Relaunch der WSWS: Schlusswort des nationalen Sekretärs der SEP Joseph Kishore

Die WSWS hat die Reden veröffentlicht, die WSWS-Autoren und führende Mitglieder des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) am 25.Oktober bei der Online-Kundgebung zum Relaunch der WSWS gehalten haben. Hier das Schlusswort von Joseph Kishore, nationaler Sekretär und Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party (US).

Ich freue mich sehr, bei dieser Kundgebung zu sprechen und den Relaunch der World Socialist Web Site, des politischen Organs des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, der Weltpartei der Sozialistischen Revolution, zu begrüßen.

Die Reden heute haben erklärt, was die WSWS ausmacht: der Kampf, die Arbeiterklasse international zu vereinen. Redner aus zehn Ländern haben eine einheitliche Perspektive dargelegt, die sich auf den Charakter der Epoche und der Krise des Weltkapitalismus gründet. Diese Redebeiträge haben einen Einblick in die beeindruckende Bilanz und Kraft unserer Webseite gewährt.

Wir haben unseren Kampf skizziert, die Entwicklung einer sozialistischen Bewegung auf die Lehren der Geschichte zu gründen. Wir haben den unbeugsamen Widerstand der trotzkistischen Bewegung gegen Krieg und die Zerstörung der demokratischen Rechte bekräftigt. Wir sagen, dass eine Politik im Interesse der Arbeiterklasse unvereinbar ist mit der bürgerlichen Politik der oberen Mittelschicht.

Wie andere Redner erklärt haben, beschleunigt die Coronavirus-Pandemie die Widersprüche des Weltkapitalismus enorm. Sie legt die Realität der Klassenherrschaft offen, die Folgen der Unterordnung des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens unter die Interessen einer Oligarchie. Sie radikalisiert Massen von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt und schafft Bedingungen für revolutionäre Umwälzungen.

Nirgendwo wird dies deutlicher als in den Vereinigten Staaten, dem Zentrum der Weltfinanzen und Herz des Weltimperialismus.

Es ist nur noch gut eine Woche bis zum letzten Tag der Abstimmung bei den US-Wahlen. Was auch immer am 3. November und danach passiert – nach dieser Wahl wird es kein Zurück zum Status quo mehr geben.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, die Wahl nutzt, um eine faschistische Bewegung aufzubauen, die auf extremem Nationalismus, Hass auf den Sozialismus und Autoritarismus beruht. Wie wir bereits gesagt haben, kandidiert er nicht für das Präsidentenamt, sondern für das Amt des Führers.

Bei seinem Versuch, unabhängig vom Wahlausgang an der Macht zu bleiben, zählt Trump auf die Unterstützung durch Teile der Finanzoligarchie, rechtsextreme Organisationen und ein faschistisches Netzwerk, das innerhalb des Polizei-, Militär- und Staatsapparates operiert. In den letzten Wochen wurden faschistische Komplotte gegen die Gouverneure von Michigan, Virginia und zuletzt von Ohio aufgedeckt.

Die Demokraten und die Medien tun so, als ob sich alles wieder normalisieren würde, wenn nur Trump abgewählt wird. Trump ist jedoch nicht der Hölle entstiegen. Er ist ein Produkt des amerikanischen Kapitalismus.

Um zu verstehen, was in den Vereinigten Staaten geschieht, muss man die Archive der World Socialist Web Site studieren. In den 22 Jahren ihres ununterbrochenen Erscheinens hat die WSWS die Entwicklung der Krise der amerikanischen Demokratie erschöpfend dokumentiert.

Diese Krise, so hat die WSWS erklärt, wurzelt im langfristigen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus und dem Versuch der herrschenden Klasse, diesen Niedergang durch militärische Gewalt und soziale Konterrevolution aufzuhalten.

Seit der gestohlenen Wahl von 2000 sind nun zwei Jahrzehnte vergangen. Während der damaligen Ereignisseschriebdie WSWS, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Rechtssache Bush vs. Gore und die Weigerung der Demokratischen Partei, etwas gegen den antidemokratischen Putsch zu unternehmen, der Bush an die Macht bringen sollte, zeigten, dass es in der amerikanischen herrschenden Klasse keine nennenswerte Kraft für die Verteidigung demokratischer Rechte gab.

