Macron verfolgt Journalisten wegen Aufdeckung französischer Waffenverkäufe für den Jemenkrieg

Die Regierung Macron bereitet die strafrechtliche Verfolgung von Journalisten vor, die aufgedeckt haben, dass Frankreich entgegen anderslautender Beteuerungen der Regierung den völkerrechtswidrigen Krieg von Saudi-Arabien im Jemen unterstützt. Es handelt sich um einen Angriff auf demokratische Rechte und die Pressefreiheit mit weitreichenden Implikationen.

Der Staat reagiert mit seinem Vorgehen auf einen Bericht, den die Journalistenorganisation Disclose am 15. April in Zusammenarbeit mit Intercept, Radio France, Mediaport, Arte Info und Konbini veröffentlicht hat. Ihre Informationen stammten aus einem geleakten vertraulichen Bericht des Geheimdienstes an den Präsidenten und führende Minister vom September letzten Jahres. Dieser Bericht enthält präzise Informationen über den Einsatz französischer Waffen im Jemen und widerlegt die Behauptung der Macron-Regierung, ihr lägen dafür keine Hinweise vor.

In einer gemeinsamen Erklärung vom Mittwochnachmittag berichten Disclose und ihre Partnerredaktionen, dass die Disclose-Mitbegründer Geoffrey Livolsi und Mathias Destal für Donnerstag polizeilich vorgeladen wurden und zu den Enthüllungen verhört werden sollen. Auch Benoît Collombat von Radio France hat eine solche Vorladung erhalten.

In der Erklärung heißt es weiter: „Wir haben erfahren, dass die Pariser Staatsanwaltschaft Vorermittlungen wegen der ,Offenlegung nationaler Verteidigungsgeheimnisse‘ eingeleitet hat.“ Die Untersuchung wird vom Inlandsgeheimdienst Direction générale de la sécurité intérieure (DGSI) geleitet.

Disclose verurteilt den Angriff der Macron-Regierng auf die Pressefreiheit: „Die vertraulichen Dokumente, die Disclose und ihre Partner veröffentlicht haben, sind von großem öffentlichem Interesse. Sie zeigen den Bürgern und ihren Repräsentanten, was die Regierung verbergen wollte: Informationen, die unverzichtbar für eine ausgewogene Debatte über Waffenverkäufe sind, mit denen sich Frankreich an Länder bindet, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.

Dieses Vorgehen gegen Journalisten dient ausschließlich dazu, zu erfahren, wer unsere Quellen sind. Die Vorladungen des DGSI sind darauf ausgelegt, die Urheber des Vergehens zu finden, bei dem wir die Empfänger waren: diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass Informationen von öffentlichem Interesse weitergegeben werden.

Um es deutlich zu sagen: Die polizeiliche Ermittlung ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, die voraussetzt, dass die Quellen von Journalisten anonym bleiben. Dieser Angriff ist umso schwerwiegender, weil die Exekutive das ,Verteidigungsgeheimnis‘ missbraucht, um den Begriff des Schutzes der Interessen der Nation so auszuweiten, dass auch die Frage nach Geschäftsverbindungen mit Krieg führenden Staaten darunter fällt …

Auf die Frage: ,Haben die Franzosen das Recht, über den Einsatz von Waffen informiert zu werden, die an Länder verkauft werden, denen man Kriegsverbrechen vorwirft?‘ antwortet die Regierung mit Drohungen.“

Eine weitere Erklärung, die von 36 französischen Medien unterzeichnet wurde, u. a. von Le Monde und AFP, verurteilt das Vorgehen der Regierung. Es heißt darin: „Das Verteidigungsgeheimnis darf weder dem Recht auf Information entgegenstehen, das für eine angemessene öffentliche Debatte unerlässlich ist, noch darf es als Damoklesschwert benutzt werden, um Journalisten von der Recherche und Veröffentlichung abzuhalten.“

Der vertrauliche Geheimdienstbericht, der an Disclose weitergereicht wurde, trägt den Titel: „Sicherheitslage im Jemen“. Er wurde Macron für ein Treffen des Verteidigungsrats am 3. Oktober 2018 vorgelegt, bei dem auch Außenminister Jean-Yves Le Drian und Verteidigungsministerin Florence Parly anwesend waren.

Der Bericht enthält detaillierte Angaben zu den Einsatzorten der Waffen im Jemen. Er dokumentiert, dass die von Frankreich gelieferten CAESAR-Haubitzen an der jemenitisch-saudischen Grenze stationiert und auf Städte und Dörfer gerichtet sind, in denen Hunderttausende Menschen leben. Wie Disclose erklärt, bestätigen Satellitenbilder, dass die Artillerie bei Offensiven der saudischen Koalition benutzt wurde. Auch der Einsatz von französischen Panzern und lasergestützten Raketen für Bomber wurde bestätigt.

