Britische Parlamentswahl:

Johnson gewinnt Mehrheit – Schlechtestes Ergebnis für Labour

Der konservative Premierminister Boris Johnson hat sich die größte Mehrheit seit dem Sieg von Margaret Thatcher 1987 gesichert. Für Labour ist es das schlechteste Ergebnis seit 1935.

Die Tories, die sich noch vor zwei Jahren mit einer Minderheitsregierung begnügen mussten, verfügen heute mit 365 Abgeordneten über eine Mehrheit von 80 Sitzen. Labour dagegen hat nur noch 203 Abgeordnete, die Scottish National Party 48, die Liberaldemokraten 12, Plaid Cymru 4 und die Grünen einen.

Im Vergleich mit den Parlamentswahlen von 2017 nahmen die Tory-Stimmen nur um gut ein Prozent zu, während die Labour-Stimmen um 8 Prozent abnahmen.

Johnsons Wahlsieg konsolidiert die rechteste Regierung der britischen Nachkriegsgeschichte, mit verheerenden Folgen für die Arbeiterklasse.

Er hat sich verpflichtet, jetzt schnell zu handeln, den Brexit abzuschließen („get Brexit done“) und die „Thatcher-Revolution“ zu vollenden. Beispielsweise soll das so genannte „Austrittsvertrags-Ratifizierungsgesetz“, das den Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Januar regeln wird, schon am Freitag, den 20. Dezember, in zweiter Lesung im Unterhaus behandelt werden.

Der britische Premierminister Boris Johnson (AP Photo/Matt Dunham)

Durch den Brexit verschärft sich die Gefahr eines Handelskriegs, und Großbritannien gerät immer tiefer in ein Militärbündnis mit der Trump-Regierung, das sich gegen Russland und China richtet. Diese Pläne zur Sicherung der imperialistischen Interessen Großbritanniens erfordern immer heftigere Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen.

Im Wahlkampf haben britische Gerichte einen geplanten Streik der Postangestellten von der Royal Mail zweimal verboten. Als die Eisenbahner bei South Western Railway streikten, drohte Johnson damit, sämtliche Streiks im öffentlichen Verkehr zu verbieten. Eine Notfallplanung der Regierung namens „Operation Yellowhammer“ beinhaltet Pläne für den Einsatz von 50.000 regulären Soldaten und Reservetruppen sowie 10.000 Bereitschaftspolizisten, falls ein ungeordneter Brexit zivile Unruhen auslösen sollte. Der Plan könnte als Reaktion auf die zivilen Unruhen zum Tragen kommen, die der bevorstehende Frontalangriff der Regierung auf die arbeitende Bevölkerung auslösen wird.

Die Szenen, die sich heute in Frankreich abspielen, bei denen Bereitschaftspolizisten Gelbwesten und Streikende brutal angreifen, sind ein Vorgeschmack auf das, was überall kommen wird. Das Gleiche gilt für den korrupten und antidemokratischen Charakter des Wahlkampfs.

Die Medien, einschließlich der BBC, überschütteten Corbyn mit einem wahren Strom von Lügen. Sie gaben Millionen Pfund aus für ihre Behauptung, Corbyns Sieg bedeute den wirtschaftlichen Untergang, und er stelle eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dar. Im Übrigen sei er ein Antisemit. Diese Kampagne, die von führenden Vertretern der Streitkräfte und der Geheimdienste angezettelt wurde, hatte sogar die Unterstützung des Oberrabbiners und des Erzbischofs von Canterbury.

Die gesamte Struktur des Parlamentarismus hat sich als verrottet herausgestellt. Wie schon in den 1930er Jahren entpuppt sich die „Demokratie“ als zynische und kriminelle Täuschung.

Millionen von Arbeitern sind über das Wahlergebnis schockiert, wie schon über die Art, wie der ganze Wahlkampf geführt wurde. Dies trifft vor allem auf diejenigen zu, die von Corbyn eine Alternative zu dem diskreditierten Johnson erwartet hatten. Nun ist das Wichtigste, dass sie den Grund für eine derartige Niederlage verstehen.

