„Combat 18“: Verbot mit Vorwarnung

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Donnerstag die rechtsextreme Gruppe „Combat 18 Deutschland“ verboten. Sie sei „eine neonazistische, rassistische und fremdenfeindliche Vereinigung, die in ihrer Zweckrichtung eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ aufweise, begründete Seehofer seine Entscheidung. „Das heutige Verbot ist eine klare Botschaft: Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz.“

Die Hintergründe und Umstände des Verbots beweisen allerdings das Gegenteil. „Combat 18“ ist eine gewalttätige Neonazi-Gruppe, deren internationalen Verbindungen, kriminellen Führungsfiguren und Verknüpfungen mit der rechtsextremen Terrorszene seit langem öffentlich bekannt sind. Trotzdem hat das Innenministerium sie gewähren lassen. Wurde sie im Verfassungsschutzbericht 2017 noch erwähnt – und verharmlost –, tauchte sie im Verfassungsbericht 2018 überhaupt nicht mehr auf.

Als der öffentliche Druck für ein Verbot stieg, warnte Seehofer die Gruppe, so dass sie Beweismittel vernichten und V-Leute von Polizei und Geheimdiensten abtauchen konnten. Bereits vor sechs Monaten, Ende Juni vergangenen Jahres, hatte der Innenminister öffentlich angekündigt, „Combat 18“ verbieten zu wollen. „Politische Ansagen dieser Art im Vorfeld eines Vereinsverbots sind ungewöhnlich und letztlich kontraproduktiv,“, kommentiert dies jetzt die Tagesschau. „Denn die Betroffenen werden dadurch vorgewarnt.“

Die Internetpattform EXIF, die über die rechte und neofaschistische Szene recherchiert, hat sich noch deutlicher geäußert. Die konsequente Verharmlosung der Neonazi-Organisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz deute „darauf hin, dass ‚Combat 18‘ Deutschland bis in die höchste Ebene mit Spitzeln der Geheimdienste und/oder Polizeibehörden durchsetzt ist“, warnte sie im vergangenen Sommer. Nach jahrelanger Beobachtung dieser Gruppe dränge sich der Verdacht auf, dass sie ein „Honeypot“ sei, „den Geheimdienste und/oder Polizei installiert haben, um Militante anzulocken, deren internationale Vernetzung auszuspähen und deren Aktivitäten in gewünschte Bahnen zu lenken“.

„Combat 18“ war Anfang der 1990er Jahre als Saalschutz der rechtsextremen British National Party entstanden, entwickelte sich dann zum bewaffneten Arm der Gruppe „Blood and Honour“ und dehnte sich rasch auf andere Länder aus. Die Zahl 18 im Namen leitet sich aus dem ersten und achten Buchstaben des Alphabets, den Initialen Adolf Hitlers ab. 1999 fielen in London sechs Menschen Bombenanschlägen auf Migranten und Homosexuelle zum Opfer, für die die Gruppe verantwortlich gemacht wurde. 180 wurden verletzt.

Im Jahr 2000 wurde „Blood and Honour“ in Deutschland verboten. Das Verbot erstreckte sich aber nicht auf „Combat 18“. Das änderte sich auch nicht, als die Polizei in Schleswig-Holstein wegen Verdachts auf Bildung einer politisch motivierten kriminellen Vereinigung, auf räuberische Erpressung sowie auf Waffenhandel und Versand von verbotenen Neonazi-CDs 50 Wohnungen und Treffpunkte der Gruppe durchsuchte und fünf ihrer Führer verhaftete. Die Neonazi-Gruppe „Combat 18 – Pinneberg“, gegen die sich die Razzia richtete, hatte unter anderem dem Elmshorner IG Metall-Chef Uwe Zabel öffentlich mit Mord gedroht, weil er eine antifaschistische Initiative gegründet hatte.

Spätestens seit dem Münchner NSU-Prozess ist bekannt, dass das NSU-Trio, das zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete, logistische und finanzielle Unterstützung aus den Reihen von „Blood and Honor“ erhielt. Im Prozess brachten Opferanwälte auch immer wieder die Rolle von „Combat 18“ auf, wurden aber abgeblockt.

„Combat 18“ formierte sich neu, nachdem der NSU Ende 2011 aufflog. Seither hat die Gruppe eine Schlüsselrolle in der Neonazi-Szene gespielt, zahlreiche Rockkonzerte organisiert, zu denen Neonazis aus ganz Europa anreisten, Ordnerdienste auf Veranstaltungen der rechtsextremen Parteien NPD und Die Rechte geleistet und Verbindungen zu anderen Neonazi-Gruppen angeknüpft.

