Insolvenz von British Steel bedroht 25.000 Arbeitsplätze

Die Insolvenz von British Steel, die am Dienstag bekanntgegeben wurde, könnte fast 5.000 Stellen von Stahlarbeitern und weitere 20.000 in der Zuliefererindustrie kosten.

Das Unternehmen befindet sich im Besitz des „Geierfonds“ Greybull Capital und ist nach Tata der zweitgrößte Stahlhersteller in Großbritannien. Das Hauptwerk mit mehr als 3.000 Arbeitern liegt in Scunthorpe im Nordosten Englands, wo seit 150 Jahren Stahl produziert wird. Auch in den Werken Skinningrove (North Yorkshire) und in Blayton (Gateshead) sind Arbeitsplätze bedroht. Außerdem unterhält das Unternehmen eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung in Rotherham (South Yorkshire).

British Steel wurde für insolvent erklärt, nachdem am Dienstag Verhandlungen mit der Tory-Regierung über einen staatlichen Notfallkredit in Höhe von 30 Millionen Pfund gescheitert waren. Der High Court ordnete die Zwangsliquidation von British Steel an und wies den Konkursverwalter an, das Verfahren zusammen mit dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY zu überwachen.

Stahlwerk in Scunthorpe [Quelle: Ashley Lightfoot]

In den Gebieten des Landes, die seit langem durch Deindustrialisierung, Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne verelendet sind, bedeutet jeder verlorene Arbeitsplatz eine Tragödie für die Arbeiter und ihre Familien. Scunthorpe, eine Stadt mit nur 83.000 Einwohnern, ist in hohem Maße von den Arbeitsplätzen in dem Werk abhängig. Die Arbeitslosenquote in North Lincolnshire beträgt 4,8 Prozent, nach der Schließung des Werks in Scunthorpe würde sie mit 8,4 Prozent auf fast das doppelte des nationalen Durchschnitts steigen. Der Jahreslohn in dem Werk beträgt 36.000 Pfund (40.800 Euro), der Durchschnittslohn in Scunthorpe liegt nur bei knapp über 22.000 Pfund (25.000 Euro).

Als die Beschäftigten am Mittwoch zur Arbeit erschienen, wussten sie nicht, ob sie am nächsten Tag noch einen Arbeitsplatz haben würden. Einige erzählten gegenüber den Medien, dass sie darüber im Dunkeln gehalten werden, wie es weitergeht. Ein neunzehnjähriger Arbeiter äußerte, was viele befürchten: „Es wird schrecklich für die Stadt sein. In Scunthorpe gibt es in jeder Familie jemanden, der hier arbeitet. Deshalb werden die Auswirkungen enorm sein.“

Bei dem Logistikunternehmen Hargreaves Services, einer der wichtigsten Zulieferer von British Steel in Nordostengland, könnte die Schließung des Stahlwerks 170 Arbeitsplätze kosten.

Das Werk in Scunthorpe ist einer von nur zwei integrierten Stahlproduzenten in Großbritannien. Der zweite ist das Tata-Werk in Port Talbot (South Wales), in dem mehr als 4.000 Arbeiter beschäftigt sind.

Die Insolvenz von British Steel könnte den Todesstoß für einen ehemals einflussreichen Teil der Arbeiterklasse bedeuten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stahlindustrie von der Labour-Regierung verstaatlicht, von der Tory-Regierung unter Churchill ab 1953 wieder privatisiert und von Labour 1967 wieder verstaatlicht. 1967 beschäftigte die staatliche British Steel Corporation 268.000 Arbeiter. Städte wie Consett, Corby und Ravenscraig waren überall als Stahlstandorte bekannt. Auch Sheffield, wo 150.000 Menschen in der Stahlindustrie arbeiteten, war einmal als „Stahlstadt“ weltberühmt.

Die Privatisierung unter der konservativen Thatcher-Regierung 1988, nach der ein Werk nach dem anderen geschlossen wurde, bedeutete das Todesurteil für die Stahlindustrie. Doch ohne die Gewerkschaften hätten die Tories und die Stahlkonzerne nicht Tausende von Arbeitsplätzen zerstören können. Die Gewerkschaften haben den landesweiten Stahlstreik 1980 verraten und seither keinen Finger mehr gerührt, um auch nur einen einzigen Arbeitsplatz zu verteidigen.

Laut der Gewerkschaft GMB wurden seit den 1980er Jahren mehr als 150.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie abgebaut. Von 186.000 Stahlarbeitern im Jahr 1981 sind heute nur noch 32.000 übrig. Durch die Schließung von Stahlwerken und die gleichzeitige Vernichtung der Kohleindustrie nach der Niederlage des einjährigen Bergarbeiterstreiks von 1984–85, für die ebenfalls die Gewerkschaften verantwortlich waren, wurden ganze Regionen ins wirtschaftliche und soziale Elend gestürzt.

In den fast vier Jahrzehnten seit dem Stahlstreik haben allein in der Region Yorkshire and the Humber 40.000 Stahlarbeiter ihre Stellen verloren; in den West Midlands waren es 25.800.

Die Gewerkschaften haben jahrzehntelang darauf beharrt, dass die Arbeiter keinen Widerstand gegen die Unternehmerforderungen nach Entlassungen, Lohn- und Rentenkürzungen sowie Produktivitätssteigerungen leisten dürfen. Sie haben behauptet, diese Opfer seien notwendig, damit „unsere“ Stahlindustrie im hart umkämpften globalen Stahlmarkt wettbewerbsfähig bleibt.

