Vierter globaler Klimastreik: Opposition gegen Kapitalismus und Rechtsruck

Am vergangenen Freitag strömten zum vierten Male in Folge Millionen Menschen auf die Straßen, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Den Angaben von Fridays for Future zufolge wurden in 157 Ländern und 2400 Städten Proteste organisiert. Insgesamt demonstrierten sieben Millionen Leute weltweit. Alleine in Deutschland fanden über 500 Aktionen mit insgesamt 630.000 Teilnehmern statt.

Wenn auch die Teilnehmerzahlen im Vergleich zum vorherigen Globalen Klimastreik leicht zurückgingen, zählen diese Massenproteste nach wie vor zu den größten in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sie machen deutlich, dass bei jungen Arbeitern, Studierenden und Schülern die Einsicht wächst, dass die nationalen Regierungen weder fähig noch willens sind, ernsthafte Maßnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt zu ergreifen.

In Deutschland fand laut Veranstalter die größte Demonstration mit 60.000 Teilnehmern in Berlin statt. Die Wut und Empörung richtete sich besonders gegen das ,,lächerliche Klimapaket der GroKo“, so die Fridays-for-Future-Bewegung auf ihrer Facebook-Seite. Das ungenügende Klima-Paket der Bundesregierung verhöhnten viele Aktivisten dementsprechend als ,,Klima-Päckchen“, da es das 1,5-Grad-Ziel völlig verfehle.

Die Fridays-for-Future-Demonstration in Bochum

Auch in anderen deutschen Städten protestierten jeweils Zehntausende: In Hamburg 55.000, in München 36.000, in Köln 20.000, in Münster 7500, in Dortmund 6000, in Düsseldorf 5000, in Essen 4000 und in Bielefeld, Aachen und Bochum jeweils etwa 2000.

Mitglieder der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) verteilten bei der Bochumer Demonstration eine Erklärung mit dem Titel „Die Klimakrise kann nur durch den weltweiten Sozialismus gelöst werden“. Darin schreiben die IYSSE, dass „eine ernsthafte Umkehr des Klimawandels“ nicht durch „nutzlose Appelle an die Vereinten Nationen oder verschiedene ‚linke Parteien‘“ möglich sei, sondern eine „wissenschaftlich geplante Umstellung der weltweiten Energiewirtschaft von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien“ erfordere.

Reporter der WSWS sprachen mit einigen Teilnehmern der Proteste in Bochum. Dort trafen sie Reiner (25 Jahre), der an der Ruhr-Universität Bochum Mathematik und Religion auf Lehramt studiert.

Reiner erklärte, er sei gekommen, weil ,,man die Klimakrise einfach nicht mehr übersehen“ könne ,,und die Maßnahmen, die in der Politik getroffen werden, überhaupt nicht angemessen“ seien, um dem Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Er protestiere hier, da dies ,,ein möglicher Weg“ sei, um ,,darauf aufmerksam zu machen, dass wir nicht einverstanden sind und das Klimapaket geändert haben wollen“.

Obwohl es bei dem Protest vordergründig ,,nur“ um Klimapolitik ging, verlagerten sich die Gespräche relativ schnell zu anderen wichtigen Themen, die besonders viele junge Menschen in Deutschland und weltweit stark beschäftigen und beunruhigen: die wachsende soziale Ungleichheit, die Gefahr von Krieg und Militarismus und der damit verbundene Aufstieg rechtsextremer Kräfte.

Die letzten, tragischen Höhepunkte der fortschreitenden Rechtsentwicklung in Deutschland – der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke und der rechtsterroristische Anschlag auf eine Synagoge in Halle – machen Reiner große Sorgen. Darauf könne man ,,nur fassungslos reagieren“. Er findet es ,,schlimm, dass in diesem Land ein Anschlag auf eine Synagoge noch mal so möglich“ sei und es wieder ,,soweit kommen konnte“.

Reiner sieht es als ,,eine Schande für dieses Land“ an, dass es ,,offensichtlich nötig“ sei ,,Synagogen unter Polizeischutz“ zu stellen. Er wünscht sich, dass sich gegen die rechte Gefahr ,,mehr gesellschaftlicher Widerstand“ formier und ,,man die Leute ausgrenzt, die irgendwelche antisemitischen Positionen vertreten und versuchen, sie wieder gesellschaftsfähig zu machen“.