Als klar war, dass Corbyn in seinem eigenen Wahlkreis in Islington eine viel kleinere Mehrheit als zuvor erhalten hatte, erklärte der Labour-Chef: „Der Brexit hat dieses Land derart polarisiert und die Debatte gespalten“, dass dies jede sonst übliche Wahldebatte übertönt habe. Auch das eigentlich populäre Wahlmanifest von Labour sei davon überlagert worden, was im ganzen Land zu dem schlechten Ergebnis für Labour beigetragen habe.

Corbyn wies außerdem auf die Angriffe hin, „die sich gegen die Familie und die Angehörigen von Politikern richten“. Diese seien „schändlich und, ehrlich gesagt, ekelhaft“.

In beiden Aussagen steckt etwas Wahres.

Der Brexit hat viel dazu beigetragen, dass die Labour Party in den Arbeiterhochburgen so viel verloren hat, denn dort stimmten viele für den EU-Austritt. Die Tories konnten in den Pro-Brexit-Regionen einen Zuwachs zwischen 4 und 6 Prozent verzeichnen. Dagegen verloren sie 3 Prozent in denjenigen Gebieten, die mehrheitlich gegen den Brexit sind. In Nordost-England und in Yorkshire sanken die Stimmen für Labour um 12 bis 13 Prozent, verglichen mit 6 bis 7 Prozent in London und Südengland. In Ashfield, Bishop Auckland und Workington, wo es noch nie zuvor einen Tory-Abgeordneten gab, ging der vermeintlich sichere Labour-Sitz verloren.

Labour verlor ihren dienstältesten Abgeordneten Dennis Skinner, der seinen Sitz in Bolsover seit 1970 innehatte, weil die Tories nun diesen Sitz gewannen.

In Wales nahmen die Tories den Sozialdemokraten folgende Sitze ab: Vale of Clwyd, Wrexham, Clwyd South, Delyn und Ynys Mon.

In Schottland verlor Labour sechs von sieben Sitzen und machte damit den Weg frei für den Aufstieg der Scottish National Party. Der Aufstieg dieser Partei erklärt sich durch den systematischen Verrat der Labour-Regierung unter Blair.

Es war jedoch Corbyn selbst, der es den Tories ermöglichte, in den alten Arbeiterhochburgen Fuß zu fassen. Auch die Brexit-Partei, die nicht gegen die Tory-Partei antrat, konnte Labour einige Sitze abjagen. Corbyn trägt die Verantwortung für Johnsons Sieg, ebenso wie pseudolinke Gruppen wie die Socialist Party und die Socialist Workers Party, die behauptet haben, er stelle eine linke Erneuerung der Labour Party dar.

In der Brexit-Frage hat sich Corbyn seit dem Referendum 2016 immer stärker an die Pro-EU-Kampagne der City of London angepasst. Sein Ziel bestand zuletzt in Neuverhandlungen mit der EU und einem zweiten Referendum, bei dem er sich neutral verhalten werde. Das überzeugte niemanden und schloss eine Vereinigung der Arbeiterklasse gegen die Tories von vornherein aus.

Dies war jedoch nur ein Teil seiner ständigen politischen Kapitulationen – sowohl vor dem Blair-Flügel seiner eigenen Partei als auch vor dem Großkapital. Das brachte es zwangsläufig mit sich, dass er immer weniger Menschen davon überzeugen konnte, dass die dünne Reformsuppe, für die er eintrat, eine wirkliche Alternative zu den Tories sein würde. Angesichts seiner Weigerung, den Blair-Flügel zu vertreiben, war es wenig wahrscheinlich, dass Corbyn jemals für die Arbeiter kämpfen würde, die schon seit 2015 vergeblich von ihm erwarten, dass er gegen Sparkurs, Militarismus und Krieg Widerstand leiste.

