Neue Gewerkschaftsbürokratie oder Arbeitermacht?

Lehren aus der Rebellion der Arbeiter von Matamoros: Zweiter Teil

Erste Streikwelle: Prieto isoliert die Arbeiter und rettet Villafuertes Gewerkschaft

Nur zwei Tage später, am 9. und 10. Januar, legten die maquiladora-Arbeiter in Matamoros bei Polytech, Dura, Autoliv, Cedros und AFX Industries die Arbeit stundenweise nieder, weil ihre üblichen Boni nicht ausbezahlt worden waren.

Immer mehr Arbeiter bedrängten die Gewerkschaftsfunktionäre und erkundigten sich nach ihrem Vertrag. Nun rückten die Bosse damit heraus, dass die Arbeiter infolge von AMLOs Mindestlohnerhöhung ihren Bonus verloren hätten. Juan Villafuerte, der Führer der maquiladora-Gewerkschaft SJOIIM, verurteilte die Forderung nach Verdoppelung des Gehalts und behauptete, darauf hätten die Arbeiter kein Anrecht.

Am 11. Januar traten auch die Arbeiter von Edemsa, APTIV, Parker, Autoliv und anderen Unternehmen stundenweise in Streik, und über die sozialen Medien wurde für den nächsten Morgen eine Massenversammlung verabredet. Eine Autoteilearbeiterin bei Trico Componentes, Delfina Martínez, sagte Reportern: „Für die Fabriken ist die Mindestlohnerhöhung der Regierung ein Vorwand, uns das nicht auszuzahlen, was wir normalerweise in jedem Januar erhalten.“

Rund 2.000 Arbeiter versammelten sich am nächsten Tag um 9 Uhr auf der großen Plaza. Dort und bei mehreren Versammlungen vor den Werkshallen wählten Arbeiter Delegierte für jede Fabrik. Sie sollten die Arbeiter bei den Verhandlungen vertreten und auch dann einen Streik organisieren, wenn die Gewerkschaftsvertreter behaupteten, „auf der Seite der Arbeiter“ zu stehen.

Im Netz und bei diesen ersten Treffen herrschte einstimmig die Meinung: Raus aus den Gewerkschaften. Einige sagten: „Wir brauchen die Gewerkschaft nicht, um zu verhandeln.“ Die Arbeiter waren plötzlich in der Lage, sich demokratisch auszutauschen, was die Gewerkschaft jahrzehntelang verhindert hatte, und sie begannen, ihre eigenen Forderungen aufzustellen: eine 100-prozentige Lohnerhöhung, eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche, der Bonus von 32.000 Pesos, die Abschaffung des Gewerkschaftsbeitrags, der aus 4 Prozent des Gehalts besteht, „keine Entlassungen!“ und vieles mehr. Ständig betonten die Arbeiter, dass die Lohnerhöhung und die Boni für sie Errungenschaften waren, die es zu verteidigen galt.

Konfrontiert mit einem wütenden Meer von Arbeitern, das in die Gewerkschaftszentrale flutete, versprach der Gewerkschaftsführer Juan Villafuerte am Samstag, den 12. Januar, er werde eine Erhöhung um 20 Prozent und den vollen Bonus aushandeln, befahl den Arbeitern jedoch, alle Streiks auf den kommenden Mittwoch zu verschieben.

Aber die Arbeiter weigerten sich, und im Aktionskomitee von Autoliv sammelten sie Geld für eigene rot-schwarze Fahnen (in Mexiko das Zeichen für einen Streik), die sie vor die Fabriktore hängten. Innerhalb weniger Stunden breitete sich der spontane Streik auf alle 48 Werke aus, und die Arbeiter ruhten nicht eher, als bis die Kollegen aller Schichten sich daran beteiligten.