Die Gewerkschaften haben immer wieder dieses Mantra heruntergebetet im Namen der wenigen parasitären Reichen, die Tata und Greybull heute leiten – sogar dann noch, als kaum mehr Industrie übrig war, die gerettet werden könnte. Als Greybull im Jahr 2016 die Sparte Long Products von Tata kaufte, zu der auch das Werk in Scunthorpe gehörte, bezeichnete der Generalsekretär der Gewerkschaft Community, Roy Rickhuss, die Gründung von British Steel als „neues Kapitel in der Geschichte der britischen Stahlindustrie“.

Greybull machte anfangs noch Gewinn, nachdem es gemeinsam mit Community und den anderen Stahlgewerkschaften ein Sanierungsprogramm mit Lohn- und Rentenkürzungen durchgesetzt hatte.

Letzten Herbst wurden bei British Steel 400 Manager-, Facharbeiter- und Verwaltungsstellen in ganz Großbritannien, aber auch in Irland, Frankreich und den Niederlanden abgebaut. Community erklärte daraufhin, dass die Entscheidung des Unternehmens, das kurz zuvor für das erste Quartal Profite in Höhe von 21 Millionen Pfund ankündigte, „ein schwerer Schlag für die Belegschaft sein wird. Denn sie hat bereits immense Opfer gebracht, um das Unternehmen nachhaltig zu machen.“ Dennoch erklärte sie, der Stellenabbau finde während „problematischer Zeiten für die britischen Stahlhersteller“ statt. Die Gewerkschaft rief die Regierung lediglich auf, „unsere Stahlbranche zu retten“.

In einer Stellungnahme zur Insolvenz erklärten die Greybull-Vorstände, sie seien stolz auf die intime Beziehung zu den Gewerkschaften: „Die Belegschaft, die Gewerkschaften und das Management haben eng und entschlossen zusammengearbeitet, um das Geschäft zu stärken.“

Was die Gewerkschaften verteidigt haben waren nichts als Kapitalplünderungsoperation von Individuen, die zuvor am Zusammenbruch von zwei anderen Firmen mit tausenden von Arbeitern (Monarch Airlines und Comet) beteiligt waren. Die Steuerzahler mussten für diese Pleiten zweistellige Millionenbeträge zahlen.

Mit Unterstützung durch die Gewerkschaften konnte Greybull Garantien und Kredite im Wert von Millionen Pfund aus den Steuerkassen erhalten, indem es den Namen „British Steel“ benutzte, um die Selbstbereicherung einer Handvoll Multimillionäre zu rechtfertigen. Der letzte Kredit, den die Regierung erst vor wenigen Wochen ausgestellt hatte, betrug 120 Millionen Pfund. Er war notwendig, weil British Steel riesige Summen beim riskanten Verkauf zusätzlicher CO2-Emissionskredite verloren und vermutlich nie mehr zurückerhalten wird.

Die Gewerkschaften und die Labour Party sind mitverantwortlich für eine Katastrophe, die die Lebensgrundlage der britischen Stahlarbeiter bedroht. Jetzt fordern sie, ebenfalls im Namen des „nationalen Interesses“, dass die krisengeschüttelte Regierung von Premierministerin Theresa May vorübergehend die Kontrolle über die Überreste von Greybulls Geschäften übernimmt, bevor sie an einen weiteren Privatkonzern verkauft werden. Angesichts des derzeitigen Handelskriegs, in dem die USA Zölle gegen den weltweit größten Stahlhersteller China verhängen, der Übersättigung des weltweiten Stahlmarktes und einem Rückgang der Nachfrage könnte das Werk in Scunthorpe nur von einem zweiten Greybull übernommen werden.

Die Strategie der Gewerkschaften und der Labour Party entspricht fast Wort für Wort derjenigen der Financial Times, die in ihrem Leitartikel geschrieben hatte: „Wenn die beiden letzten Hochöfen schließen, wird die britische Rüstungsindustrie fast völlig von ausländischen Herstellern oder kleineren Firmen abhängig sein, die Rohstahl aus anderen Quellen kaufen.“ Sie riet: „Die Regierung sollte die Firmen am Laufen halten und über weitere Geldspritzen nachdenken. Dann wird ein gut platzierter Verkauf in private Hände notwendig sein...“

Die Arbeiter von British Steel müssen das reaktionäre nationalistische Programm der Gewerkschaften und der Labour Party zurückweisen, die sich zur Rettung der Arbeitsplätze auf die Gnade der Tories oder anderer profitorientierter Unternehmen verlassen.

Die britischen Stahlarbeiter sind Teil einer internationalen Klasse, die ihre immense kollektive Stärke einsetzen muss, um alle Angriffe der global organisierten Konzerne auf ihre Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen abzuwehren.

Die Arbeiter in Scunthorpe und anderen British Steel-Werken müssen gemeinsam mit den Arbeitern bei Tata und den Stahlarbeitern in ganz Europa und der Welt Widerstand gegen den Kampf um die Märkte leisten, die angesichts des eskalierenden Handelskriegs schwinden.

Um Widerstand zu leisten, müssen die Arbeiter demokratisch kontrollierte Aktionskomitees bilden, die unabhängig von den wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften sind und sich auf eine sozialistische Perspektive stützen. Diese Komitees sollten landesweite und internationale Streiks vorbereiten, um die Werksschließungen und Massenentlassungen bei British Steel und anderen Unternehmen zu verhindern.

Die Stahlindustrie muss im Rahmen des Aufbaus einer sozialistischen Planwirtschaft in Großbritannien und der Welt in ein öffentliches Unternehmen umgewandelt werden, das sich im kollektiven Eigentum der Arbeiterklasse befindet und von ihr demokratisch kontrolliert wird.

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