Brasilianische Lehrkräfte rufen zum Streik gegen die mörderische Schulöffnung auf

Die Bestrebungen der herrschenden Elite Brasiliens, trotz der katastrophalen Ausbreitung der Corona-Pandemie den Schulbetrieb wieder aufzunehmen, stoßen auf wachsenden Widerstand der Beschäftigten im Bildungswesen. Am Donnerstag stimmten die Lehrkräfte im nordostbrasilianischen Bundesstaat Pernambuco mit großer Mehrheit für einen Streik gegen die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts.

Lehrerstreik gegen Hungerlöhne in Recife, der Hauptstadt des Bundesstaats Pernambuco, im März 2020 [Quelle: Facebook]

In Brasilien gibt es bisher fast 4,7 Millionen Fälle von Covid-19 und mehr als 140.000 Todesopfer. Die Zahl der Infizierten steigt täglich um etwa 30.000 an.

Anfang letzter Woche kündigte die Koalitionsregierung aus Sozialistischer Partei Brasiliens (PSB) und maoistischer Kommunistischer Partei Brasiliens (PCdoB) in Pernambuco plötzlich die Wiederaufnahme des Schulunterrichts im Bundesstaat ab nächster Woche an. Wütend über diese Entscheidung nahmen etwa 2.000 Lehrkräfte an einem Online-Treffen der Lehrergewerkschaft von Pernambuco (SINTEPE) teil, und 94 Prozent stimmten für einen Streik.

In den sozialen Medien zeigten sich Arbeiter begeistert über die Entscheidung für den Streik. Einer von ihnen erklärte: „Die Stimme, die auf diesem Treffen zu hören war, war historisch und größer als jede Mitteilung oder Ankündigung von Regierungsmitgliedern. Angesichts der heutigen Teilnahme aller Lehrkräfte ist leicht zu sehen, dass wir eine überwältigende Mehrheit haben, und es ist eine Tatsache, dass die Lehrer zum Präsenzunterricht NEIN sagen!“

SINTEPE bereitet jedoch bereits eine Einigung mit der Regierung vor und deutet an, dass es einen Verrat am Streik plant. Der Präsident der Gewerkschaft, Fernando Melo, erklärte, die Unzufriedenheit der Arbeiter gehe darauf zurück, „wie die Ankündigung der Rückkehr erfolgt ist“ und auf die als unsicher „empfundenen“ Bedingungen in den Schulen. Er erklärte weiter, die Umsetzung des Streiks wird von einem Treffen zwischen der Gewerkschaft und der Regierung abhängen, die für nächsten Montag geplant ist. Danach soll eine neue Abstimmung erfolgen.

Die Schulöffnung, die die Regierung aus PSB und PCdoB in Pernambuco genehmigt hat, liegt nicht nur mit der mörderischen Politik auf einer Linie, die der faschistische brasilianische Präsident Jair Bolsonaro propagiert hat, sondern auch mit dem Kurs ihrer politischen Partner in den nordöstlichen Bundesstaaten wie Flávio Dino von der maoistischen PCdoB, dem Gouverneur von Maranhão, oder Camilo Santana von der Arbeiterpartei (PT), dem Gouverneur von Ceará. Diese haben bereits die Wiedereröffnung eines Teils der Schulen genehmigt. In Maranhão wurden mindestens sieben Privatschulen wegen Covid-19-Fällen geschlossen, nachdem Flávio Dino durch ein Dekret ihre Öffnung bewilligt hatte.

Der Kampf der Lehrkräfte in Pernambuco hingegen reiht sich ein in andere Streikentscheidungen von brasilianischen Lehrkräften in den Bundesstaaten Paraná und Amazonas sowie der zivilen Lehrkräfte der Militärschule in Rio de Janeiro, die letzte Woche deren Wiedereröffnung verhindert haben.

In Manaus, der Hauptstadt von Amazonas, mussten Lehrer auf Anweisung der Gewerkschaft SINTEAM wochenlang in todbringenden Klassenzimmern bleiben. Obwohl an Dutzenden von Schulen Fälle von Covid-19 gemeldet wurden, riefen sie erst nach Wochen zu einer Urabstimmung auf, auf der für einen Streik gestimmt wurde. Doch nur wenige Tage nach Beginn des Streiks brach SINTEAM ihn ab und behauptete, die Regierung sei berechtigt, den Streikenden das Gehalt zu kürzen, und die Gerichte könnten eine Geldstrafe gegen die Gewerkschaft verhängen.

Nach dem Verrat der Gewerkschaft kündigte der Gouverneur von Amazonas, Wilson Lima von der Christlich-Sozialen Partei (PSC), letzte Woche trotz gestiegener Infektionszahlen und Krankenhauseinweisungen die Ausweitung der Schulöffnungen an. Für diese Situation machte er verlogenerweise ausschließlich Menschenmengen in Bars verantwortlich, nicht aber die hunderttausenden Schüler in Klassenzimmern.

Als Vorbereitung auf die Wiederöffnung der Schulen kündigte die Regierung von Ratinho Junior von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) am Donnerstag in Paraná an, sie werde den Lehrern Fehlzeiten anrechnen und das Gehalt kürzen, wenn die Schüler nicht über Google Meet an ihrem Onlineunterricht teilnehmen. Die Regierung hat den Schülern und Lehrern weder Computer noch Internet zur Verfügung gestellt. Aus Empörung darüber forderten die Lehrkräfte in den sozialen Medien, der Streik müsse sofort beginnen, statt auf ein Regierungsdekret zur Wiederaufnahme des Unterrichts zu warten.

Am Mittwoch genehmigte die Regierung von Minas Gerais die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in privaten und städtischen Schulen im ganzen Bundesstaat ab dem 5. Oktober. Am gleichen Tag meldete Minas Gerais 133 Todesfälle durch Covid-19 – mehr als dreimal so viele wie am Vortag. In den sozialen Medien verurteilten die Lehrer die Bildungsgewerkschaft Sind-UTE/MG, die eine Urabstimmung verhindert und die Lehrkräfte angewiesen hatte, darauf zu vertrauen, dass die Gerichte die Entscheidung der Regierung abwenden.

Die brasilianischen Lehrkräfte zeigen eine enorme Bereitschaft, Widerstand gegen die mörderische Kampagne zur Wiederöffnung der Schulen zu leisten, und finden in der ganzen Arbeiterklasse breite Unterstützung. Dies ist Teil einer globalen Welle des Widerstands von Lehrkräften und Jugendlichen gegen dieselbe Politik, die die herrschenden Klassen in allen kapitalistischen Ländern durchsetzten.

Um diesen Kampf voranzubringen, ist es jedoch notwendig, gegen die reaktionäre Struktur der Gewerkschaften zu kämpfen, die sich zusammen mit der Regierung gegen die Arbeiter stellen und versuchen, sie lokal zu isolieren und ihre Streiks zu unterdrücken oder in Niederlagen zu führen. Die Arbeiter müssen neue demokratische Organisationen aufbauen, die an die Anforderungen der objektiven Situation angepasst sind: ein Netzwerk von Aktionskomitees der Lehrkräfte in ganz Brasilien und weltweit, das die Vereinigung dieser Streiks ermöglicht. Das Leben von Lehrkräften, Schülern und ihren Familien muss gegen die mörderische Politik verteidigt werden, die im Interesse der kapitalistischen Oligarchie durchgesetzt wird.

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