Continental: 20.000 Arbeitsplätze und sechs Werke bedroht

Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental will in den kommenden zehn Jahren mindestens 20.000 Stellen streichen und fünf Werke schließen; 15.000 Stellen sollen schon bis 2024 vernichtet werden. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind nicht mehr ausgeschlossen.

Den angeblich größten Umbau der Konzerngeschichte gab der Konzernvorstand am 25. September nach einer Aufsichtsratssitzung in Hannover bekannt. Demnach sollen in die Softwareentwicklung und in die Elektromobilität mehr als eine Milliarde Euro investiert werden. Allerdings machte der Vorstand glasklar deutlich, dass die Beschäftigten den Umbau bezahlen müssen. Der Abbau von 20.000 oder acht Prozent der heute noch 244.000 Beschäftigten soll dazu beitragen, die Bruttoausgaben ab 2023 jedes Jahr um 500 Millionen Euro zu senken.

Weltweit sollen sechs Conti-Werke geschlossen werden. Dazu gehören das Werk in Roding (Oberpfalz, Bayern) mit 540 Beschäftigten, der Standort Limbach-Oberfrohna (Sachsen) mit 1.230 Beschäftigten, das Werk in Pisa (Italien) mit einer fast tausendköpfigen Belegschaft, ein Werk in Malaysia und zwei Werke in den Vereinigten Staaten. In den USA betrifft es 740 Beschäftigte in Newport News (Virginia) und 650 weitere im Werk Henderson (North Carolina). In Malaysia sind 270 Arbeiter im Conti-Werk von Petaling Jaya betroffen.

Am hessischen Standort Babenhausen werden 2250 von insgesamt 3600 Arbeitsplätzen gestrichen. Um „die Kosten in der Entwicklung auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu senken“ (wie es in der Pressemitteilung heißt), soll die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von diesem Standort abgezogen werden.

Mit seinem Angriff auf Arbeitsplätze reagiert der Konzern, wie es in der Presseerklärung heißt, „auf die Rückgänge in der weltweiten Automobilproduktion“. Die „Strategie 2030“ trage „mehreren Entwicklungen Rechnung, die parallel verlaufen: einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, der sich abzeichnenden Krise in der Autoindustrie und dem durch verschärfte Abgasgesetze beschleunigten Technologiewandel im Antriebsbereich“.

Nicht nur der Dieselskandal und die Umstellung auf Elektrotechnologie spielen eine Rolle, sondern auch der bevorstehende Brexit und der Handelskrieg mit den USA. Der deutsche Autoexport in die USA, wie auch nach China, ist im ersten Halbjahr 2019 um über 20 Prozent zurückgegangen. „Wir schlittern nicht in die Krise hinein, sondern befinden uns mittendrin“, klagte der Vorstandschef von Continental, Elmar Degenhart, am Rande der Automesse IAA.

Seit zehn Jahren wird der Konzern von der steinreichen Familie Schaeffler kontrolliert, die als Mehrheitseigentümerin 46 Prozent der Aktien hält. Die Reaktion des Vorstands auf die globale Krise folgt einem altbekannten Muster: Um die Aktienkurse und Profite zu retten, müssen die Arbeiter bluten.

Das funktioniert seit Jahrzehnten dank erprobter enger Zusammenarbeit mit den DGB-Gewerkschaften IG Metall und IG Chemie.

Nach der jüngsten Aufsichtsratssitzung erklärte das IGM-Vorstandsmitglied Christiane Benner, die so genannten „Arbeitnehmervertreter“ hätten „einer Schließung von Standorten in Deutschland nicht zugestimmt“. Sie hätten im Aufsichtsrat „lediglich eine ergebnisoffene Prüfung“ unterstützt. Benner ist selbst stellvertretende Vorsitzende des Conti-Aufsichtsrats und verdient als solche über 200.000 Euro pro Jahr. Das Geld kommt, wie es heißt, der gewerkschaftsnahen Heinrich-Böckler-Stiftung zugute.

Schon letztes Jahr hat die IG Metall in Roding einen Sozialplan für den Abbau von 300 Arbeitsplätzen zum Ende 2023 ausgehandelt. Sie hat einen Ergänzungstarifvertrag vorgelegt, der für die Belegschaft Lohnverzicht vorsieht, angeblich um „die verbleibenden Arbeitsplätze zu retten“. Gleichzeitig hat die IG Metall beim Mutterkonzern Schaeffler mit ihrer „Zukunftsvereinbarung“ vom April 2018 den Rahmen für den schrittweisen Abbau von 900 Arbeitsplätzen geschaffen. Auch bei Schaeffler werden europaweit massiv Arbeitsplätze zerstört.