Eine Schlüsselfigur war dabei laut der Rechercheplattform EXIF Thorsten Heise, der stellvertretende Vorsitzende der NPD. Es sei „offensichtlich“, so EXIF, „dass seine Strukturen seit Jahren von Polizei und Geheimdiensten vor Verfolgung geschützt werden. Die einzig schlüssigen Erklärungen hierfür sind, dass um Heise ein engmaschiges Netz von V-Leuten ausgelegt ist und die Behörden glauben, darüber seine Aktivitäten zu überwachen und steuern zu können – oder dass Heise selbst ein Spitzel in staatlichen Diensten ist.“

Auch Heise hatte Verbindungen zum NSU. 2007 wurden bei einer Durchsuchung von Heises Haus Aufzeichnungen eines mehrstündigen Gesprächs mit dem Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ Tino Brandt gefunden. Brandt, selbst Informant des Verfassungsschutzes, berichtete darin, wie die rechte Szene Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt mit den Einnahmen aus „Solidaritätskonzerten“ unterstützte. Offiziell war zu diesem Zeitpunkt den Behörden die Existenz des NSU noch gar nicht bekannt!

Als im April 2018 zwei Journalisten Heises Anwesen filmten, wurden sie von dessen Sohn und einem Neonazi mit Messer, Baseballschläger und Schraubenschlüssel angegriffen. Obwohl sie Anzeige wegen Mordversuchs erstatten, geschah nichts. Das Göttinger Tageblatt bemerkte damals: „Selten hat ein Fisch so vom Kopf gestunken, und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass das LKA die Ermittlungen nur übernommen hat, um die Täter zu schützen.“

Die beiden bekanntesten Führungsfiguren von „Combat 18“, die jetzt vom Verbot betroffen sind, Stanley Röske (43) aus der Nähe von Kassel und der Neonazi Robin Schmiemann (35) aus Dortmund, sind den Behörden seit langem bekannt.

„Röske wurde in der Szene wegen seiner Gewaltbereitschaft gefürchtet“, berichtet Spiegel Online. „Die Liste seiner Kontakte im rechtsextremen Milieu ist lang, ebenso wie die seiner Straftaten: Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Verstoß gegen das Waffengesetz.“ Im Herbst 2017 wurde Röske von einer Spezialeinheit der GSG9 aufgehalten, als er mit anderen „Combat 18“-Mitgliedern vom Schießtraining in Tschechien zurückkehrte, erhielt aber nur eine Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Röske bewegte sich Anfang der 2000er Jahre in derselben Neonazi-Szene wie der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan Ernst. Es gibt Fotos, die die beiden zusammen bei einem Neonazi-Aufmarsch in Kassel zeigen. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung waren auf der Feier zum 30. Geburtstag Röskes, die 2006 im Kasseler Clubhaus des Rockerclubs „Bandidos“ stattfand, Stephan Ernst sowie die NSU-Mörder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und „wahrscheinlich auch Beate Zschäpe“ anwesend. Wenige Tage danach wurde das neunte NSU-Opfer, Halit Yozgat, in Kassel ermordet.

Auch Robin Schmiemann gilt als gewaltbereit. Bei einem Überfall auf einen Supermarkt schoss er einen Tunesier an und saß deshalb lange im Gefängnis. Dort pflegte er eine enge Brieffreundschaft mit Beate Zschäpe vom NSU, die in München auf ihren Prozess wartete.

Es war vor allem der Umstand, dass sich die engen Verbindungen zwischen der militanten Neonazi-Szene, dem NSU und dem Verfassungsschutz nach dem Lübcke-Mord nicht mehr so leicht vertuschen ließen, der Seehofer bewogen hat, nun gegen „Combat 18“ vorzugehen. Mehrere Landesinnenminister hatten seit Monaten darauf gedrängt, die Organisation aufzulösen.

Man kann aber sicher sein, das die Vertuschung weiter gehen wird. Ein 230 Seiten langer Bericht des hessischen Verfassungsschutzes über die rechtsterroristische Szene, der Aufklärung über die Hintergründe des Lübcke-Mords geben könnte, bleibt auf Geheiß des früheren hessischen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) unter Verschluss.

Es ist auch beunruhigend, dass das Innenministerium das Verbot von „Combat 18“ nicht mit den kriminellen Aktivitäten der Gruppe, sondern mit ihrer rechtsextremen Gesinnung begründet. Erfahrungsgemäß dient das als Vorwand, um als nächstes angeblich „linksextreme“ Organisationen wegen ihrer Gesinnung zu verbieten.

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