Auch jetzt noch versucht Corbyn, seine Rolle weiter zu spielen und Labour zusammen zu halten, während er gleichzeitig Illusionen über eine „linke“ Nachfolge verbreitet. Er hat seinen Kritikern vom Blair-Flügel versprochen, dass er kein weiteres Mal als Labour-Führer bei Wahlen kandidieren werde. Stattdessen werde er einen „Reflexionsprozess“ einleiten und sicherstellen, dass „wir auf die Zukunft zugehen“.

Weitere Rücktritte sind zu erwarten. Die nationale Koordinatorin der Corbyn-Unterstützergruppe Momentum, Laura Parker, erklärte: „Man hat absolut keine Lust, zu der zentristischen Politik von früher zurückzukehren […] Wir werden die Labour Party sozialistisch halten.“ Doch der Momentum-Gründer Jon Lansman unterstützte dies höchstens halbherzig und sagte, die Entscheidung, wer Corbyn ersetzen werde, müsse „nicht vor dem Jahreswechsel“ getroffen werden.

Der Blair-Flügel seinerseits ruft schon zum innerparteilichen Krieg auf. Der Brexit-Schattenminister Keir Starmer sagte: „[W]ir haben die Pflicht, wieder aufzubauen – jetzt.“ Andrew Adonis, ein Labour-Abgeordneter aus dem Hochadel, schrieb auf Twitter: „Meiner Ansicht nach sollte die ‚Reflexionsphase‘, die klären soll, ob eine neue Führung der Labour Party nötig sei, etwa zehn Minuten dauern.“

Erforderlich ist aber eine ganz andere „Reflexionsphase“: Die Arbeiterklasse muss ihre Einstellung zu Labour grundlegend überdenken.

Das Wahlergebnis ist nicht nur das Resultat von Corbyns politischer Feigheit. Es ist in einem tieferen Sinn das unvermeidliche Produkt von Jahrzehnten, in denen die vermeintliche Labour-„Linke“ und ihr Umfeld eine bürgerliche Identitätspolitik betrieb. Gleichzeitig arbeitete sie mit der Gewerkschaftsbürokratie zusammen, um den Klassenkampf zu unterdrücken. Sie hat den Sozialismus, der sich auf eine Klassenpolitik gründet, stets verspottet und verunglimpft. Deshalb konnte Corbyn nie eine echte Alternative zu den Rechten in der Labour Party darstellen. Stattdessen zwang Corbyn Arbeiter und Jugendliche in das Joch einer Partei und eines Gewerkschaftsapparats, die politische Instrumente des Großkapitals sind.

Um den notwendigen Kampf gegen die Tory-Regierung zu führen, muss die Arbeiterklasse nun die wesentlichen Schlussfolgerungen aus dem politischen Schiffbruch von Labour ziehen.

Die Socialist Equality Party hat jede Behauptung zurückgewiesen, unter Corbyns Führung sei es möglich, die Labour Party zu erneuern. Nun haben die Ereignisse bestätigt, dass es keinen national-reformistischen und parlamentarischen Weg gibt, auf dem Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen verteidigt, demokratische Rechte erhalten und Militarismus und Krieg gestoppt werden können.

Die SEP hat sich allen Versuchen widersetzt, die Arbeiter zu spalten und im Brexit-Streit die Arbeiterklasse hinter die eine oder andere reaktionäre kapitalistische Fraktion zu zerren. Wir warnten vor den politischen Gefahren einer solchen Spaltung und forderten einen gemeinsamen Kampf aller Arbeiter auf dem ganzen Kontinent für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

In diesen Warnungen ist die SEP nun bestätigt worden, zu einer Zeit, in der Arbeiter auf der ganzen Welt in den Kampf getrieben werden. Überall kämpfen sie gegen brutale Sparmaßnahmen von Regierungen, die der Finanzoligarchie verpflichtet sind. Die politische Linkswende, die Corbyn ausgebeutet und unterdrückt hat, muss sich nun auf einen bewussten Kampf für Sozialismus richten. Arbeiter in Großbritannien müssen sich mit der europäischen und internationalen Arbeiterklasse zusammenschließen und Sozialistische Gleichheitsparteien aufbauen.

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