Perspektive

Die Wahl Boris Johnsons und das Scheitern des Corbynismus

Das Debakel der Labour-Partei unter Jeremy Corbyn in der britischen Parlamentswahl hat erneut den politischen Bankrott dieser angeblichen Linken und sogenannten Arbeiterorganisationen offenbart.

Corbyn stand einer weithin verachteten und intern gespaltenen Regierung gegenüber, deren Premierminister mal als Monster, mal als Hanswurst gesehen wird. Gleichzeitig ist das politische Klima durch enorme soziale Ungleichheit und wachsende Unterstützung für Sozialismus geprägt.

Doch Corbyn und seine Labour Party waren nicht nur unfähig, diese Situation auszunutzen, sondern haben sogar eine krachende Wahlniederlage eingefahren.

Die verlogenen Erklärungen für Labours Debakel werden kein Ende nehmen. Die Rechten werden sagen, dass Johnsons Sieg das Ergebnis von Corbyns „ultralinkem“ Kurs sei, der Bedrohung durch eine sozialistische Revolution und so weiter.

Für jeden, der auch nur im entferntesten mit der Bilanz der Labour Party und der Parteiführung Corbyns vertraut ist, sind solche Behauptungen absurd.

Die Corbyn-Anhänger werden ihre eigenen vorgefertigten Ausreden auftischen und versuchen, die Schuld für das Debakel von sich selbst auf die Arbeiterklasse zu schieben, die angeblich nicht aufgeklärt genug gewesen sei, um Corbyn ihre Stimme zu geben.

Die internationale kleinbürgerliche Linke reagierte auf den Wahlausgang mit einer erbärmlichen Zurschaustellung ihrer Demoralisierung. „Ich weine, Du weinst“, titelte das jammernde Jacobin-Magazin. „Sogar der Kampf für den Erhalt des Status Quo wird jetzt noch schwieriger sein. Aber man kann sich damit trösten, dass wir jetzt wenigstens mehr Genossen haben, mit denen wir weinen können.“

Diese Leute weinen um sich selbst, nicht über die Konsequenzen ihrer Politik, die darin bestand, die verhasste und diskreditierte Labour Party zu unterstützen.

Das Vereinigte Königreich wird jetzt von einer extrem rechten Regierung der Konservativen unter Boris Johnson geführt, die am 31. Januar aus der Europäischen Union (EU) austreten will, um die „Thatcher-Revolution“ zu vollenden.

Johnson wird im Bündnis mit der Trump-Regierung die Handels- und Kriegspolitik vorantreiben – auf Kosten von Jobs, Löhnen und Arbeitsbedingungen. Er plant, das öffentliche Gesundheitssystem NHS zu zerschlagen, wird Nationalismus schüren, die Antiflüchtlingspolitik verschärfen und einen Frontalangriff auf demokratische Rechte anführen.

Bei all den Lügen und dem Schmutz, den die Medien während dieser Wahlen von sich gaben, war eines korrekt: Corbyn ist bei vielen unbeliebt.

Er ist unbeliebt, weil er in den vier Jahren, seit er mit großer Mehrheit den Vorsitz der Labour-Partei gewann, das Vertrauen seiner Wähler voll und ganz gebrochen hat. Schwach, kraftlos, faul und ohne jeden Kampfeswillen verkörperte Corbyn nichts als Feigheit und Kapitulation.

Corbyn wandte sich gegen Bemühungen, die Blair-Anhänger auszuschließen, ermöglichte eine freie Abstimmung über die Bombardierung Syriens, versprach das Atomwaffenprogramm Trident zu erneuern, unterstützte die Nato-Ausgaben und erklärte, dass er den Einsatz von Atomwaffen in Betracht ziehen würde. Seine Hauptunterstützer wurden unter dem falschen Vorwand des Antisemitismus aus der Partei gejagt, ohne dass Corbyn auch nur einen Finger gerührt hat, um sie zu verteidigen.

Doch Corbyns Persönlichkeit ist nur Ausdruck seiner bankrotten Politik. Während seiner gesamten politischen Karriere, die auf einem Bündnis mit den Stalinisten der Zeitung Morning Star fußte, war er immer darauf bedacht, sich von den größten Verbrechen der Labour-Partei wie den Irakkrieg von 2003 zu distanzieren, ohne dabei seine Position in Westminster zu gefährden.

Im Debakel von Labour entlarvt sich jene Form von Politik, die den revolutionären Charakter der Arbeiterklasse leugnet.

Unter Corbyn hat die Labour-Partei jede Orientierung auf Klassenfragen zugunsten von Identitätspolitik rund um Hautfarbe, Nationalität, Ethnizität, Gender oder sexueller Orientierung aufgegeben.

Chantal Mouffe, die Ideologin dieser kleinbürgerlichen Linken, bezeichnete Corbyn als möglicherweise erfolgreichstes Beispiel einer neuen Welle des „linken Populismus“, weil er „an der Spitze einer großen Partei steht und die Unterstützung der Gewerkschaften genießt“. Das Ergebnis hänge davon ab, ob er die „traditionelle linke Grenze“, die „auf Basis von Klassen“ aufgebaut war, zurückweist.

Diejenigen, die jetzt über Corbyns Niederlage jammern, mussten erkennen, dass ihr Irrglaube und Wunschdenken nicht von der breiten Masse der Bevölkerung geteilt wurden, die sich nicht von Corbyn täuschen ließ.

Hätte Corbyn gewonnen, wäre er in den Buckingham Palace gegangen, hätte der Queen die Hand geküsst und dann ein Kabinett verkündet, das von der Labour-Rechten dominiert worden wäre. Das ist die tragische Wahrheit. Führende Anhänger Tony Blairs, wenn nicht der frühere Premier selbst, hätten einen Platz in der Downing Street 10 bekommen.

Corbyns Verrat wäre sogar noch erbärmlicher gewesen als der von Syriza, der „radikalen Linken“ in Griechenland, die – einmal an der Regierung – das Land in einen Vasallen des IWF und der EU, ein abstoßendes Gefängnis für Flüchtlinge und einen Polizeistaat verwandelt hat.

Es hätte nicht mal einen Hauch von Sozialreformen unter Corbyns Regierung gegeben. Der einzige Unterschied zur jetzigen Regierung wäre gewesen, dass Labour im Einklang mit den Erfordernissen der Identitätspolitik einige Zugeständnisse in Fragen von Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht und sexueller Orientierung gemacht hätte.

Corbyns Debakel entlarvt nicht nur die Labour Party, sondern die gesamte Perspektive des „parlamentarischen Wegs zum Sozialismus“. Die großen Fragen wie Krieg, Armut und soziale Ungleichheit werden nicht durch clevere Wahlkampagnen gelöst.

Die Lösung der großen sozialen Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, setzt die breite Mobilisierung der Arbeiterklasse und die Verschärfung des Klassenkampfs auf globaler Ebene voraus.

Nur eine Bewegung, die sich mit diesem Kampf identifiziert, die üble nationalistische Debatte über den Brexit durchbricht und für ein Programm der internationalen Einheit des Proletariats kämpft, kann das Vertrauen der Arbeiterklasse gewinnen und sie im Kampf für den Sozialismus anführen.

Das ist die Perspektive des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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