Erneut BVG-Warnstreik in Berlin

Zum dritten Mal in sechs Wochen streiken die Berliner Verkehrsarbeiter. Bereits Mitte Februar hatten alle 14.500 Mitarbeiter der BVG und des Tochterunternehmens Berlin Transport (BT) für zehn Stunden die Arbeit niedergelegt und die Hauptstadt blockiert.

Als einige Tage später die BVG-Geschäftsleitung und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) ein miserables Angebot vorlegten, rief die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erneut zum Warnstreik auf. Allerdings beschränkte sie den Streik auf die Busfahrer und Bus-Techniker. Die Tram- und U-Bahnfahrer wurden aufgefordert, weiter zu arbeiten.

Die BVG-Geschäftsleitung reagierte mit einem neuen Angebot, das darauf ausgerichtet war, die Einstiegsgehälter geringfügig zu verbessern und gleichzeitig die Lohnspaltung zu vertiefen und die Arbeitshetze zu verschärfen.

Am vergangen Donnerstag lehnte die gewerkschaftliche Tarifkommission das Angebot erneut ab und rief für heute Morgen ab Betriebsbeginn um 3.00 Uhr alle Berliner Verkehrsarbeiter für 24 Stunden zum Streik auf.

Der erneute Warnstreik zeigt die Kampfbereitschaft der Verkehrsarbeiter und macht deutlich welche Macht sie haben. Würden sie in einen unbefristeten Vollstreik treten, wäre das öffentlich Leben der Hauptstadt schnell vollständig blockiert. Denn ein Vollstreik des öffentlichen Nahverkehrs würde auch einen Verkehrsinfarkt auf den Straßen zur Folge haben.

Dann wäre der Berliner Senat aus SPD, Linken und Grünen nicht mehr ohne weiteres in der Lage, seine rücksichtslose Politik der Sozialkürzungen durchzusetzen, die er im Auftrag der Banken betreibt und die darauf abzielt, den gesamten öffentlichen Dienst auf Profit zu trimmen.

Doch einen solchen wirkungsvollen Streik will Verdi unter allen Umständen verhindern. Denn die Verdi-Funktionäre sind aufs Engste mit allen drei Senats-Parteien (SPD, Linke und Grüne) verbunden und unterstützen deren Politik. All diese Parteien haben der sogenannten Schuldenbremse zugestimmt, die die Landesregierungen und Kommunalverwaltungen verpflichtet, massive Sparmaßnahmen durchzusetzen.

Die wichtigste Aufgabe der Berliner Verkehrsarbeiter besteht darin, das verlogene Doppelspiel von Verdi zu durchschauen und mit der Gewerkschaft zu brechen, die hinter dem Rücken der Beschäftigen daran arbeitet, einen Ausverkauf im Interesse des Senats und des Kommunalen Arbeitgeberverbands durchzusetzen.

Während der Verhandlungen der vergangenen Wochen hatten Verdi und KAV „Stillschweigen“ vereinbart, was zur Folge hat, dass keine genaue Einzelheiten bekannt sind und viele Gerüchte kursieren.

Gleichzeitig verbreitet der KAV, es sei vereinbart worden, die unteren Entgeltgruppen neu zu ordnen. Bei Neueinstellungen von Fahrern werde künftig nicht die Stufe 1 der Lohntabelle gelten, sondern das Beschäftigungsverhältnis werde gleich mit Stufe 3 beginnen. Der Grundlohn werde um einen Festbetrag zwischen 300 und 500 Euro erhöht. Seither behaupten die Medien, das Angebot umfasse eine Steigerung der jährlichen Entgeltzahlung von einem Gesamtvolumen von 90 Million Euro ab 2019.

Angestrebt wird eine möglichst lange Laufzeit von über zwei Jahren, über die nicht mehr gesprochen wird. Vor allem aber soll eine weitere „Arbeitsverdichtung“ durchgesetzt werden. Die geforderte Arbeitszeitverkürzung von 39 Stunden auf 36,5 Stunden für alle nach 2005 eingestellten Mitarbeiter hat Verdi offenbar bereits aufgegeben.

Vieles deutet darauf hin, dass durch die Erhöhung der Löhne in einigen Niedriglohngruppen die Zustimmung zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erreicht werden soll.

Fakt ist, dass die heutigen schlechten Löhne und der zunehmende Arbeitsstress die direkte Folge von Verdis jahrelanger Zusammenarbeit mit dem Senat sind. Schon 2005 senkten SPD, Linkspartei und Verdi die Personalkosten der Verkehrsbetriebe um dreißig Prozent. Unter anderem führte das zu dem massiven Lohngefälle zwischen Alt- und Neubeschäftigten.