Die Arbeiter organisierten über die sozialen Medien eine Massenversammlung auf der Plaza für den Abend des Mittwoch, 16. Januar, um die Gewerkschaft loszuwerden. Die SJOIIM rief auch wirklich nicht zum Streik für den Mittwoch auf, sondern gab nur ein Art Streikwarnung, eine „Emplazamiento“ (Standortbestimmung) heraus, die laut Gesetz sechs bis zehn Tage vor einem Streikbeginn erfolgen muss.

An diesem Tag schlossen sich hunderte von Autoteilearbeitern bei Tridonex, das einer anderen Gewerkschaft angehört, dem Streik an. Sie gaben eine Erklärung heraus, in der es hieß: „Alle Arbeiter lehnen die Ungerechtigkeit ab, die die Gewerkschaft unterstützt, und sind unzufrieden mit den Beiträgen, die sie uns wöchentlich abknöpfen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, alle zusammen für eine Veränderung zu kämpfen.“

Zwischen dem 11. und 15. Januar führten über 3.000 maquiladora-Arbeiter spontane Streiks bei Levolor in Agua Prieta und bei Stewart Connector in Cananea durch – beides Grenzstädte im Bundesstaat Sonora, nur wenige Kilometer von Tucson (Arizona) entfernt.

Die mexikanischen und internationalen bürgerlichen Medien reagierten mit einem nahezu vollständigen Blackout, weil sie befürchteten, dass sich die spontanen Streiks ausbreiten und in einen großen Arbeitskampf münden könnten.

Am Mittwochabend kam Susana Prieto in Matamoros an und übernahm die Bühne der Massenversammlung. Sie behauptete, dass Arbeiter in den sozialen Medien sie eingeladen hätten. Eine ihrer ersten Aussagen lautete: „98 Prozent dessen, was in den sozialen Medien steht, ist falsch.“

Bis dahin hatte die World Socialist Web Site ab dem 16. Januar zwei Artikel über den Streik publiziert, und Tausende von streikenden Arbeitern hatten sie gelesen und über Facebook geteilt. Alle anderen Medien verschwiegen den Streik. In einem der Artikel stand die Warnung: „Streikende mexikanische Arbeiter dürfen die Initiative nicht abgeben, indem sie ihr Vertrauen in einen Politiker, die Gewerkschaft oder in diejenigen setzen, die fälschlicherweise behaupten, dass diese korrupte Organisation ‚reformiert‘ werden könne.“

Die WSWS-Artikel enthielten auch Forderungen der Tridonex- und Autoliv-Arbeiter nach einem internationalen Kampf, gemeinsam mit den US-amerikanischen und kanadischen Autoarbeitern, sowie Botschaften mehrerer Arbeiter von amerikanischen Autozulieferern an die mexikanischen Arbeiter, „als vereinte globale Kraft zusammenzuhalten“.

In diesem entscheidenden Moment kritisierte Prieto die SJOIIM und plädierte für spontane Streiks in den 48 SJOIIM-Werken, mit radikal klingenden Äußerungen, wie zum Beispiel: „Es ist an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen“, oder: „Wo ein Arbeiter ist, ist auch ein Führer.“

Dann behauptete sie, der mexikanische Präsident AMLO (Andrés Manuel López Obrador) wolle „die Gewerkschaften nicht selbst herausfordern, sondern er hofft auf euch, dass ihr das tut“. Sie kam jedoch zum Schluss: „Diese Bewegung, die ihr ausgelöst habt, entzieht sich bereits der Kontrolle von Villafuerte. Ihr habt euch von alleine organisiert. Aber – und das ist der Grund, warum sie so viel Macht haben: ein Streik ist nicht rechtmäßig, wenn er nicht durch eine Gewerkschaft ausgerufen wird … Ihr müsst zu allererst die Gewerkschaft unter Druck setzen. Ihr könnt euch vorerst von Villafuerte nicht befreien.“

Mit anderen Worten, jede vorgebliche Unterstützung für die spontanen Streiks, die ja offiziell illegal waren, und auch die Tatsache, dass Prieto in den darauf folgenden Tagen sogar an der Seite der Arbeiter mitmarschierte und weitere Kollegen herausrief, das alles war in Wirklichkeit ein doppelbödiges Manöver, das die Arbeiter daran hindern sollte, sich außerhalb der Gewerkschaft zu organisieren.

