Europäische Militärmission bedroht Iran und Syrien

Am Dienstag verließ der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ die Hafenstadt Toulon. Zuvor hatte Präsident Emmanuel Macron am 16. Januar in einer Ansprache an die Streitkräfte angekündigt, das Schiff werde sich in den nächsten drei Monaten an der Operation Chammal beteiligen, d.h. an den Luftangriffen auf Ziele des Islamischen Staates (IS) unter Führung der USA. Nur drei Wochen zuvor hatte Washington den zweithöchsten Amtsträger des iranischen Regimes, General Qassim Soleimani, im Irak ermordet. Mit der Entsendung der „Charles de Gaulle“ weiten Frankreich und die europäischen Mächte ihre Militärintervention im Nahen Osten und dem Mittelmeer aus.

Paris kündigte außerdem eine europäische Marineüberwachungsmission in der strategisch wichtigen Straße von Hormus vor der iranischen Küste an. Daran werden auch deutsche, belgische, niederländische, spanische, portugiesische und griechische Kriegsschiffe beteiligt sein. Das französische Außenministerium erklärte in einer Stellungnahme, Paris werde den Flugzeugträger und seine Rafale-Kampfjets, die mit thermonuklearen Bomben ausgerüstet werden können, vor dem Hintergrund der extrem hohen Kriegsgefahr in der Region einsetzen.

In der Stellungnahme hieß es: „Die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten sind äußerst beunruhigend, da sie Spannungen schüren und die Gefahr eines potenziell umfassenden Kriegs erhöhen. Die Mission wird das Völkerrecht und vor allem das UN-Seerechtsübereinkommen vollständig respektieren. Durch den Einsatz zusätzlicher Marineüberwachungsfähigkeiten im Persischen Golf und dem Arabischen Meer wird sie konkrete Kenntnisse liefern und die Situation auf See überwachen.“

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly erklärte im Interview mit dem Radiosender Europe1, solche Missionen würden „Druck auf den Iran ausüben. ... Frankreich hat klar gemacht, dass es zur Deeskalation in einer Region beitragen will, die von sehr scharfen Spannungen erschüttert wird.“ Parly behauptete: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es keine weitere Eskalation gibt, oder sie jedenfalls scheinbar aufgehört hat.“ Sie erklärte weiter, der Einsatz eines französischen Flugzeugträgers sei ein „Gegengewicht zur Strategie der USA, maximalen Druck auf den Iran auszuüben.“

Doch unabhängig davon, was Parly behauptet, steht dieser Marineeinsatz beispielhaft dafür, wie sich Europa im Gefolge Washingtons an der Eskalations- und Kriegsspirale im Nahen Osten beteiligt. Die imperialistischen Nato-Mächte versuchen, ihren jeweiligen Anteil an den Profiten aus der Plünderung der Region zu erhöhen. Vor allem Washington sieht den Iran als Hindernis für seine militärische Vorherrschaft über die Region. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Teheran nach 30 Jahren imperialistischer Kriege, die mit dem Nato-Krieg gegen den Irak 1991 begannen, seine Beziehungen mit Russland und China ausbaut.

Die „Charles de Gaulle“ ist auf dem Weg in den Nahen Osten, wo die Spannungen nach der Ermordung Soleimanis durch eine US-Drohne am 3. Januar in Bagdad einen explosiven Punkt erreicht haben. Diese Entwicklung kann für die Arbeiter in Frankreich und der ganzen Welt schwere Folgen haben. Nur ein paar falsche Entscheidungen könnten einen militärischen Zwischenfall auslösen, der die Region oder sogar die ganze Welt in einen umfassenden Krieg stürzt.

Ein wichtiger Grund für die Rücksichtslosigkeit, mit der die USA und die europäischen Mächte ihre Kriegsvorbereitungen verfolgen, besteht in den Plänen der herrschenden Klasse, das weltweite Aufleben des Klassenkampfs durch militärische Spannungen abzuwürgen. Im Jahr 2019 kam es zu Streiks und Protesten amerikanischer Autoarbeiter und Lehrer, von Arbeitern in mehreren europäischen Ländern und zu Massenprotesten im Irak, im Libanon und dem gesamten Nahen Osten. Macron ist seit mehr als einem Jahr mit den Massenprotesten der „Gelbwesten“ konfrontiert, die außerhalb der Kontrolle der Gewerkschaftsbürokratien organisiert wurden.

Macrons allgemein verhasste Rentenkürzungen haben breite Teile der Arbeiterklasse in den Kampf gegen seine Regierung getrieben und zum längsten Streik in Frankreich seit dem Generalstreik vom Mai 1968 geführt.

