Zu Trumps Nominierung einer ultrarechten Juristin für das Oberste Gericht

Joe Biden verharmlost Gefahr eines Staatsstreichs

Am Samstag nominierte US-Präsident Donald Trump die ultrarechte Juristin Amy Coney Barrett als Richterin für das Oberste Gericht. Die Stelle war durch den Tod von Ruth Bader Ginsburg frei geworden. Trump verdeutlicht damit seine Absicht, nach der Wahl im November mit Unterstützung des Obersten Gerichtshofs die Macht an sich zu reißen.

Trump beabsichtigt, die Auszählung der Briefwahlstimmen zu blockieren, von denen aller Voraussicht nach eine deutliche Mehrheit an seinen Gegner Joe Biden gehen werden. Zu diesem Zweck will er unter dem Vorwand des möglichen Wahlbetrugs eine Intervention der Bundesgerichte in verschiedenen Bundesstaaten erreichen. Sollten die Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof landen, rechnet er fest mit der rechter Mehrheit von sechs zu drei Richtern (drei Richter haben ihre Position dem Präsidenten zu verdanken). Vorbild ist die berüchtigte Entscheidung im Fall Bush vs. Gore aus dem Jahr 2000, die zu George W. Bushs Einzug ins Weiße Haus führte.

Trump plant offenkundig einen Staatsstreich, der unweigerlich Massenproteste auslösen wird. In diesem Fall wird der Präsident die Polizei sowie paramilitärische Bundeseinheiten mobilisieren, um mit Unterstützung der US Armee und der Marines die „Ordnung“ in den Straßen des Landes wiederherzustellen. Auf dieser autoritären Basis will er ein faschistisches, arbeiterfeindliches Regime errichten, das weitreichende Angriffe auf demokratische Rechte, Sozialleistungen, Arbeitsplätze und Lebensstandards durchführen wird.

Joe Biden und die Demokraten reagieren auf die unmittelbar drohende Diktaturgefahr, indem sie Trumps Drohungen als heiße Luft abtun, die die amerikanische Bevölkerung einfach ignorieren sollte.

Joe Biden, Demokratischer Präsidentschaftskandidat, in einem gewerkschaftlichen Ausbildungszentrum, Hermantown (Minnesota), 18. September [AP Photo/Carolyn Kaster]

Ein Interview mit Stephanie Ruhle von MSNBC ist bemerkenswert. Biden strotzt darin vor Selbstgefälligkeit. Er tut Trumps Äußerungen, eine friedliche Machtübergabe könne er nicht garantieren, als ein „für Trump typisches Ablenkungsmanöver“ ab.

Biden erklärte: „Ich bin zuversichtlich, dass trotz all seiner verantwortungslosen und empörenden Angriffe auf das Wahlsystem, die Wahl in diesem Land wie gehabt stattfinden wird. Und er wird abtreten.“

Darauf folgte ein nervöses Kichern, als würde der ehemalige Vizepräsident diese Zuversicht selbst für unwahrscheinlich und sogar lächerlich halten.

Noch vor drei Monaten behauptete Biden das genaue Gegenteil. In einem Gespräch mit Trevor Noah am 10. Juni hatte er erklärt, es sei seine „größte Befürchtung“, dass Trump versuchen würde, die Wahl zu stehlen. Er erklärte weiter, er verlasse sich darauf, dass das Militär Trump am Tag der Amtseinführung seines Nachfolgers mit Gewalt aus dem Weißen Haus entfernen würde.

Als Ruhle im jüngsten MSNBC-Interview nachfragte, ob Trump aufgrund seiner Macht als Präsident nicht eine Gefahr für die Demokratie sei, antwortete Biden jetzt: „Nun, ich glaube, die Macht des Oval Office hängt von den Verantwortlichen ab, die das umsetzen, was er sagt. Sechs Mitglieder seiner Regierung waren Vier-Sterne-Generäle und Inhaber von wichtigen Positionen im Heimatschutzministerium, etc. Sie sagten bereits: ,Dieser Bursche ist als Präsident nicht geeignet.‘“

Weiter sagte Biden: „Ich glaube nicht, dass er [Trump] das FBI dazu bringt, ihm zu folgen, oder dass er jemand anderen dazu bringt, etwas durchzusetzen, was nicht real ist. Worum ich mir Sorgen mache, ist, dass er eine Reaktion auslöst, die, in welcher Weise auch immer, die Gesellschaft in Unruhe versetzt und irgendeine Art von Gewalt schafft.“

Dieses Gespräch bestätigt, dass die Demokraten in Wirklichkeit nicht die Gefahr fürchten, die von Trump für die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung ausgeht. Sie fürchten vielmehr, dass Trumps Streben nach einer Diktatur die „Gesellschaft in Unruhe versetzt“ und eine massive Rebellion der Arbeiterklasse von unten auslöst.

