Perspektive

Zweierlei Amtsenthebungsverfahren

Am Donnerstag fand sich im US-Repräsentantenhaus eine Mehrheit, um eine Untersuchung im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Trump formal zu eröffnen. Im Lichte der Ereignisse, die sich nun in Washington abspielen, lohnt es sich, einen Blick zurück zu werfen auf das Verfahren vor 45 Jahren, das zum Rücktritt des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon führte.

Im Juli 1974 stimmte das US-Repräsentantenhaus unter Berufung auf drei Paragrafen für eine Untersuchung gegen Nixon. Vorausgegangen war der so genannte Watergate-Skandal: Nixon hatte eine Gruppe von Einbrechern, die als „Klempner des Weißen Hauses“ bekannt wurden, beauftragt, in die Büroräume der Demokratischen Partei einzudringen und diese zu verwanzen.

Mitglieder des Watergate-Untersuchungsausschusses im US-Senat, Washington D.C. am 17. Mai 1973 [Credit: AP Photo].

Durch die Untersuchung kamen jedoch weitere und weitaus größere Verbrechen zum Vorschein, die die Regierung begangen hatte. Von den fünf Anklagepunkten, mit denen sich der Untersuchungsausschuss beschäftigte, lautete einer, dass Nixon „gegenüber dem Kongress falsche und irreführenden Aussagen über die Existenz, den Umfang und die Art der amerikanischen Bombenangriffe in Kambodscha“ im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg gemacht hatte.

Die erste Aufgabe von Nixons „Klempnern“ bestand – noch lange vor Watergate – darin, in das Büro des Psychiaters von Daniel Ellsberg einzubrechen. Das Ziel war, den Mann zu diskreditieren, der die Pentagon-Papiere herausgab, die dokumentierten, dass das Weiße Haus in Bezug auf die Kriegsführung „systematisch die Öffentlichkeit und den Kongress belogen hatte“.

Dieser Einbruch, so bemerkte ein Kommentator klug, „verband Vietnam und Watergate in einer fortlaufenden Geschichte von 1961 bis 1975“.

„1973 ergab die Untersuchung des Watergate-Komitees im Senat, dass die Exekutive die nationalen Geheimdienste angewiesen hatte, im Sinne der Verfassung fragwürdige Operationen zur inneren Sicherheit durchzuführen“, heißt es in den offiziellen Annalen des Senats der Vereinigten Staaten. „1974 veröffentlichte der Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh in der New York Times einen Artikel, in dem er die Behauptung aufstellte, dass die CIA seit mehr als einem Jahrzehnt Anti-Kriegsaktivisten überwachte und damit gegen den offiziellen Auftrag des Geheimdienstes verstieß.“

Dies führte zur Einrichtung eines weiteren Ausschusses, nach seinem Vorsitzenden Church Committee benannt, der das Fehlverhalten von CIA, NSA und FBI untersuchte. Senator Frank Church kommentierte die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses und warnte dabei, die NSA habe die Fähigkeit hat, „eine absolute Tyrannei in Amerika umzusetzen, und wir müssen dafür sorgen, dass diese Behörde innerhalb der Gesetzesgrenzen und unter angemessener Aufsicht operiert, so dass wir nie über die Klippe springen.“

Zwölf Jahre später brach in Washington eine weitere Krise aus, die fast zu einer Amtsenthebung von US-Präsident Ronald Reagan geführt hätte. Nur die mangelnde Bereitschaft der Demokraten, ihn abzusetzen, rettete Reagans Präsidentschaft.

Die Krise wurde durch die Enthüllung ausgelöst, dass die Reagan-Regierung ein Programm zum Verkauf von Waffen an den Iran ausgeheckt hatte, um darüber wiederum einen illegalen Krieg gegen das sandinistische Regime in Nicaragua zu finanzieren. Nach Angaben des für den verdeckten Krieg zuständigen CIA-Offiziers ermordeten die Contras routinemäßig „Zivilisten und sandinistische Beamte in den Provinzen sowie Leiter von Genossenschaften, Krankenschwestern, Ärzten und Richter“.

Die Untersuchung ergab, dass die Reagan-Regierung schamlos gegen das vom Kongress verabschiedete Boland Amendment verstieß, nach dem jede Unterstützung der US-Regierung für die Contras verboten war.

Die Untersuchung und das Impeachmentverfahren gegen Nixon wie auch der Iran-Contra-Skandal drehten sich um gewaltige Verbrechen. Im Wesentlichen ging es um illegale Kriege, mit denen die US-Politik räuberische Interessen verfolgte. In der Aufdeckung der Skandale kamen weitgehende Verstöße gegen demokratischen Rechte ans Tageslicht, von der COINTELPRO-Operation, die vom Curch Committee enthüllt wurde, bis hin zum Rex 84-Plan für die Massenverhaftung von „subversiven Elementen“, wie in den Anhörungen zur Iran-Contra-Affäre dokumentiert wurde.

Man braucht nur einen Blick auf diese Geschichte zu werfen, um zu sehen, dass das gegenwärtige Impeachmentverfahren das genaue Gegenteil zu den Watergate- und Iran-Contra-Untersuchungen ist. Anstatt die kriminellen Aktivitäten der US-Geheimdienste und des Militärs aufzudecken und einzudämmen, zielt die heutige Untersuchung darauf ab, sie zu erweitern und zu stärken.