Im Jahr 2018 kassierte Continental-Vorstandschef Elmar Degenhart für seine Tätigkeit 4,8 Millionen Euro, und Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg Schaeffler besetzten Platz 6 der reichsten Deutschen. Gleichzeitig mussten die Arbeiter finanzielle Zugeständnisse akzeptieren und auf Errungenschaften verzichten, die ihnen laut Haustarifvertrag zugestanden hätten – ohne dass ihre Arbeitsplätze dadurch irgendwie sicherer wurden.

Die IG Metall hat seit Beginn der globalen Autokrise ihren Nationalismus verstärkt. Christiane Benners Aussage, die Gewerkschafter hätten der „Schließung von Standorten in Deutschland nicht zugestimmt“, bedeutet im Umkehrschluss, dass sie sehr wohl der Schließung der Werke in Italien, Malaysia und den Vereinigten Staaten zugestimmt haben.

Die IG Metall setzt sich offen dafür ein, den „Standort Deutschland“ gegen seine internationalen Rivalen zu verteidigen. Am 24. September hat die Gewerkschaft auf einer Industriekonferenz in Berlin einen Pakt mit den deutschen Konzernchefs und der Bundesregierung abgeschlossen, deren Ziel es ist, den „Strukturwandel“, d.h. den Abbau hunderttausender Arbeitsplätze, gegen den Widerstand in den Betrieben durchzusetzen.

In Wirklichkeit besteht das Problem nicht, wie die Presseerklärung von Conti behauptet, in der Einführung moderner Technologien oder „verschärfter Abgasgesetze“. Das Problem besteht in der unersättlichen Profitgier der Kapitalisten und Börsenhaie. Die Jagd nach Profit ist der Motor, der den mörderischen Wettbewerb am Weltmarkt antreibt und zwangsläufig zu Handelskrieg und Krieg führt. Um diesen gefährlichen Prozess zu stoppen und den Kapitalismus zu überwinden, benötigen die Arbeiter ein sozialistisches und internationales Programm.

Vor allem müssen sie die Lehren aus den letzten Jahrzehnten ziehen und mit den DGB-Gewerkschaften brechen. Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei schlagen vor, dass sich Arbeiter in unabhängigen Aktionskomitees zusammenschließen und Kontakt mit den Belegschaften anderer Standorte und Länder aufnehmen. Das Potential dafür ist zweifellos vorhanden.

Vor zehn Jahren gab es bei Continental schon einmal eine große Welle von Entlassungen und Betriebsschließungen. Damals hatte Schaeffler den dreimal größeren Reifenhersteller und Autozulieferer gerade übernommen, als die weltweite Börsenkrise ausbrach. Um die Kreditauflagen der Banken zu erfüllen, wurden die Arbeiter an allen Standorten einem brutalen Sparprogramm unterzogen. Mehrere Betriebe wurden geschlossen, darunter eine Reifenfabrik im französischen Clairoix und das LKW-Reifenwerk in Hannover-Stöcken.

Die französischen Arbeiter besetzten das Werk in Nordfrankreich und nahmen Kontakt mit ihren deutschen Kollegen in Saargemünd und Hannover auf. Als am 24. April Arbeiter aus Clairoix und Niedersachsen gemeinsam durch Hannover demonstrierten, war der Vorstand alarmiert. Um einen internationalen Arbeitskampf im Keim zu ersticken, boten die Manager den Arbeitern rasch relativ hohe Abfindungen an. Die Gelder dafür trieben sie anschließend mit gewerkschaftlicher Hilfe durch immer neue Lohnzugeständnisse und Werkschließungen wieder ein. In Deutschland setzte Continental 2009 mit Hilfe von IG Metall und IG Chemie, der SPD und der Linken eine Lohnsenkung von 17 Prozent durch.

Die Arbeiter stehen am Scheideweg, sie müssen einen neuen Weg wählen. Gemeinsam – und unabhängig von den bürokratischen Apparaten – müssen sie ihre Arbeitsplätze und Errungenschaften verteidigen. Ihre Interessen weiter den so genannten „Arbeitnehmervertretern“ von IG Metall und IG Chemie zu überlassen, bedeutet nichts anderes, als sich freiwillig und mit gefesselten Händen dem Diktat der unersättlichen Börsen unterzuordnen. Dafür gibt es keinen Grund.

In den USA streiken seit drei Wochen fast 50.000 Arbeiter von General Motors, obwohl ihre korrupte Gewerkschaft alles unternimmt, um sie an die Arbeit zurück zu zwingen. Der DGB und die IG Metall bewahren eisernes Schweigen über den größten Streik amerikanischer Autoarbeiter seit vielen Jahrzehnten. Die Arbeiter von Continental müssen sich dieser Sabotage widersetzen und ihre amerikanischen Kolleginnen und Kollegen solidarisch unterstützen. Sie sollten sich an die World Socialist Web Site wenden. Sie wird sie dabei unterstützen, die Solidarität zu organisieren und einen gemeinsamen internationalen Kampf zu führen.

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