Am 17. Januar ließen sich Tausende von maquiladora-Arbeitern bei Kemet und APTIV (ehemals Delphi Automotive) in der Stadt Ciudad Victoria (Tamaulipas), die 320 Kilometer weiter südwestlich liegt, vom Arbeitskampf ihrer Kollegen in Matamoros inspirieren und forderten ihrerseits eine 30-prozentige Lohnerhöhung.

An diesem Tag diskutierte in den USA ein Team von WSWS-Reportern mit Arbeitern im GM-Werk Detroit-Hamtramck, und in vielen Autozulieferbetrieben von Michigan war die Matamoros-Rebellion vorherrschendes Thema. Sally, eine US-Arbeiterin, erklärte: „Wir müssen zusammenhalten! Bleibt stark.“ Die WSWS veröffentlichte auch Unterstützungserklärungen von Autoteilearbeitern im kanadischen Ontario.

Ein Arbeiter von Easy Way in Matamoros appellierte über das WSWS an alle Arbeiter in ganz Nordamerika: „Gemeinsam können wir alle Ausbeuter besiegen, die sich an der Versklavung, in der wir leben, bereichern“.

Prieto dagegen verteidigte Villafuerte auf einer Massenversammlung am 17. Januar vor der SJOIIM-Zentrale und behauptete, die Arbeiter, die ihn kritisiert hatten, seien „Schwachköpfe“ und „Ignoranten“.

Am 18. Januar wurden mehrere hundert APTIV-Arbeiter in Reynosa (Tamaulipas), nur 90 Kilometer westlich von Matamoros, entlassen, weil sie eine 100-prozentige Lohnerhöhung gefordert hatten.

An diesem Morgen flog Prieto über Mexiko-Stadt zurück nach Ciudad Juárez (Chihuahua), vermutlich um an einer Demonstration teilzunehmen, die sie dort für den 19. Dezember angekündigt hatte. Prieto, die problemlos Tausende von Kilometern zurücklegte und Kontakte zu den Arbeitern in dem andern Bundesstaat unterhielt, die ja derselben Verschwörung der Konzerne und der Morena-Regierung ausgesetzt waren, unternahm nicht den geringsten Versuch, die Kämpfe der Arbeiter zu vereinen.

Stattdessen organisierte Prieto Delegationen von Arbeitern, die nach Mexiko-Stadt und Monterrey reisten, um sich mit Gewerkschaftsbürokraten zu treffen. Dafür gibt es keine harmlose Erklärung: Wie schon 2016 arbeitete sie daran, die Kämpfe zu isolieren und sie an einen Gewerkschaftsapparat zu fesseln, der im Dienst des Staats und des Imperialismus steht.

Das WSWS veröffentlichte in den letzten zwei Januarwochen zwölf verschiedene Artikel mit Aussagen von Arbeitern aus den USA, Kanada, Mexiko und Europa, die sich für einen von den Gewerkschaften unabhängigen gemeinsamen Kampf aussprachen. Das war durchschnittlich ein Artikel pro Tag.