Diese Verhältnisse wurden 2013 mit dem Knebelvertrag „Ergänzungstarifvertrag Zukunftssicherung“ weiter festgeschrieben. Dieser Vertrag sorgte dafür, dass die Personalkosten nur bei „positivem Betriebsergebnis“ und höchstens um 2,5 Prozent pro Jahr steigen durften. Dank Verdi konnte sich die BVG auf Kosten der Beschäftigten und der Fahrgäste sanieren. Nun sollen in diesem Jahr 1100 neue Mitarbeiter zu den schlechtesten Konditionen eingestellt werden.

Weil es bisher sehr schwierig war, zu diesen miserablen Bedingungen ausreichend Jobbewerber zu finden, sollen nun die Einstiegsgehälter verbessert werden, aber die Arbeitshetze und Extrembelastung soll bleiben.

Auch in anderen Bereichen ist die Gewerkschaft unmittelbar daran beteiligt, die Ausbeutungsbedingungen in Produktion und Verwaltung radikal zu verschärfen. In der Autoindustrie findet eine Entwicklung statt, die man als „Amazonisierung“ bezeichnen könnte. Ford hat einen langjährigen Amazon-Manager als Produktionsdirektor eingestellt, und VW hat eine enge Partnerschaft mit Amazon vereinbart, um Produktionsabläufe zu „optimieren“.

Verdi spielt eine Schlüsselrolle dabei, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gegen den Widerstand der Beschäftigen durchzusetzen. Die Behauptung, es gäbe lange und komplizierte Verhandlungen, ist reine Augenwischerei. Verdi wollte bereits bei der letzten Verhandlung einen Abschluss erreichen und war empört, als der BVG-Finanzvorstand Haenecke, der früher als Unternehmensberater für McKinsey tätig war, die Verhandlungen platzen ließ. In Wahrheit sitzen auf der Arbeitgeberseite dieselben Partei- und Gewerkschaftsvertreter, mit denen Verdi seit Jahr und Tag eng zusammen arbeitet.

Bei BVG-Personalchef Dirk Schulte handelt es sich um den Sohn des langjährigen DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte. Er unterhält engste Beziehungen zur Gewerkschaft. Als Personalmanager der Salzgitter AG hatte er bereits im Herbst 2013 eine üble Rolle beim Abbau von 1500 Arbeitsplätzen gespielt.

Verdi klagt über die sture Haltung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes und bezeichnet sein Vorgehen als wenig kooperativ. Doch zu den neuen Vorstandsmitgliedern des KAV gehört auch Dirk Schulte, der dort eine führende Rolle spielt. Er arbeitet eng mit dem KAV-Vorstandsvorsitzenden zusammen. Der heißt Martin Urban und ist ebenfalls ein ehemaliger Gewerkschaftsbürokrat. Urban stieg über den Verdi-Vorläufer ÖTV zum Personalchef der BSR auf, bevor der den KAV-Chefposten übernahm und – laut Berliner Morgenpost – ein Jahresgehalt von etwa 350.000 Euro kassiert.

Dazu kommt, dass im Aufsichtsrat der BVG mehr Gewerkschaftsfunktionäre und Personalräte sitzen, als so genannte Unternehmervertreter. Auch Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt sitzt mittlerweile im Aufsichtsrat und kassiert ab. Zählt man zu den acht Arbeitnehmervertretern, den ehemaligen Juso-Vorsitzenden von Berlin-Charlottenburg, Fréderic Verrycken, der jetzt als Finanzstaatssekretär fungiert, hat die Gewerkschaft bereits die Mehrheit. Dazu kommen mit Ramona Pop, Volker Sparmann und Regine Günther noch drei Grüne, die mit Verdi-Chef Bsirske in der selben Partei sind. Wenn Verdi wollte, könnte sie über ihre Mehrheit im Aufsichtsrat jede Entscheidung des Unternehmens ändern und rückgängig machen.

Es ist höchste Zeit mit Verdi zu brechen und den Tarifkampf selbst in die Hand zu nehmen. Das erfordert den Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees. Die erste Aufgabe eines solchen Aktionskomitee besteht darin, Verbindungen mit allen anderen Beschäftigen im öffentlichen Dienst aufzunehmen. Hundertausende hatten in den letzten Wochen abwechselnd demonstriert und gestreikt.

Der Tarifkampf bei der BVG muss als Teil einer internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse verstanden werden. Er ist der erste Schritt in einem politischen Kampf gegen den Senat und die Bundesregierung und ihr Programm von Flüchtlingshetze, Staatsaufrüstung und Krieg.

Die Politik wird von einer superreichen Finanzelite dominiert, die immer größere Teile der staatlichen Einrichtungen und kommunalen Versorgung privatisiert. Es ist nicht möglich, die ständigen sozialen Angriffe zurückzuschlagen, ohne die Macht der Banken und der Finanzoligarchie zu brechen. Deshalb erfordert jeder ernsthafte Arbeitskampf ein internationales sozialistisches Programm. Dafür tritt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die deutsche Sektion der Vierten Internationale ein.

Nehmt Kontakt mit der SGP auf, um den Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees unter BVG-Arbeitern zu diskutieren und voranzubringen.

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