Vor 19 Jahren begann der „Krieg gegen den Terror“ unter Bush. Die Terroranschläge vom 11. September dienten als Vorwand für Kriege in Afghanistan und dann im Irak. Der auf der Grundlage von Lügen eingeleitete Angriffskrieg gegen den Irak war, so die WSWS im März 2003, „ein verheerendes Versagen der amerikanischen Demokratie“.

Im Zuge des Kriegs wurde Folter als offizielle Politik eingeführt, CIA-Geheimgefängnisse in der ganzen Welt errichtet und Spionage im Inland in einem beispiellosen Ausmaß praktiziert.

Die WSWS analysierte die Rolle Obamas, des so genannten „Kandidaten der Hoffnung und des Wandels“, der für den bis dahin in der Weltgeschichte größten Transfer von Reichtum von der Arbeiterklasse zu den Reichen verantwortlich war.

Acht Jahre endloser Krieg, soziale Reaktion und Angriffe auf demokratische Rechte schufen die Voraussetzungen für die Wahl von Trump.

„Der Sieg Donald Trumps bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl“, erklärte die WSWS im November 2016, „kommt einem politischen Erdbeben gleich. Er führt aller Welt die Todeskrise der amerikanischen Demokratie vor Augen. Die Degeneration der bürgerlichen Herrschaft ist so weit fortgeschritten, dass sie einen obszönen Scharlatan und milliardenschweren Demagogen ins höchste Amt gehoben hat.“

Vier Jahre später liegt die amerikanische Demokratie in den letzten Zügen.

Die Pandemie enthüllt alles, was in der amerikanischen Gesellschaft verrottet, krank und reaktionär ist. In jedem Stadium dieser Pandemie sind Gesundheit und Leben der Bevölkerung den Interessen des Profits untergeordnet worden. Die herrschende Klasse hat die Bedrohung durch das Coronavirus heruntergespielt. Dann nutzte sie die Krise, um eine Rettungsaktion für die Wall Street durchzuführen, die noch über die von 2008 hinausging.

Die Billionen von Dollar, die mit Unterstützung sowohl der Demokraten als auch der Republikaner in die Märkte gepumpt wurden, haben die Bankgewinne und den Reichtum der Oligarchen gewaltig gesteigert.

Auf der anderen Seite ist die große Mehrheit der Bevölkerung mit einer beispiellosen sozialen und wirtschaftlichen Krise konfrontiert. Es gibt zehn Millionen weniger Beschäftigte als im Januar. Die Zahl der in Armut lebenden Menschen in den USA ist von Juni bis September dieses Jahres um etwa sechs Millionen gestiegen. Die Massenentlassungen häufen sich.

Die herrschende Klasse, die sich selbst Billionen Dollar geschenkt hat, lehnt Bemühungen, das Virus einzudämmen, rigoros ab. „Wir werden die Pandemie nicht unter Kontrolle bringen“, erklärte der Stabschef des Weißen Hauses, Mark Meadows, an diesem Wochenende. Damit meint er in Wirklichkeit, dass die herrschende Klasse nichts tun wird, um die Menschen zu schützen, sondern sogar aktiv die Durchseuchung der Bevölkerung fördert. Die Unsummen, die an die Banken flossen, müssen durch den Schweiß, das Blut – und das Leben – der Arbeiter und ihrer Familien bezahlt werden.

Rechtsextreme Organisationen werden mobilisiert, um eine mörderische Politik der herrschenden Eliten durchzusetzen. Die Losung der Faschisten lautet: „Die Verbreitung des Virus darf durch nichts eingeschränkt werden!“

Wie korrupt und heruntergekommen ist die amerikanische Politik! Eine Partei wendet sich den Faschisten zu; die andere, die Demokratische Partei, gibt sich die größte Mühe, die Realität zu vertuschen, um die Bevölkerung zu betäuben, um jede Opposition im Rahmen des Staates zu halten.

Die Demokraten, die für Teile der Wall Street und des Militärs sprechen, beschwören weiter die „russische Einmischung“, als käme die Bedrohung für die amerikanische Demokratie von außen, und nicht von der Finanzoligarchie im Inneren.