Am 19. Januar warnte die WSWS ausdrücklich vor der „Lösung“, die Prieto vorgeschlagen hatte: „Trotz der einschüchternden Behauptung, dies sei der einzige ‚rechtlich sanktionierte‘ Weg, wird er unweigerlich zum Ausverkauf führen. Die Gewerkschaft wird betrügen. Sobald die Unternehmer und die staatlichen Behörden zum Angriff übergehen und sich an den Streikenden rächen werden, wird die Gewerkschaft die Arbeiter im Stich lassen.“

Während Prieto fern der Stadt und der Streikbewegung weilte (von der sie behauptete, sie „zerfalle“), unternahmen die Arbeiter Schritte, um ihre Basisinitiative auszubauen und die ganze Arbeiterklasse aufzurufen. Am 18. Januar richtete das Arbeiterkomitee von Parker vor der SJOIIM-Zentrale einen Appell an alle Betriebe: „Schickt zwei Delegierte aus jeder maquiladora, damit sie einen Ausschuss bilden“, um zukünftige Maßnahmen zu diskutieren. Mehrere Werke schickten in dieser Nacht eine Delegation.

Am nächsten Tag legten auch die Arbeiter von maquiladoras mit anderen Gewerkschaften die Arbeit nieder (Avances Científicos, Varel, Sliding, Fisher Dynamics und andere), und schlossen sich der klassischen Forderung 20/32 an. In kurzer Zeit wurden Dutzende von ihnen gefeuert. Der Vorsitzende einer andern Gewerkschaft von maquiladora-Arbeitern (SITPME), Jesús Mendoza Reyes, verteidigte die Entlassungen und nannte die Streikenden „Kriminelle“. Er rief die Polizei an und schickte einen Schlägertrupp, um die Streikposten einzuschüchtern.

Am 19. Januar berichtete die WSWS erstmals, was ein US-Arbeiter im Ford-Montagewerk Flat Rock (Michigan) mitgeteilt hatte: Dort war die Produktion aufgrund von Teileknappheit infolge des Streiks in Mexiko eingestellt worden. Ähnliche Berichte von Arbeitern aus den USA und Kanada in den folgenden Tagen und Wochen wurden später von anderen Medien bestätigt.

Am Sonntag, den 20. Januar, organisierten die Arbeiter selbst eine Massendemonstration in der ganzen Stadt unter der Losung: „Gewerkschaft und Konzern töten die Arbeiterklasse“. Hauptzweck war es, Arbeiter in ganz Mexiko aufzurufen, damit sie sich am Montag, den 21. Januar, einem „Tag ohne Arbeiter“ anschließen sollten. Der Appell wurde über die Grenze getragen, und am Montag beteiligten sich zehntausende Arbeiter aus verschiedenen Gewerkschaften und Sektoren, sowie Studenten und Jugendliche, an der bis dahin größten Streikdemonstration, die bis an die internationale Brücke hinüber nach Brownsville (Texas) führte. Mit Schildern und Slogans wie: „Gringos, wacht auf!“ appellierten die Arbeiter an ihre amerikanischen Kollegen. Auf einem Transparent stand: „Der heutige Tag wird in die Geschichte der Arbeiterbewegung eingehen: Erhebt euch alle!“

Da Susana Prieto an diesem Tag nicht eingreifen konnte, fühlte sich Bürgermeister Mario López bemüßigt, sich direkt an die Menge auf der Plaza zu wenden und das „Recht“ der Unternehmen auf Schutz ihrer Gewinne zu postulieren. Er wurde natürlich ausgebuht. Darauf ergriff ein Funktionär der Bergarbeitergewerkschaft von Tamaulipas, Javier Zúñiga García, das Wort. „Schenken wir unserem Bürgermeister Vertrauen“, rief er pathetisch. „Wir müssen doch unseren Institutionen vertrauen können. Wenn Villafuerte oder Mendoza kommen, haben sie das gleiche Recht wie der Bürgermeister.“

Dann kam eine Zeit, als Schlägerbanden der Gewerkschaft, Staats- und Bundespolizei und Marinesoldaten die Streikposten belästigten. Plötzlich gab es Berichte darüber, dass die Arbeiter ihren eigenen Verteidigungsausschuss aufbauten, um die Streikenden zu schützen.

Wie mehrere Arbeiter der WSWS berichteten, wurden ihre Artikel „von allen gelesen“, und sie wurden sogar in den Verhandlungen mit den Unternehmen zitiert.