Die saudische Monarchie führt seit 2014 Krieg gegen den Jemen, eines der ärmsten Länder der Welt. Sie wurde dabei von der Obama- und der Trump-Regierung sowie von den europäischen imperialistischen Mächten unterstützt, u. a. von Großbritannien und Frankreich. Der Krieg hat bereits Zehntausende Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Da die saudische Monarchie die jemenitischen Häfen blockiert und keine Lebensmittellieferungen und humanitären Hilfsgüter ins Land lässt, droht bis zu 14 Millionen Menschen, bzw. der Hälfte der Bevölkerung, der Hungertod.

Der Bericht macht deutlich, dass Frankreich gegen das Völkerrecht sowie gegen den europäischen Vertrag über den Waffenhandel von 2013 verstößt. Letzterer verbietet Waffenverkäufe, wenn der betreffende Staat „zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung Kenntnis davon hat, dass die Waffen oder Güter bei der Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, … oder anderen Kriegsverbrechen“ verwendet werden würden. Vor diesem Hintergrund ist es höchst wahrscheinlich, dass hohe Vertreter der Macron-Regierung gegen europäisches Recht verstoßen haben.

Die Regierung hat es zwar abgelehnt, sich zu den Enthüllungen zu äußern, doch Verteidigungsministerin Parly versuchte letzte Woche, ihre Bedeutung herunterzuspielen. Am 18. April erklärte sie gegenüber Radio Classique: „Soweit ich weiß, werden diese Waffen nicht für Angriffe in diesem Krieg im Jemen eingesetzt ... jedenfalls habe ich keine Beweise, die mir die Aussage erlauben, französische Waffen seien für zivile Opfer verantwortlich.“

Wie ein genauerer Blick auf die Tatsachen deutlich macht, sollte man diese Ausflüchte mit gebührender Verachtung zurückweisen. Am 20. Januar, zwei Monate, nachdem die Macron-Regierung den geheimen Bericht erhalten hatte, erklärte Parly gegenüber France Inter, sie wisse nicht, „ob französische Waffen in dem Konflikt benutzt werden“. Sie fügte hinzu: „Wir haben in der jüngeren Vergangenheit keine Waffen verkauft, die in dem Konflikt eingesetzt werden können.“

Nach den Enthüllungen von Disclose wurde dieser Kurs einfach geändert. Wie AFP unter Berufung auf eine anonyme Quelle aus der Justiz berichtete, hat die Regierung die Weitergabe des Berichts im letzten Dezember entdeckt und am 13. Dezember eine interne Untersuchung angeordnet. Das hinderte sie aber nicht daran, weiter Lügen zu verbreiten. So behauptete Parly am 18. April: „Alle unsere Bemühungen ... sind darauf ausgerichtet, diesen Konflikt zu beenden und eine politische Lösung zu finden ...“ Sie sprach dabei von einem „schmutzigen Krieg“.

Die Macron-Regierung reagiert auf die Enthüllung ihrer Mitschuld an Kriegsverbrechen, indem sie versucht, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die diese Information der französischen und internationalen Arbeiterklasse zugänglich gemacht haben. Mit ihrer Missachtung demokratischer Rechte reiht sie sich ein in die Hinwendung zu autoritären Herrschaftsformen, die bei den Regierenden in ganz Europa und weltweit zu beobachten ist.

Ihren klarsten Ausdruck findet diese Entwicklung in der Verfolgung von WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange und Chelsea Manning. Deren einziges „Verbrechen“ bestand darin, dokumentarische Beweise für US-Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan sowie die kriminellen Machenschaften anderer kapitalistischer Regierungen aufzudecken. Aufgrund einer Verschwörung der Regierungen von Australien, Großbritannien, den USA und Ecuador sitzt Assange jetzt im Gefängnis. Ihm droht eine rechtswidrige außerordentliche Überstellung an die USA, wo die Folterknechte und Kriegsverbrecher, die er entlarvt hat, ihm eine lebenslange Haftstrafe oder Schlimmeres antun wollen. Manning sitzt weiterhin im Gefängnis, weil sie sich weigert, vor einer Grand Jury auszusagen, deren einziger Zweck darin besteht, eine fingierte Anklage gegen Assange vorzubereiten.

Das Vorgehen der Macron-Regierung bestätigt die Warnungen der World Socialist Web Site: Die Verfolgung von Assange und Manning hat zum Ziel, einen Präzedenzfall für die Kriminalisierung von Journalismus und für die Verfolgung derjenigen zu schaffen, die staatliche Verbrechen ans Licht bringen. Alle europäischen Mächte unterstützen Assanges Auslieferung an die USA, weil sie den wachsenden sozialen Widerstand der Arbeiterklasse gegen ihre eigene Herrschaft fürchten und entschlossen sind, die gleichen Polizeistaatsmethoden einzusetzen.

Die WSWS wird ihre diesjährige Mai-Veranstaltung nutzen, um den Widerstand gegen die Verfolgung von Manning und Assange auszubauen und ihre Verteidigung mit dem Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse zu verbinden, die sich gegen Krieg, Ungleichheit, das Anwachsen der extremen Rechten und das kapitalistische System richtet. Wer für die Verteidigung demokratischer Rechte und gegen imperialistische Kriege kämpfen will, kann sich noch heute für diese Veranstaltung registrieren.

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