonstrierende verstanden jedoch die Notwendigkeit eines politischen Kampfs gegen den Kapitalismus. Die Resonanz auf die Kritik der SGP an den verschiedenen bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien und deren kapitalistischer Orientierung war sehr gut. Viele Teilnehmer beteiligten sich an Diskussionen darüber, dass diese Politiker für Militarismus, Angriffe auf demokratische Rechte und die Sparpolitik verantwortlich sind.

Mitglieder der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) an der University of Michigan sprachen mit Studierenden und Jugendlichen in Ann Arbor, Michigan. Dort sagte Marisol, eine Schülerin an der Community High School: „Die Unternehmen und Politiker sind völlig unwillig, etwas zu ändern. Es ist nicht die Schuld der Menschen am Fuße der Gesellschaftshierarchie, die nichts besitzen. Verantwortlich dafür sind die Reichen und die Unternehmer und Politiker.“ Sie fügte hinzu: „Die Arbeiterklasse muss nur aufwachen, und wir müssen unsere Macht erkennen.“

Lys, eine Gymnasiastin in Paris, stellte fest: „Heute gibt es in Frankreich 280.000 Soldaten. Sie sind weltweit im Einsatz. Ich finde, dass Frankreichs Aktionsradius bei weitem zu groß ist. Die Kriege dienen privaten Interessen, seien sie finanzieller oder politischer Natur, und nicht humanitären Zielen. Das ist es, was ich gefährlich finde, und wovor ich auch bezüglich des Klimas Angst habe. Es sind die privaten Interessen, welche Politik und Macht kaufen. Deshalb bin ich heute gekommen.“

Die massive Bereitstellung von Ressourcen, die benötigt werden, um den Klimawandel aufzuhalten und umzukehren, macht eine Neuordnung des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens auf internationaler Ebene erforderlich. Die Energieerzeugung muss weltweit koordiniert werden, um auf erneuerbare Energien umzusteigen. Das wiederum erfordert die ernsthafteste wissenschaftliche Untersuchung neuer Technologien und Ideen.

Eine solche grundlegende Verschiebung steht jedoch in direktem Konflikt mit dem nationalstaatlichen System und dem Drang der Unternehmen nach privatem Profit. Es bringt nichts, wenn die Jugend an die Machthaber appelliert, sondern sie muss sich dagegen richten, dass die Gesellschaft durch eine Handvoll Milliardäre beherrscht wird, die alles diktieren. Gleichzeitig zeigt der globale Charakter der Proteste objektiv, dass die Schüler sich an die einzige progressive, internationale soziale Kraft auf der Erde wenden müssen, die Arbeiterklasse.

So wie die wirtschaftliche und technische Entwicklung des Kapitalismus eine weltweite ökologische Krise ausgelöst hat, hat sie auch die Fähigkeit hervorgebracht, diese Krise rational anzugehen. Um die Ressourcen freizusetzen, die zur Bewältigung des Klimawandels erforderlich sind – ebenso wie der Kriege, der Armut und der Ungleichheit – bedarf es einer vollständigen, sozialistischen Neuordnung des Wirtschaftslebens. Die Wirtschaft muss der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt werden, denn sie ist die einzige soziale Kraft, die eine Gesellschaft aufbauen kann, die auf den menschlichen Bedürfnissen, einschließlich einer gesunden globalen Umwelt, basiert.

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