Sobald die Arbeiter feststellten, dass sie in der Lage waren, die Produktion auf dem ganzen Kontinent einzustellen und sich unabhängig zu organisieren, wie auch auf internationaler Ebene an alle Arbeiter zu appellieren, zogen sie revolutionäre Schlussfolgerungen daraus. Am Abend des 21. Januar sagte ein Arbeiter von Dura Automotive der WSWS: „Ich wünsche mir, dass die internationale Arbeiterklasse sich gegen die Konzerne erhebt, die sie als Billiglohnreserve unterdrücken, ausbeuten und verarmen.“

Am 22. Januar forderte die wichtigste Unternehmerorganisation des Landes, der Business Coordinating Council (CCE), die „Intervention von AMLO, denn dieser Moment der Instabilität für den Arbeits- und Wirtschaftsbereich in Matamoros kann für die Wirtschaft der ganzen Region irreversible Folgen haben“. Später am selben Tag unterstützte Villafuerte diesen Aufruf an AMLO ausdrücklich.

Da die Streikbewegung außer Kontrolle zu geraten drohte, kehrte Prieto noch am selben Tag nach Matamoros zurück und monopolisierte bei einer weiteren Massenversammlung das Mikrofon. Mit den entscheidenden Worten: „Wir brauchen die Bundesregierung“, akzeptierte sie tatsächlich die Forderungen der Wirtschaftsführer und überließ dann das Wort einem lokalen Journalisten, Mario Ramos. Dieser forderte erst die Arbeiter auf, allen Veröffentlichungen über Social Media zu misstrauen, und erhob dann eine 15-minütige Hetze gegen den Sozialismus. „Diese Bewegung ist weder kommunistisch noch sozialistisch. Als Sozialist oder Kommunist kann man, wie mir scheint, keine friedliche Bewegung haben“, sagte Ramos.

Dann räumte Ramos freimütig ein: „Ich bin Kapitalist, ich mag das Geld.“ Prieto nickte dazu und sagte: „Ich auch“. Die Arbeiter johlten und schrien, Ramos solle die Bühne verlassen. Als er vorschlug, später nochmals zu sprechen, schrie die Menge unisono: „Nein!“

Was Präsident AMLO betraf, so reagierte er in seiner Pressekonferenz am nächsten Morgen, dem 23. Januar, auf den Aufruf des Unternehmerverbands und von Susana Prieto und erwähnte den Streik in Matamoros: „Die Arbeiter haben offenbar gegen ihre Gewerkschaftsführer rebelliert, und der Fall ist außer Kontrolle geraten. Obwohl es nicht unsre Sache ist, uns in das Leben der Gewerkschaft einzumischen, müssen wir doch mit Respekt vorgehen und nach einer Lösung und einem Ausgleich suchen.“

Mit anderen Worten, die Dinge sollten wieder unter die Kontrolle der Gewerkschaften gebracht werden. Laut einem Artikel der Associated Press vom 1. Februar berichteten Wirtschaftsführer, die Morena-Regierung habe „den Gewerkschaften in Matamoros aktiv davon abgeraten, weitere Gehaltsforderungen zu stellen“.

Als Reaktion auf die Rede von AMLO versuchte Susana Prieto, die Arbeiter zu verwirren. Sie sagte: „Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung mit dem, was wir tun, nicht einverstanden ist.“ Als die Arbeiter darauf ihre Zweifel über die AMLO-Regierung und die Gewerkschaften äußerten, argumentierte sie erneut: „Folgt nicht dem Müll, den ihr in den sozialen Medien lest“, und machte sich über Arbeiter lustig, die an „Opinionitis“ krankten. Dies verstanden die Arbeiter zu Recht als Angriff auf die WSWS.

