Perspektive

UN-Sonderberichterstatter: Julian Assange wird gefoltert

Nils Melzer, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Thema Folter, gab am 31. Mai eine Erklärung heraus, in der er ein sofortiges Ende der „kollektiven Verfolgung“ von Julian Assange fordert. Er wirft den USA und ihren Verbündeten „psychologische Folter“ vor.

Assange, so Melzer, „wurde über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg bewusst zunehmend schweren Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt, deren kumulative Auswirkungen nur als psychologische Folter beschrieben werden können“.

Melzers Erklärung bestätigt die Aussagen von Assanges Vater John Shipton vom vergangenen Monat, dass sein Sohn „berührungsloser Folter“ ausgesetzt war. Sie bestätigt auch die Warnungen der WSWS, dass der Versuch, Assange an die USA auszuliefern, auf einer fadenscheinigen rechtlichen Grundlage betrieben wird, die an die von den USA durchgeführten „außerordentlichen Überstellungen“ erinnert.

Melzers Statement ist ein vernichtendes Urteil über die achtjährige Kampagne der USA und ihrer Verbündeten Großbritannien, Schweden und Ecuador, Assange in ein amerikanisches Gefängnis zu sperren und WikiLeaks, der 2006 von ihm gegründeten Website, den Garaus zu machen.

Es zeigt, dass Assange einer beispiellosen politischen und rechtlichen Vendetta ausgesetzt war, weil er Kriegsverbrechen der USA, Massenüberwachung und diplomatische Verschwörungen aufgedeckt hat.

Zu dieser Vendetta gehören die schwedischen „Vorermittlungen“ gegen Assange wegen angeblichen sexuellen Fehlverhaltens, die Beendigung seines politischen Asyls durch Ecuador, die haltlosen britischen Vorwürfe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen, für die er letztlich verurteilt wurde, und die Versuche, ihn in die USA auszuliefern, um ihn dort nach dem Spionagegesetz anzuklagen, obwohl die Publikationstätigkeit von WikiLeaks unter dem Schutz der Verfassung steht.

Bezeichnenderweise hat Melzer eingeräumt, dass er zunächst Vorbehalte gegen Assange hatte und „von der gleichen fehlgeleiteten Hetzkampagne wie alle anderen beeinflusst war“. Aber nach einer monatelangen Untersuchung, in deren Verlauf er Assange im April im Gefängnis von Belmarsh traf, veröffentlichte Melzer eine bewegende Erklärung, die all die Lügen und Verleumdungen anprangert, die sich gegen den Gründer von WikiLeaks richten.

Laut dem UN-Sonderbeauftragten zeigt der Gründer von WikiLeaks „alle Symptome, die für eine längere Exposition gegenüber psychologischer Folter typisch sind: extremer Stress, chronische Angst und ein schweres seelisches Trauma“.

Einen Tag vor der Veröffentlichung dieses Statements hatte WikiLeaks erklärt, die Redaktion mache sich „ernsthafte Sorgen“ um Assanges Gesundheit, nachdem er auf die Krankenstation des Gefängnisses verlegt worden war. Zuvor hatte Assanges schwedischer Anwalt der Presse mitgeteilt, dass er wegen Assanges schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen am 24. Mai kein Gespräch mit ihm führen konnte.

Melzer erklärte, dass dem WikiLeaks-Gründer im Falle seiner Auslieferung an die USA „Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ drohe. Dies ergebe sich aus den 17 Anklagepunkten nach dem Spionagegesetz, die zu einer Haftstrafe von insgesamt 170 Jahren führen könnten.

In Worten, die die Gefühle von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt widerspiegeln, erklärte der UN-Beauftragte: „Die kollektive Verfolgung von Julian Assange muss hier und jetzt enden!“

Melzer schreibt, dass es seit 2010 „eine unaufhörliche und unerbittliche Kampagne des öffentlichen Mobbing, der Einschüchterung und Verleumdung gegen Mr. Assange gegeben hat, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch im Vereinigten Königreich, in Schweden und in jüngster Zeit in Ecuador“.

