Algerien: Gefängnisstrafen für hohe Generäle und die Vorsitzende der Arbeiterpartei, Louisa Hanoune

Am 25. September verurteilte ein algerisches Militärgericht nach einem zweitägigen Prozess hohe Persönlichkeiten aus dem Umfeld des abgesetzten Präsidenten Abdelaziz Bouteflika zu 15-jährigen Haftstrafen. Sie wurden wegen „Verschwörung gegen das Militär und die Autorität des Staates“ angeklagt. Bei den Angeklagten handelte es sich um Bouteflikas jüngeren Bruder und Berater Said, den ehemaligen Geheimdienstchef General Mohamed Mediene (auch bekannt als „Touflik“), General Athmane Tartag („Bachir“) und Louisa Hanoune, die Vorsitzende und dreimalige Präsidentschaftskandidatin der kleinbürgerlichen Arbeiterpartei (PT).

Bei dem Prozess ging es nicht darum, die tatsächlichen Verbrechen von Bouteflikas Verbündeten zu aufzudecken. Vielmehr sollte die Bewegung der Arbeiterklasse gegen das Militärregime des algerischen Machthabers General Ahmed Gaid Salah eingeschüchtert werden. Der Prozess war ein reaktionärer Angriff auf demokratische Rechte. Algerien wird seit Februar von Massenprotesten gegen Bouteflikas Bewerbung um eine fünfte Amtszeit erschüttert.

Das Militärgericht äußerte sich nicht zu den Verbrechen, die Mediene und Tartag begangen haben, als sie während des blutigen Bürgerkriegs von 1991–2002 die Streitkräfte anführten. Hanoune hingegen hatte vor ihrer Verhaftung Salah und das Militär kritisiert und gewarnt, sie könnten einen ähnlich blutigen Putsch gegen die Massenproteste in Gang setzen wie der ägyptische General Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013. Dafür wurde sie wegen „Angriffs auf die Autorität des Militärs“ und „Verschwörung gegen die Autorität des Staates“ angeklagt.

Hanounes Anwalt Mokrane Ait Larbi erklärte, das Gericht sei von „Kontrollpunkten des Militärs umgeben“, und „Journalisten durften sich dem Gerichtsgebäude nicht nähern“. Er stellte fest, die engen Beziehungen seiner Klientin zum Bouteflika-Clan seien zwar bekannt, doch das Militär habe „keinen Beweis vorgelegt, dass es eine Verschwörung gab“, an der sie beteiligt war.

Said Bouteflika, Mohamed Mediene und Bachir Tartag wurden im Mai verhaftet, nachdem sie bei einem Treffen angeblich über die Ausrufung des Notstands und Salahs Entlassung diskutiert hatten, um Abdelaziz Bouteflika noch in letzter Minute an der Macht zu halten. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten Ende März über die Bildung einer neuen „Übergangsregierung“ nach Bouteflikas Rücktritt unter Führung von Ex-Präsident Liamine Zeroual diskutiert. Kurz vor dem Treffen hatte Salah Bouteflika zum Rücktritt aufgerufen, den dieser am 2. April dann auch einreichte.

Das Treffen Ende März war Teil der erbarmungslosen internen Machtkämpfe, die von den Protesten in der herrschenden Klasse Algeriens ausgelöst wurden. Der ehemalige Verteidigungsminister Khaled Nezzar, der mittlerweile nach Spanien geflohen ist, erklärte im Mai, Said Bouteflika habe ihn damals gewarnt, Salah könnte sich gegen Bouteflika stellen. Er erklärte außerdem, er plane die „Absetzung des Oberbefehlshabers der Armee und die Ausrufung des Notstands, um seinen Bruder an der Macht zu halten“. Gegenüber Nezzar erklärte er zudem, Salah könne „schlagartig“ gegen den Bouteflika-Clan vorgehen.

Während des Prozesses bestätigte Hanounes Anwalt, dass seine Klientin an einem der Treffen vom 27. März als „Abgeordnete und Vorsitzende einer zugelassenen Partei“ teilgenommen hat.

Die angeklagten Militärs, mit denen Salah jahrzehntelang zusammengearbeitet hat, waren berüchtigt für ihre Rolle bei der Folterung und Ermordung von etwa 200.000 Algeriern während des Bürgerkriegs. Allerdings wurden sie nur wegen der Verschwörung gegen Salah angeklagt, nicht wegen der Verbrechen des Militärs gegen die Menschlichkeit, an denen sowohl sie als auch Salah beteiligt waren.