Louis-Friedrich

Ähnlich sieht es Louis-Friedrich (21 Jahre), der bei der GLS eine Ausbildung zum Bankkaufmann macht. Nach dem Mord an Lübcke und dem Anschlag in Halle sei es nun ,,das Gebot der Stunde, sich unbedingt damit zu beschäftigen und dagegen vorzugehen“. Um den Kampf gegen rechts zu organisieren, brauche man ,,einen Plan“ und eine breit angelegte öffentliche Debatte.

Auf die Frage, ob er denke, dass irgendeine der Bundestagsparteien derlei organisieren würde, antwortete er nach kurzem Nachdenken mit einem bestimmten ,,Nein“ und fügte hinzu: ,,Eine Partei, die meine Einstellungen vertritt, gibt es halt auch einfach nicht.“

Am Bochumer Hauptbahnhof traf die WSWS noch Marko (37 Jahre), der als Zweiradmechaniker arbeitet. Wenn man der Klimakatastrophe nicht ernsthaft entgegenwirke, so ist sich Marko sicher, „sind wir alle relativ am Arsch“.

Als eines der Hauptprobleme sieht er eine falsche ,,Prioritätensetzung“: „Man hat in den letzten Jahrzehnten 80.000 Jobs in der Solar- und Windenergieindustrie abgebaut und sich weiterhin an die Kohleindustrie geklammert.“ Der Grund hierfür sei das Profitsystem: In der fossilen Energiewirtschaft sitze ,,mehr Geld drin“ als in der erneuerbaren. Erschwerend hinzu käme noch die unersättliche Gier der Superreichen: ,,Menschen, die viel haben, wollen immer mehr.“

Marko

Auch bei Marko wendet sich das Gespräch der rechten Gefahr zu. Der Rechtsterrorismus werde ,,nicht ernstgenommen“. Im Gegenteil, er werde ,,klein gemacht“. Die Verantwortung hierfür liege beim politischen Establishment: ,,Von offizieller Seite haben wir kein Problem mit Rechts.“

Gleichzeitig kritisierte er den Umgang der Medien mit der AfD. Marko wies auf die verlogene Behauptung der rechtsextremen Partei hin, die sich permanent darüber beschwere, dass sie ,,ausgegrenzt“ werde, obwohl sie ,,in 20 Talkshows jeweils eine Stunde“ über ,,Dinge, die man angeblich nicht mehr sagen darf“, schwadroniere.

Die Verantwortung dafür liege beim politischen Establishment, das sich zunehmend den Rechtsextremen gegenüber öffne. ,,Genau das Gegenteil müsste eigentlich passieren. Man muss sich den Rechtsextremen gegenüber komplett verschließen“. Stattdessen würden Flüchtlinge zu Sündenböcken für die gesellschaftlichen Missstände gemacht. Dies sei ein durchsichtiger Versuch, ,,eine Randgruppe gegen die andere auszuspielen. Die armen Menschen gegen die Asylanten, die Obdachlosen gegen die Asylanten, die Obdachlosen gegen die armen Menschen usw.“.

Eine weitere Ursache des Rechtsrucks sieht Marko im ,,sozialen Ungleichgewicht“. Bereits in der Weimarer Republik sei dies ,,ein großer Faktor“ gewesen. Die Menschen würden sich ,,ungerecht behandelt“ fühlen. Als Beispiel führt er die Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland an. Nach 30 Jahren Mauerfall habe man es immer noch nicht geschafft, ,,gerechte Löhne zu zahlen.“

Der Mindestlohn wirke auf ihn wie ein schlechter Witz: ,,Einerseits haben wir einen Mindestlohn, andererseits haben wir 700 Wege diesen zu umgehen.“ Auf dem Papier sei er ,,ganz nett“, aber gleichzeitig ,,auch nicht wirklich hoch. Davon kann eigentlich kein Mensch vernünftig leben. Auf jeden Fall nicht auf dem Standard, auf dem wir alle leben möchten.“

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