Weiter heißt es: „In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung habe ich noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammengeschlossen hat, um einen einzelnen Menschen für so lange Zeit und unter so wenig Berücksichtigung der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit bewusst zu isolieren, zu verteufeln und zu misshandeln.“

Assange, so Melzer, sei das Opfer „bewusster kollektiver Verhöhnungen, Beleidigungen und Demütigungen, offener Anstiftung zu Gewalt und sogar wiederholter Aufrufe zu seiner Ermordung“.

Damit verurteilt er nicht nur die Regierungen, die direkt an der Verfolgung von Assange beteiligt sind, sondern auch jene Publikationen und Medien wie die New York Times, die Washington Post und den Guardian, die eine systematische Kampagne zur Verteufelung des Gründers von WikiLeaks geführt haben.

So hat die New York Times Assange als „paranoides Ekel“ gebrandmarkt, und der Kolumnist James Ball vom Guardian sprach von einem „narzisstischen Widerling, der eine Gefahr für die zivilisierte Gesellschaft darstellt“.

Die US-Talkshows haben die von Melzer erwähnten „bewussten kollektiven Verhöhnungen“ in Reinform betrieben. Seth Meyers, Gastgeber von NBCs „Late Night“, reagierte auf die Verhaftung des WikiLeaks-Gründers am 11. April mit dem Witz, dass er „wie der Weihnachtsmann mit einem Manifest aussah, als er aus der ecuadorianischen Botschaft gezerrt wurde“.

Diese Leute sind Komplizen bei der Folterung eines verfolgten Journalisten.

Während sie in Leitartikeln die Anklage unter dem Spionagesetz formell verurteilten, haben sie die unerträglichen Bedingungen, denen Assange während seiner Haft ausgesetzt war, heruntergespielt. Weder die New York Times, noch das Wall Street Journal oder die Washington Post haben auf ihren Titelseiten über Assanges Unfähigkeit, vor Gericht aufzutreten, oder über Melzers Erklärung berichtet.

Sie haben zu erkennen gegeben, dass sie keine prinzipiellen Einwände dagegen haben, dass Assange für den Rest seines Lebens hinter Gittern verrottet. Die Washington Post beschwerte sich vergangene Woche, dass „die US-Regierung Assange jahrelang hätte einsperren können, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen“, indem sie ihn wegen Spionage anklagt.

Melzers Erklärung unterstreicht auch die beschämende Rolle einer Vielzahl von Organisationen, darunter die Pseudolinken und die Gewerkschaften, die Assange entweder im Stich gelassen oder sich der Kampagne gegen ihn angeschlossen haben.

Jacobin, das Flaggschiff der amerikanischen Pseudolinken, schwieg zunächst über eine Woche lang, nachdem die Trump-Regierung neue Anklagen gegen Assange erhoben hatte. Dann veröffentlichte sie am 31. Mai eine Pro-forma-Erklärung, in der sie sich gegen seine Verfolgung unter dem Spionagegesetz aussprach.

Dennoch konnte Jacobin es nicht lassen, den verfolgten Journalisten zu beleidigen. Das Magazin verglich die Verteidigung von Assange damit, „gegen die Folterung eines Terroristen zu sein“ oder „das Wahlrecht eines Straftäters aufrecht zu erhalten, selbst wenn er ein schreckliches Verbrechen begangen hat“. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Die einzige gesellschaftliche Kraft, die Assange befreien kann und wird, ist die Arbeiterklasse. Assange wird von Millionen von Arbeitern, Studenten und jungen Menschen auf der ganzen Welt zu Recht als Held angesehen, weil er die Wahrheit über Kriegsverbrechen, Spionage und Massenmord enthüllt hat.

Die Verteidigung von Julian Assange, Chelsea Manning und allen anderen Klassenkriegsgefangenen muss zu einer zentralen Forderung der wiederauflebenden Kämpfe der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt werden.

Die WSWS, das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die Sozialistischen Gleichheitsparteien auf der ganzen Welt setzen alles daran, eine möglichst breite Opposition gegen die drohende Auslieferung Assanges an die USA und für seine völlige Freiheit zu mobilisieren. Wir fordern unsere Leser auf, Kontakt zu uns aufzunehmen und sich an diesem entscheidenden Kampf zu beteiligen!

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