Ruhle fragte: „Aber wir wissen, dass am 4. November noch nicht alle Stimmen ausgezählt sein werden. Und wenn sie es tatsächlich noch nicht sind, und die Leute unruhig werden und auf die Straße gehen, was würden Sie dann tun?“

Biden antwortete: „Damit befasse ich mich gar nicht, weil ich nicht damit rechne, dass das passieren wird. Was werde ich tun? Wir gehen davon aus, dass selbst ein republikanisch dominierter Oberster Gerichtshof auf angemessene Weise und auf der Grundlage der Gesetze reagieren wird, und dass auch unsere demokratischen und republikanischen Freunde im Kongress reagieren werden.“

Weiter erklärte er: „Das Letzte, was wir brauchen, ist so etwas wie ein Staatstreich. Ich meine, das gibt es bei uns nicht. Niemand wird ihn unterstützen, sollte das passieren – also falls es passiert. Ich glaube, sein ganzes Gerede davon ... soll uns davon ablenken, wie viele Leute an Covid-19 sterben ... Ihm geht es immer um Ablenkung, und ich glaube, das ist alles, was dahintersteckt.“

Dieses Argument ist der bewusste Versuch, die Arbeiterklasse über die große Gefahr zu täuschen, die bei der Wahl in weniger als 40 Tagen droht. Biden mag sein Vertrauen in einen „republikanischen Gerichtshof“ und seine „demokratischen und republikanischen Freunde im Kongress“ setzen, aber keiner dieser Würdenträger wird auch nur einen Finger rühren, um die arbeitende Bevölkerung vor der brutalen Gewalt einer von Faschisten unterstützten Trump-Diktatur zu verteidigen.

Trump hat bisher mehrmals angekündigt, unabhängig von der Wahlentscheidung der amerikanischen Bevölkerung am 3. November an der Macht zu bleiben. Aber kein einziger führender Demokrat hat gegen diese dreiste Drohung zu Massenprotesten aufgerufen. Stattdessen fordern sie, wie Biden es bezeichnet, Interventionen der „Verantwortlichen an der Macht“ – vor allem des Militärs –, um Trump aus dem Amt zu entfernen und Biden und den Demokraten die Übernahme der Präsidentschaft zu ermöglichen.

Zweifelsohne finden Diskussionen führender Demokraten mit hohen Vertretern des Militärs und der Geheimdienste statt. Sie sondieren das Terrain für den Fall, dass Trump seine Drohungen wahr macht. Die New York Times veröffentlichte am Freitag auf ihrer Website einen langen Bericht mit dem Titel „Im Pentagon wächst die Angst, dass Trump das Militär gegen Unruhen bei der Wahl einsetzen könnte.“

Wie es in dem Artikel heißt, hegen mehrere Pentagon-Vertreter Bedenken, dass „ihr Oberbefehlshaber amerikanische Soldaten einsetzen werde, falls es während der bevorstehenden Wahl zu Chaos kommt“. Dies habe zu „einer verstärkten Debatte innerhalb des Militärs über seine Rolle geführt, falls es wegen einer umstrittenen Wahl zu zivilen Unruhen kommen könnte“.

Die Times schreibt weiter: „Führende Persönlichkeiten des Pentagon, die anonym bleiben wollten, räumten interne Diskussionen darüber ein, was zu tun sei, wenn Trump in der Zeit zwischen dem Wahltag und der Amtseinführung, d.h. solange er noch Präsident wäre, den Insurrection Act anwenden und das Militär auf die Straßen schicken würde. Dies hat er während der Proteste gegen Polizeibrutalität und Rassismus mehrfach angedroht.“

Der Artikel deutet an, dass zivile Beamte und Militärs in Massen zurücktreten würden, falls Trump etwas Derartiges befehlen würde. Zum Schluss wird erwähnt, dass General Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs, am 26. September am Ende einer Videokonferenz, in der er Fragen von Soldaten beantwortete, seine Zuhörer aufforderte, „die Verfassung zu beherzigen“.

Sollte die amerikanische Demokratie durch das Militär aufrechterhalten werden, wäre die Folge  faktisch eine Militärdiktatur. Wenn Biden unter solchen Umständen das Weiße Haus übernehmen würde, wäre er bloß noch eine Marionette des Pentagon.

Die politische Stoßrichtung einer solchen Regierung der Demokraten deutete Biden im letzten Teil seines Interviews mit MSNBC an. Wie in den Mainstreammedien üblich, wurde das Thema auf die angebliche russische Einmischung in die Wahl gelenkt. Ruhle fragte Biden: „Was ist Ihre Botschaft an Wladimir Putin?“

Hier die Antwort des ehemaligen Vizepräsidenten, der seit 50 Jahren die imperialistischen Aggressionen der USA auf der ganzen Welt befürwortet und selbst mit organisiert hat: „Meine Botschaft an Wladimir Putin lautet: Wenn ich gewählt werde, dann werde ich aktiv. Das ist der Deal. Es geht um eine Verletzung unserer Souveränität ... Ich verspreche Ihnen, es wird Konsequenzen geben, wenn ich gewinne.“

Damit werden die zwei Alternativen, die das kapitalistische Zweiparteiensystem bietet, völlig deutlich: entweder autoritäre Herrschaft unter dem Faschisten Trump, oder ein Demokratischer Präsident, der Kurs auf Krieg gegen Russland nimmt, d.h. gegen das Land mit dem zweitgrößten Atomarsenal der Welt.

Die Arbeiterklasse muss diese „Wahl“ ablehnen und für eine echte Alternative sorgen. Nur auf der Grundlage sozialistischer Politik kann sie die demokratischen Rechte verteidigen, den Kurs hin zu einer Diktatur aufhalten und einen imperialistischen Krieg verhindern.

Siehe auch:

Warum wollen die Demokraten nicht gegen Trump kämpfen?
[26. September 2020]

Trump macht Wahl zum Staatsstreich
[25. September 2020]

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