FBI und Justizministerium verweigern SEP-Vorsitzendem David North Auskunft nach dem Freedom of Information Act

Der US-Inlandsgeheimdienst Federal Bureau of Investigation (FBI) verweigert David North jede Auskunft über seine Überwachung. North ist nationaler Vorsitzender der Socialist Equality Party (US) und leitet die internationale Redaktion der World Socialist Web Site. Gestützt auf den Freedom of Information Act (FOIA) beantragte er Zugang zu allen Aufzeichnungen des FBI und verwandter Geheimdienste über seine fast 50-jährigen Aktivitäten in der sozialistischen Bewegung.

Mit einer Verzögerung von nahezu neun Monaten, d. h. unter Verletzung mehrerer gesetzlicher Fristen, teilte das US-Justizministerium North mit, dass sein FOIA-Antrag abgelehnt wurde. Aus Gründen der nationalen Sicherheit und geheimdienstlicher Operationen im Ausland, hieß es, würden die Behörden die Existenz von Aufzeichnungen über seine Überwachung und über rechtswidrige Behinderungen seiner politischen Aktivitäten weder bestätigen noch bestreiten.

David North bei einem Vortrag über die Gefahr des Faschismus an der Wayne State University im April 2019

In dem Schreiben vom 15. Februar 2019, mit dem Norths Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt wird, erklärt das Justizministerium:

Die Art Ihrer Anfrage impliziert, dass das FBI im Rahmen seiner Aufgaben auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit und geheimdienstlicher Operationen im Ausland Aufzeichnungen ggf. führt oder nicht führt. Dementsprechend kann das FBI die Existenz von Aufzeichnungen über Ihre Person weder bestätigen noch bestreiten, da allein die Auskunft darüber, ob es solche Aufzeichnungen gibt oder nicht, bereits eine Beschädigung der nationalen Sicherheitsinteressen nach sich ziehen würde. ... Mit dieser Antwort wird weder bestätigt noch bestritten, dass der Name Ihrer Person auf einer Beobachtungsliste steht.

Die Antwort, dass ein Sachverhalt weder bestätigt noch bestritten wird, gibt das FBI nur in äußerst heiklen Fällen. Im Haushaltsjahr 2018 beispielsweise reagierten die Behörden auf nur drei Prozent aller FOIA-Anfragen mit einer solchen „Glomar Response“, wie sie juristisch bezeichnet wird.

Das FBI brauchte 270 Tage, um auf Norths FOIA-Anfrage vom Mai 2018 zu reagieren. Eigentlich sind die Behörden nach dem Freedom of Information Act verpflichtet, innerhalb von 20 Tagen entweder zu antworten oder dem Antragsteller mitzuteilen, dass sich infolge „außergewöhnlicher Umstände“ eine weitere Verzögerung von zehn Tagen ergibt. Im Durchschnitt beantwortet das FBI „einfache“ Anfragen binnen neun Tagen und „komplexe“ Anfragen binnen 121 Tagen.

Der Wortlaut des Gesetzes besagt, dass ein „außergewöhnlicher Umstand“ eine Verzögerung nur dann rechtfertigt, wenn (1) die fraglichen Aufzeichnungen auf mehrere „Außenstellen“ verteilt sind, (2) es „eine umfangreiche Menge separater und unterschiedlicher Aufzeichnungen gibt, die in einem einzigen Antrag angefordert werden“, oder (3) wenn beim FBI „Konsultationsbedarf ... mit einer anderen Behörde besteht, die ein erhebliches Interesse an der Entscheidung über den Antrag hat“.

Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Behörden im Falle der Ablehnung eines Antrags „die Namen und Titel oder Positionen jeder dafür verantwortlichen Person angeben“. Im Falle von Norths Antrag hat das FBI weder erklärt, welche „außergewöhnlichen Umstände“ die verzögerte Bearbeitung rechtfertigten, noch die verantwortlichen Geheimdienstmitarbeiter namentlich aufgeführt.

Norths Anwälte reichten am 15. April 2019 Widerspruch gegen die Ablehnung des Auskunftsersuchens ein. Sie schrieben:

Mr. North nimmt seit 48 Jahren sein von der Verfassung geschütztes Recht auf Aktivitäten in der sozialistischen Bewegung wahr. Seit 1976 führt Mr. North die amerikanische trotzkistische Bewegung, er war von 1976 bis 2008 Nationaler Sekretär der Workers League und ist seit 2008 Nationaler Vorsitzender der Socialist Equality Party. Seit der Gründung der World Socialist Web Site im Jahr 1998 leitet er deren internationale Redaktion.

Weiter heißt es im Widerspruchsschreiben:

Im Laufe seiner langen politischen Laufbahn hat Mr. North mehrere tausend veröffentlichte Artikel verfasst und redigiert und Hunderte von Vorträgen an großen Universitäten in den USA und anderen Ländern gehalten. Er ist Autor mehrerer Bücher und wird weltweit als bedeutender sozialistischer Theoretiker und Autorität für die Geschichte der Vierten Internationale anerkannt.