Am 24. Januar stimmte Polytech als erstes Unternehmen der Forderung 20/32 zu. Da sie der Gewerkschaft misstrauten, baten die Beschäftigten der meisten Werke Prieto, jeden neuen Vertrag juristisch zu prüfen.

Am Freitag, den 25. Januar, stimmten mehrere weitere Werke der 20/32-Forderung zu, kurz vor und nach Inkrafttreten des „legalen“ Streiks der Gewerkschaft SJOIIM um 14 Uhr. Auf 13.00 Uhr luden zwei Politiker der AMLO-Regierung in Matamoros zur Pressekonferenz, nämlich der Arbeitsstaatssekretär Alfredo Domínguez Marrufo und der Vertreter des Bundesstaats Tamaulipas, José Ramón Gómez Leal. Sie forderten eine „Verschiebung um zehn Tage oder mehr … um einen Streik zu vermeiden, der zu unerwarteten Folgen führen könnte“, was indessen nicht unmittelbar Erfolg hatte.

An diesem Morgen besuchte Susana Prieto mehrere Werke und forderte die Beschäftigten auf, die Unternehmen nicht am Abbau der Maschinen zu hindern. Sie sollten gegebenenfalls auch einer Anweisung der SJOIIM zur Verschiebung des Streiks nachkommen. „Dies ist nicht der Moment für einen Streit mit euren Gewerkschaftsdelegierten … Gewerkschaftsführer sind schließlich auch nur Arbeiter wie ihr, nur dass sie den Auftrag haben, euch zu vertreten“, behauptete Prieto. Da das Schicksal der SJOIIM und ihrer Führer in der Schwebe hing, versuchte Villafuerte jedoch noch nicht, den Streik auszusetzen.

Prieto erreichte, dass die SJOIIM ihren Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, und dafür trägt sie die volle Verantwortung. Dies ermöglichte es schließlich den internationalen bürgerlichen Medien, über die Ereignisse in Matamoros zu berichten – ohne jedoch die gefährlich ansteckende Rebellion der Arbeiter gegen die Gewerkschaften zu erwähnen. So brachte Associated Press am 26. Januar, nach zwei Wochen völligen Stillschweigens, ihren ersten Artikel über den Streik. Der Artikel gab den Ton für weitere Publikationen vor, indem er „Gewerkschaftsführer Juan Villafuerte“ prominent zitierte: „Er dankte den Gewerkschaftsmitgliedern, die bei Regen und Kälte draußen gestanden hatten, und bekräftigte: ‚Wir hoffen, dass wir diesen Arbeitskampf bald zum Abschluss bringen können‘.“

Die meisten Arbeiter waren immer noch dafür, unabhängig von den Gewerkschaften zu kämpfen, und zwar sowohl vor als auch nach der Zustimmung der Konzerne zu der 20/32-Forderung. Während der Streik jetzt „legal“ war, sagte ein Autoliv-Arbeiter der WSWS: „Meiner Meinung nach sind die unabhängigen Komitees in der Tat viel nützlicher als die Gewerkschaft, denn wir haben uns gefragt: ‚Das also ist der Vorschlag, was sollen wir tun?‘ Mit der Gewerkschaft ist das nie vorgekommen.“ Die WSWS warnte auch vor Prieto, sie werde „die Aktionskomitees kaltstellen, in denen die Kollegen demokratisch diskutiert und gemeinsam über jeden Schritt entschieden haben“.

Die Arbeitsbehörde gab bekannt, dass 13 Autoteilewerke als NAFTA-Betriebe unter der Kontrolle der Regierung aufgelistet seien. Das bedeutete, dass für sie die Streikankündigung, die bei der lokalen Behörde eingereicht worden war, nicht gültig war. Am Samstag, den 26. Januar und am frühen Sonntagmorgen telefonierte der Senatsvorsitzenden Ricardo Monreal, ein Morena-Mitglied, im Auftrag der AMLO-Regierung mit Villafuerte und Prieto und forderte sie auf, den Streik zu beenden.