Die Kongresssprecherin Nancy Pelosi fasste die Grundlagen der Untersuchung zur Amtsenthebung wie folgt zusammen: „Mit einem Telefongespräch hat er [Trump] unsere nationale Sicherheit untergraben, indem – zum Nutzen der Russen – die militärische Unterstützung für ein Land [Ukraine] zurückgehalten wurde, die der Kongress der Vereinigten Staaten beschlossen hatte.“

Der Vorwurf gegen Trump lautet, wie der ehemalige CIA-Direktor David Petraeus kürzlich sagte, „die Unterstützung zurückzuhalten, die von denen, die an vorderster Front stehen, dringend benötigt wird“ - in einem Krieg, den die ukrainische Regierung gegen Kräfte führt, die mit Russland verbündet sind. Petraeus weiter: „Das ist der Erste Weltkrieg... es ist ein sehr heißer Krieg, der immer noch andauert.“

Weil Kriege im Ausland alles andere als populär sind in Amerika, steckt das von der Demokratische Partei angestrengte Amtsenthebungsverfahren in einer Legitimationskrise. Wie zu erwarten war, haben die Demokraten auf dieser Basis keine nennenswerte Unterstützung in der Bevölkerung mobilisiert. Der Kolumnist David Brooks kommentiert in der Times: „Für die meisten Amerikaner hat die Untersuchung keine Priorität. Es ist ein dumpfes Hintergrundrauschen. [...] Die Realität ist, dass viele Amerikaner gleichgültig sind.“

Tatsächlich hat das Amtsenthebungsverfahren, das die Demokraten gegen Trump angestrengt haben, mehr gemein mit dem Impeachment gegen Bill Clinton durch die Republikaner, bei dem ein künstlich fabrizierter „Sexskandal“ als Feigenblatt für eine rechte Verschwörung benutzt wurde.

Wie die World Socialist Web Site schon früher erklärte, hatte die Opposition der Demokraten gegen Trump von Anfang an nichts gemein mit der Opposition in der Bevölkerung gegen Trumps faschistische Regierungspolitik. Die Demokraten repräsentieren eine Fraktion innerhalb der herrschenden Klasse und des kapitalistischen Staates, die Bruchstellen zwischen den Fraktionen zeigen sich vor allem in außenpolitischen Fragen.

Seit der Amtseinführung von Trump, als Millionen im ganzen Land ihren Protest auf die Straße trugen, hat die Demokratische Partei daran gearbeitet, die Wut der Bevölkerung einzudämmen und sie in Unterstützung für Kriegspolitik umzumünzen. Die Demokraten wollen gleichzeitig die Opposition unterdrücken gegen Trumps faschistische Angriffe auf Einwanderer, seine Schritte in Richtung Diktatur, seine Bewunderung für Neonazis, seine Steuersenkungen für die Reichen und seine Angriffe auf Sozialprogramme für Arbeiter und Arme.

Die Demokraten sind weder in der Lage noch bereit, an die verbreitete Abscheu gegen Trump in der Bevölkerung zu appellieren. Sie haben vor langer Zeit jedes sozialreformistische Programm aufgegeben und richten sich nicht länger an die Arbeiterklasse richtet. Die Demokratische Partei hat sich zu einer Organisation entwickelt, die auf einem Bündnis von Geheimdiensten, Teilen der Finanzelite und der wohlhabenden gehobenen Mittelklasse basiert.

Die derzeitige Impeachmentuntersuchung hat keinen progressiven oder demokratischen Inhalt. Die Demokraten versuchen, Trump unter falschem Vorwand abzusetzen, und verbergen ihre wirklichen Ziele. Sie hat, mit anderen Worten, alle Elemente einer Palastrevolte.

Wie das Politische Komitee der Socialist Equality Party in seiner Erklärung vom 15. Oktober mit dem Titel „Nein zum amerikanischen Faschismus! Baut eine Massenbewegung auf, um Trump aus dem Amt zu treiben!“ schreibt:

„Solange sich der Konflikt auf Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse beschränkt, kann er zu keinem demokratischen oder fortschrittlichen Ergebnis führen. Sollte der Amtsenthebungsversuch der Demokraten scheitern, wird er die politische Stellung von Trump stärken. Sollte er gelingen, wird er Trumps Faktotum Mike Pence zur Präsidentschaft verhelfen. Außerdem würde eine Amtsenthebung den politischen Einfluss von CIA und FBI auf das Weiße Haus noch verstärken. Sie würde eine Außenpolitik legitimieren, die auf antirussischer Hysterie basiert und somit auf eine gefährliche Konfrontation mit einer Atommacht hinausläuft. In beiden Fällen würden der Arbeiterklasse enorme Gefahren drohen.“

Der Kampf gegen Trump kann nur dann einen progressiven Charakter annehmen, wenn er unabhängig und im Gegensatz zu der Palastrevolte geführt wird, den die Demokraten im Auftrag der Geheimdienste und des Militärs organisieren.

Er muss von der Arbeiterklasse geführt werden, durch die Ausweitung des Klassenkampfes gegen Krieg, Diktatur und soziale Ungleichheit. Dies muss ein bewusster Kampf sein, um dem Kapitalismus, der Quelle von Krieg und Ungleichheit, ein Ende zu setzen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen.

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