Der Widerspruch wurde damit begründet, dass die Antwort des FBI das demokratische Recht von North auf Rede- und Versammlungsfreiheit verletzt:

In seiner Glomar-Antwort maßt sich das FBI das Recht an, Mr. North die Auskunft darüber zu verweigern, ob es ihn überwacht hat oder noch überwacht, seine Telefone abhört, seine Wohnung abhört, seine E-Mails liest, seine Bewegungen verfolgt oder seine Privatsphäre oder seine politischen Reden und Aktivitäten anderweitig überwacht oder behindert. Die Behörde weigert sich, Mr. North mitzuteilen, ob er auf einer geheimen Beobachtungsliste steht. Sie verweigert in ihrer Antwort jede Auskunft darüber, anhand welcher Kriterien er unter Beobachtung gestellt oder auf eine Liste gesetzt worden wäre, und sie erklärt auch nicht die ggf. damit verbundenen Folgen.

Weiter wurde in dem Widerspruchsschreiben argumentiert:

Durch die Weigerung, die Existenz von Aufzeichnungen zu bestätigen oder zu bestreiten, stellen Sie mit Ihrer Antwort Mr. North außerhalb des Gesetzes und in ein verfassungsmäßiges „Niemandsland“, in dem nicht festgestellt werden kann, ob ihm die demokratischen Rechte und Schutzmaßnahmen, die amerikanischen Bürgern gesetzlich zustehen, gewährt werden und ob sie rechtlich uneingeschränkt ausgeschöpft werden können. Die Argumentation der Behörde weist eine verstörende Ähnlichkeit mit faschistischen Rechtstheorien auf. Sie erinnert beispielsweise an den „Ausnahmezustand“ des Nazi-Juristen Carl Schmitt und an den Rechtsbegriff des Homo sacer, laut dem der Staat bestimmte Menschen mitsamt ihrem Recht auf Leben außerhalb des Schutzes des Gesetzes stellen kann. Aus diesen Rechtsverstößen ergeben sich im aktuellen Kontext von Drohnenmorden und „Disposition Matrices“ [offizielle Todeslisten] alarmierende Konsequenzen.

Das für FOIA-Anfragen zuständige Amt des Justizministeriums, das Office of Information Policy, hat Norths Anwälten inzwischen mitgeteilt, dass der Widerspruch abgewiesen wurde.

Dazu erklärte North gegenüber der World Socialist Web Site:

Die US-Regierung hat eine lange Geschichte der illegalen Überwachung und Behinderung der trotzkistischen Bewegung. Die Antwort der Behörden auf meine FOIA-Anfrage lässt keinen Zweifel daran, dass ich überwacht worden bin. Andernfalls wäre es ein Leichtes gewesen, einfach zu bestreiten, dass der Staat solche rechtswidrigen und behindernden Maßnahmen betrieben hat.

In wahrhaft kafkaesker Sprache erklären die Behörden, sie könnten weder bestätigen noch bestreiten, dass sie meine Aktivitäten ausspioniert haben. Aber diese Aktivitäten bestanden über fünf Jahrzehnte hinweg darin, über die marxistische Theorie und das Programm der trotzkistischen Vierten Internationale zu reden und zu schreiben. Die Tatsache, dass der Staat meine verfassungsrechtlich geschützten Aktivitäten als eine so große Bedrohung der nationalen Sicherheit betrachtet, dass er die Existenz von Überwachungsunterlagen weder bestätigen noch bestreiten kann, zeugt von seiner Angst vor dem Sozialismus und insbesondere vor den Ideen, die auf dem politischen Erbe von Leo Trotzki beruhen.

Die Ablehnung meines FOIA-Antrags muss im Zusammenhang mit der jüngsten Entscheidung der deutschen Regierung gesehen werden, meine Gesinnungsgenossen von der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) allein deshalb, weil sie ein sozialistisches Programm vertreten, auf die Liste der vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen zu setzen. Diese Maßnahme wird vom Innenministerium u. a. ausdrücklich damit begründet, dass die SGP meine Schriften in deutscher Sprache herausgebracht hat. Die Entscheidung wirft auch ein neues Licht auf die Bemühungen von Google und Facebook, den Zugang zur World Socialist Web Site zu blockieren.

Ich betrachte das Vorgehen des Staats nicht als persönliche Angelegenheit. Die Reaktion des FBI und des US-Justizministeriums findet in einem reaktionären politischen Klima statt, in dem die politische Elite sowohl der Republikanischen als auch der Demokratischen Partei beispiellose Angriffe auf demokratische Rechte unterstützt, von der Errichtung von Konzentrationslagern für Immigranten und dem Einsatz der Armee aus Gründen des „nationalen Notstands“ bis hin zur Verfolgung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange und der Whistleblowerin Chelsea Manning.

North und sein Anwalt Daniel Kornstein von der Kanzlei Emery Celli Brinckerhoff & Abady prüfen, auf welchen rechtlichen Grundlagen eine weitere Anfechtung des Vorgehens des Justizministeriums vor einem Bundesgericht möglich wäre.

„Möglicherweise kann die Ablehnung meines FOIA-Antrags mit juristischen Mitteln angefochten werden“, so North gegenüber der WSWS. „Aber der Erfolg eines Vorgehens vor Gericht ist der Entwicklung einer Massenbewegung von Arbeitern und Jugendlichen gegen die zunehmenden Angriffe auf demokratische Rechte innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten untergeordnet und hängt völlig davon ab.“

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