General Mohamed Mediene war von 1990 bis 2015 Chef der algerischen Geheimdienste und der Geheimdienst- und Sicherheitsbehörde (DRS). Er wurde vom KGB, dem Geheimdienst der sowjetischen Bürokratie, ausgebildet und war berüchtigt für seine Rolle im algerischen Bürgerkrieg. Während des Bürgerkriegs war er aus Anonymitätsgründen nur als „Touflik“ bekannt, weil er die brutale Unterdrückung der islamistischen Milizen plante. Er führte eine Fraktion der Militärführung an, die sich als Les éradicateurs („Die Ausmerzer“) bezeichnete und eng mit der Nationalen Befreiungsfront (FLN) zusammenarbeitete.

Im September 2015 wurde Mediene von dem pensionierten Generalmajor Athmane Tartag als Chef der DRS abgelöst. Dieser war ebenfalls vom KGB ausgebildet worden und während des Kriegs nur als „Bashir“ bekannt. Er war dafür berüchtigt, Gefangene persönlich zu foltern, und besaß auch Spitznamen wie „der Schlächter“ oder „der Bomber“. Während der 1990er war er Manager des gefürchteten Centre Principal Militaire d’Investigation (CPMI), das er laut der Berliner NGO Algeria Watch zu „einem der größten Folter- und Hinrichtungszentren für politische Gegner“ gemacht hat.

Die Haftstrafe gegen Hanoune ist eine reaktionäre Maßnahme und soll signalisieren, dass Widerstand nicht toleriert wird und dass Arbeitern für Widerstand gegen Salah drakonische Strafen drohen. Ihre Verfolgung ändert jedoch nichts daran, dass ein prinzipieller Kampf gegen die kleinbürgerliche Politik der PT geführt werden muss.

Die PT wurde in den 1970ern von Studenten und Radikalen gegründet, die von Pierre Lamberts Organisation communiste internationaliste rekrutiert wurden, nachdem diese 1971 mit dem Trotzkismus und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) gebrochen hatte. In den letzten Jahrzehnten war sie eine diskreditierte Stütze der FLN von Bouteflika. Das Eingeständnis von Hanounes Anwalt, dass sie sich mit Personen wie Bouteflika, Mediene und Tartag getroffen hat, verdeutlicht indes, dass sie in ihrer Politik dem Trotzkismus und der Arbeiterklasse mit unversöhnlicher Feindschaft gegenübersteht.

Als im Februar die Massenproteste begannen, unterstützte Hanoune Bouteflika und behauptete absurderweise, die Demonstranten seien nicht gegen ihn gerichtet. Sie forderte die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung und schürte die Illusion, die FLN könne mit einer neuen Verfassung für den algerischen kapitalistischen Staat demokratische Reformen umsetzen. Die Gewerkschaftsbürokraten und das „linke“ Akademikermilieu, das die Politik der PT bestimmt, lehnte jede Kampfansage an das algerische Regime durch die Arbeiterklasse völlig ab.

Die entscheidende Aufgabe für die Arbeiterklasse in Algerien und der ganzen Welt ist der Aufbau von Sektionen des IKVI, die als revolutionäre Führung für ein trotzkistisches Programm kämpfen. Dies ist nur möglich durch einen entschlossenen politischen Kampf gegen die korrupte Rolle der PT. Allerdings will Salah durch sein brutales, autoritäres Vorgehen gegen Hanoune alle Gegner des Regimes einschüchtern und ihnen drohen.

Angesichts des wachsenden Widerstands gegen die Präsidentschaftswahl am 12. Dezember, die Salah kurz vor Beginn des Prozesses angekündigt hat, erhöhen die Behörden die Zahl der Verhaftungen. Aktivisten werden für Kritik an der Armee eingesperrt, politische Veranstaltungen unterbunden und Websites blockiert. Im Juni kam es erstmals zur Verhaftung von Demonstranten, welche die Flagge der berberischen Minderheit bei sich trugen. Laut Human Rights Watch befinden sich „etwa 40 Demonstranten noch immer in Haft, die meisten davon in Algier“. Ihnen wird vorgeworfen die „Integrität des Staatsgebiets“ zu verletzen, wofür ihnen bis zu zehn Jahre Haft drohen.

Obwohl Hanounes Politik bankrott ist, müssen klassenbewusste Arbeiter ihre Inhaftierung ablehnen und als Teil eines revolutionären Kampfs gegen das Militärregime und seine Unterdrückung ihre Freilassung fordern.

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