Am Sonntag, 27. Januar, unterrichtete Villafuerte die Arbeiter von Autoliv darüber, dass Monreal ihm diese Anweisung der Bundesregierung gegeben habe, und fügte hinzu, er sei beauftragt, die Drohung zu übermitteln, dass die Staatspolizei die Streikposten sonst gewaltsam aufbrechen werde. Prieto kam hinzu, und sie telefonierte mit Monreal und warnte ihn, dass er über Lautsprecher für jedermann zu hören sei. Aber Monreal sagte: „Wir werden nicht zulassen, dass die Wirtschaft des Staates und der Gemeinde zusammenbricht. Das Strafverfahren [gegen die Arbeiter] liegt schon beim Generalstaatsanwalt. Ich verstehe, dass sie gerade erst angefangen haben, aber ich hoffe, dass man sie stoppt und vor Gericht bringt.“

Wie Prieto erkannte, hatte Monreal damit nicht nur ausgeplaudert, dass die Regierung gegen die Arbeiter von Matamoros vorgehen würde, sondern er hatte im weiteren Sinn auch den arbeiterfeindlichen Charakter der Morena-Regierung enthüllt. Sie begann zu weinen und versuchte verzweifelt, ihre eigenen Spuren zu verwischen. Sie schrie: „Ich glaubte an López Obrador, weil ich glaubte, dass er mit der Korruption Schluss machen würde, aber ich war naiv. Es sind zu viele Interessen im Spiel!“ Als sich das Video des Vorfalls verbreitete, veröffentlichte Monreal eine Erklärung, in der er behauptete, dass es nicht seine Stimme sei.

Am nächsten Tag sagte Prieto zu einem Journalisten, Monreal habe auch gesagt: „Ich rufe im Namen unseres Freundes [des Präsidenten] Andrés Manuel an … Die Maquilas müssen am Montag geöffnet werden. Da die Arbeiter dir vertrauen, musst du sie überzeugen, den Streik aufzuheben.“ Sie habe geantwortet, dass die Arbeiter sie „lynchen“ würden, wenn sie einen solchen Vorschlag machen würde.

Angesichts einer so klaren Bestätigung, dass die AMLO-Administration ihrem Kampf derart feindlich gegenüberstand, appellierten die Arbeiter mit noch größerer Entschlossenheit an ihre internationalen Kollegen, ihren Kampf zu unterstützen. Zum Beispiel sagte Rosalinda, eine streikende Arbeiterin von Kearfott (US-Unternehmen, das Navigationssysteme für das US-Militär und andere Kunden herstellt): „Wir fordern euch auf, uns zu unterstützen, damit man auf der ganzen Welt den verzweifelten Schrei hört. Die Wirtschaft wird überall von ein paar wenigen kontrolliert, die unsere Integrität mit der Staatsgewalt bedrohen.“

Am 29. Januar appellierte die WSWS an die Arbeiter von Matamoros, nicht zuzulassen, dass Prieto und die Gewerkschaft sie „zurück an die Arbeit zwingen“. Weiter hieß es dort: „Mit Unterstützung der Gewerkschaft und der Regierung werden die Unternehmen versuchen, alle Zugeständnisse, die sie zunächst gewährt hatten, zurückzufordern, genau wie bei der Streichung der Boni.“ Die WSWS veröffentlichte auch eine Erklärung mit dem Titel „Verteidigt die Arbeiter von Matamoros! Für einen gemeinsamen Kampf der US-amerikanischen, kanadischen und mexikanischen Arbeiter zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und einem angemessenen Lebensstandard“. Sie stammte von dem Lenkungsausschuss der Coalition of Rank-and-File Committees, der sich aus Arbeitern aus ganz USA zusammensetzt, die ihre Kämpfe weltweit und unabhängig von den Gewerkschaften und dem politischen Establishment zusammen schließen.

Fortsetzung folgt

Loading