Eine Biden-Regierung, sollte sie Realität werden, würde die Kriege im Nahen Osten umgehend ausweiten und eine aggressivere Politik gegenüber Russland verfolgen. Sie würde die Macht des Militärs und der Geheimdienste über das politische Leben in den Vereinigten Staaten noch weiter stärken und gleichzeitig noch günstigere Bedingungen für das Wachstum faschistischer Bewegungen schaffen.

Es ist eine außergewöhnliche Tatsache, dass die Demokraten, während Trump offen die Demokratie angriff und zu faschistischer Gewalt aufstachelte, den größten Teil des vergangenen Jahres damit verbracht haben, das demokratische Erbe der amerikanischen Revolution und des Bürgerkriegs anzugreifen und zurückzuweisen.

Was Bernie Sanders betrifft, was ist denn aus seiner „politischen Revolution“ geworden? Sanders hat seine unaufrichtige Rhetorik über den Widerstand gegen die „Milliardärsklasse“ fallengelassen und ist inzwischen der wichtigste Fürsprecher von Biden, dem Spross der Wall Street. Sanders behauptet sogar, dass dieser Erzreaktionär „der fortschrittlichste Präsident seit Roosevelt“ sein wird.

Gleichzeitig wird alles getan, um jede echte Opposition auszugrenzen. Bei diesen Wahlen bestanden die Gerichte darauf, dass die SEP, nur um auf den Wahlzettel zu kommen, Zehntausende von Unterschriften hätte sammeln müssen – mitten in einer tödlichen Pandemie. Das ist der Zustand der amerikanischen „Demokratie“!

Die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und weltweit darf sich nicht auf Wahlen verlassen, sondern muss sich von der Logik des Klassenkampfes leiten lassen.

Die Arbeiter müssen auf der Grundlage eines Programms eingreifen, das ihren Bedürfnissen entspricht. Dazu gehören neben einer massiven Umverteilung des Reichtums der Reichen die Beschlagnahme aller unrechtmäßigen Gewinne der Milliardäre und die Umwandlung der riesigen Banken und Großunternehmen in öffentliche Versorgungsbetriebe, die der Befriedigung sozialer Bedürfnisse und nicht der Erzielung privaten Profits dienen.

Der Kampf gegen Faschismus, Diktatur, Weltkrieg, Umweltzerstörung und beispiellose sozialer Ungleichheit muss mit der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse und der Errichtung des Sozialismus in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt verknüpft werden.

Für diese Perspektive treten die Socialist Equality Party, meine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Norissa Santa Cruz und ich in unserem Wahlkampf ein.

Um einen Weg in die Zukunft zu bahnen, benötigt die Arbeiterklasse eine detaillierte Kenntnis ihrer eigenen Geschichte, der Geschichte des Kampfes für den Sozialismus, verkörpert durch die Vierte Internationale und die trotzkistische Bewegung. Die Arbeiter müssen in der Lage sein, mit Arbeitern auf der ganzen Welt in Kontakt zu treten und aus ihren Erfahrungen zu lernen

Arbeiter und Jugendliche müssen ausgebildet werden, sich all jenen entgegenzustellen – von Corbyn und Sanders bis hin zu Syriza, Podemos oder der „Rosa Welle“ in Lateinamerika –, die versuchen, ihre Kämpfe dem Kapitalismus unterzuordnen. Sie müssen darin geschult werden, Politik in Klassenkategorien zu analysieren, von ihren eigenen Erfahrungen ausgehend zu einem allgemeinen Verständnis des Gesellschaftssystems als Ganzes zu kommen.

Sie müssen Zugang zu den Analysen, kulturellen Kommentaren, wissenschaftlichen Erkenntnissen und theoretischen Schriften haben, die sie auf die immensen Aufgaben vorbereiten, die vor ihnen liegen.

Grundlage und Gerüst dieser Bewegung ist die World Socialist Web Site. In den 22 Jahren ihres Bestehens hat die WSWS ein enorm starkes politisches Fundament geschaffen.

Durch den Relaunch der WSWS können wir dieses Fundament noch direkter zum Tragen bringen.

Unsere Aufgabe ist es nun, die WSWS weiter zu entwickeln und zur Führung von Millionen Menschen in einem globalen Kampf für den Sozialismus zu machen. Ich appelliere an alle Zuhörer dieser Kundgebung: Entscheidet Euch, aktiv an diesem Kampf teilzunehmen

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