Bevor der französische Flugzeugträger den Nahen Osten erreichen wird, soll Premierminister Edouard Philippe in einem beispiellosen Schritt an Bord gehen, um persönlich die Starts von Rafale- und Hawkeye-Kampfflugzeugen zu verfolgen. Philippe und Parly reisten am Mittwochnachmittag nach Lyon zum Luftwaffenstützpunkt 942 Lyon-Mont Verdun, einem zentralen Standort des Führungsstabs der französischen nationalen Luftabwehr. Im dortigen nationalen Zentrum für Luftoperationen beobachteten sie Übungen für Luftüberlegenheit.

Obwohl Philippe laut Verfassung für Sozialpolitik im Inland und nicht für Militärpolitik zuständig ist, macht Macron ihn zum Botschafter der Nation und schickt ihn zu Militärinterventionen in den Nahen Osten. Der Iran ist indessen nicht das einzige Land im Visier der europäischen Koalition, deren Kriegsschiffe die „Charles de Gaulle“ eskortieren. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Türkei und ihre Verhandlungen mit der libyschen Übergangsregierung (GNA). Paris will im Gegensatz dazu Beziehungen mit Zypern, Griechenland und Ägypten entwickeln.

Die Website OpEx360, die über das französische Militär berichtet, schreibt: „Nikosia, Athen und Kairo beklagen sich lautstark über das Abkommen über die Seegrenzen zwischen Ankara und der GNA. Dieses Abkommen ermöglicht es der Türkei, ihren Festlandsockel auszuweiten und die Gaspipeline EastMed zu behindern. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian verurteilte im Oktober im Parlament die ,illegalen‘ Bohrungen der Türkei in zypriotischen Gewässern und warnte: ,Wir haben beschlossen, ein Sanktionsregime vorzubereiten, falls die Türkei diese Operationen fortsetzt. Wir planen eine Militärpräsenz in dieser Zone.‘“

Die WSWS erklärte nach Soleimanis Ermordung: „Niemand sollte den Fehler machen, die Folgen eines Krieges mit dem Iran zu unterschätzen. Die Entwicklung des Konflikts wird rasch globale Dimensionen annehmen. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die Logik des Konflikts – der die lebenswichtigen Interessen unzähliger Staaten auf der riesigen eurasischen Landmasse berührt – zahlreiche Länder in den Strudel des Krieges zieht.“

Drei Jahrzehnte nach der Auflösung der Sowjetunion durch das stalinistische Regime birgt die unablässige Ausweitung imperialistischer Kriege immense Gefahren. Die Großmachtkonflikte, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die treibende Kraft hinter den Versuchen des Pentagons waren, die Herrschaft über Eurasien zu erlangen, und zu den Kriegen im Irak, Jugoslawien, Afghanistan, Syrien und der Ukraine geführt haben, treten heute offen zutage. Wie in den Jahren 1914 und 1939 bereiten sich Washington, Moskau und andere große Hauptstädte auf einen Weltkrieg vor.

Während des amerikanischen „Pivot to Asia“ – dem Versuch der USA, ihre weltweite Hegemonie durch eine politische und militärische Isolierung Chinas zu verteidigen – drohte Frankreich ebenfalls mit der Entsendung der „Charles de Gaulle“ ins Südchinesische Meer. Damals wiederholte Frankreich die Behauptungen der USA, mit diesen Operationen solle die „Freiheit der Seefahrt“ verteidigt werden. Paris hat außerdem Abkommen mit Indien geschlossen, einem wichtigen Rivalen Chinas in Asien, u.a. über die Stationierung von französischen Truppen in Indien.

Als Macron die Entsendung der „Charles de Gaulle“ in den Nahen Osten ankündigte, erklärte er auch, sie werde im Laufe des Jahres in den Nordatlantik und die Nordsee geschickt werden und an Marineübungen teilnehmen, die sich gegen Russland richten. OpEx360 berichtete über eine Studie des Generaldirektorats für internationale Beziehungen des französischen Verteidigungsministeriums, in der es heißt: „Die derzeitigen Sicherheitsfragen ... sind mit den strategischen Interessen Frankreichs verbunden. Deshalb hat Frankreich die Operation Lynx unter Nato-Kontrolle in den baltischen Staaten gestellt.“

Angesichts der wachsenden geopolitischen und sozialen Krisen, für welche die Kapitalistenklasse keine fortschrittliche Lösungen hat, drängen Macron und die europäischen Mächte auf einen Krieg. Sie versuchen nicht nur, die Arbeiter mit Nationalismus und Militarismus zu demoralisieren, sondern auch den Aufbau eines Militär- und Polizeistaats zu legitimieren, der in der Lage ist, die Arbeiter im Inland gewaltsam zu unterdrücken. Diese Bedrohungen und die Gefahr, dass die imperialistischen Mächte einen regionalen oder weltweiten Krieg heraufbeschwören könnten, verdeutlicht die Notwendigkeit für die Arbeiter, sich in ihren Kämpfen auf den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse zu orientieren.

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