Perspektive

Neubesetzungen im Pentagon sollen Trumps Coup den Weg ebnen

US-Präsident Donald Trump arbeitet gezielt darauf hin, die diesjährigen Präsidentschaftswahlen durch einen Staatsstreich zu kippen und die Verfassung außer Kraft zu setzen. Dennoch hielten es weder Biden und die Demokraten noch die amerikanischen Medien für nötig, die Weltöffentlichkeit auf bedrohliche Entwicklungen innerhalb des US-Militärs und seiner Führungsriege im Pentagon aufmerksam zu machen.

Präsident Donald Trump bei einem Telefongespräch mit sudanesischen und israelischen Spitzenpolitikern im Oval Office des Weißen Hauses, 23. Oktober 2020 (AP Photo/Alex Brandon)

Die Umrisse dieses Putsches haben sich in den letzten Tagen klar abgezeichnet. Und das nicht nur durch bloße Absichtserklärungen Trumps, sondern durch unmittelbare praktische Vorbereitungen.

Am Freitag hat Trump Abgeordnete der Republikaner aus dem Parlament des Bundesstaats Michigan ins Weiße Haus eingeladen und damit eine klare Strategie zu erkennen gegeben. Er und seine Anhänger führen eine aggressive Propagandakampagne, um mit falschen Vorwürfen über Stimmzettelbetrug und mit faschistisch anmutenden Verschwörungstheorien die Wahl zu delegitimieren. Auf diese Weise soll Parlamenten in Bundesstaaten wie Michigan, in denen die Republikaner die Mehrheit haben, ein Vorwand geliefert werden, sich über die Wahlergebnisse hinwegzusetzen und Wahlleute aufzustellen, die für Trump stimmen werden.

Das Trump-Lager zählt darauf, dass diese rechtswidrigen Machenschaften vor dem Obersten Gerichtshof der USA landen werden. Ein Drittel der dortigen Richter wurde von Trump ernannt. Außerdem hat der Oberste Gerichtshof bereits im Jahr 2000 im Fall Bush v. Gore ein Präzedenzurteil gefällt, mit dem in Florida eine Neuauszählung der Stimmen gestoppt und somit die Präsidentschaft dem Republikaner George W. Bush zugesprochen wurde – ohne dass sich die Demokratische Partei dagegen gewehrt hätte.

Trumps dreister Versuch, das Wahlergebnis zu kippen, wird unweigerlich zu explosivem Widerstand führen, vor allem in den städtischen Arbeitergebieten, in denen Millionen ihre Stimme abgegeben haben, um Trump aus dem Amt zu jagen. Ein solcher Angriff auf grundlegende demokratische Rechte und die letzten Überreste verfassungsmäßiger Herrschaftsformen kann nicht ohne brutale Repression durchgesetzt werden.

Welche extremen Gefahren drohen, wurde durch die Vorgänge vergangener Woche beim US Special Operations Command (Kommando für Spezialoperationen der Vereinigten Staaten) deutlich. Dessen Sondereinsatztruppen bestehen aus Elite-Killereinheiten wie den Green Berets der Army oder den Navy SEALs der Marine. In ihrem Hauptquartier in Fort Bragg gab der neuernannte Verteidigungsminister Christopher Miller am Mittwoch in einer feierlichen Zeremonie bekannt, dass das Special Operations Command künftig auf eine Stufe mit den Teilstreitkräften Heer, Marine, Luftwaffe etc. gestellt werde.

Die gut vernetzte Militär-Website breakingdefense.com erläuterte diese Umstellung wie folgt: „Im Kern wird diese Umstrukturierung sicherstellen, dass der für Special Operations zuständige Spitzenbeamte im Pentagon sich direkt an den Verteidigungsminister wenden kann, wenn es um (...) operative Angelegenheiten geht, wie zum Beispiel geheime Zugriffsaktionen gegen hochkarätige Ziele. Diese Stelle muss künftig nicht mehr den langen Dienstweg durch die Verteidigungsbehörden nehmen, um zum Minister zu gelangen.“

Miller, der sich seit seiner Einsetzung als Chef des Pentagon geweigert hat, Fragen der Presse zu beantworten, sagte vor den versammelten Truppen: „Ich bin heute hier, um bekannt zu geben, dass ich die zivile Führung der Special Operations angewiesen habe, unmittelbar an mich zu berichten und nicht mehr die derzeitigen bürokratischen Kanäle zu nutzen.“

Für das Amt, das er seit kaum mehr als einer Woche innehat, wurde Miller nicht vom US-Senat bestätigt und wird auch künftig nicht bestätigt werden. Außer seiner unerschütterlichen Loyalität zu Trump hat der Oberst a.D., der dreißig Jahre in den US-Streitkräften und in den US Army Special Forces verbracht hat, keine Qualifikationen, um diesen Posten zu bekleiden.

Unter normalen Umständen würde Miller sein Amt in knapp zwei Monaten an den von Biden ernannten Minister abgeben und in der Zeit bis zu dessen Amtseinführung eng mit seinem Nachfolger zusammenarbeiten. Stattdessen verfügte er die tiefgreifendste Veränderung der militärischen Befehlskette der letzten Jahrzehnte.

Millers Einsetzung als Verteidigungsminister ist das Ergebnis einer umfassenden Säuberungsaktion in der zivilen Führungsspitze des Pentagon, die Trump mit der Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper per Twitter eingeleitet hatte. Trumps Entschlossenheit, sich Espers zu entledigen, geht auf den vergangenen Juni zurück, als der US-Präsident Sicherheitskräfte des Bundes und US-Truppen einsetzte, um Demonstrationen gegen Polizeigewalt in der Nähe des Weißen Hauses zu unterdrücken. Er drohte damals damit, den „Insurrection Act“ geltend zu machen, um im ganzen Land Militär gegen die Massenproteste einzusetzen, die durch den Polizeimord an George Floyd in Minneapolis ausgelöst worden waren.

Esper, ein ehemaliger Lobbyist der Rüstungsindustrie, sprach sich dagegen aus und sagte, ein solcher Einsatz des US-Militärs im Inland könne nur als „letztes Mittel“ angeordnet werden. Seine Haltung – die von General Mark Milley, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, geteilt wurde – brachte die Befürchtung zum Ausdruck, dass ein solcher Einsatz von US-Truppen unkontrollierbaren Widerstand provozieren würde und das Militär diese Zerreißprobe möglicherweise nicht überstehen werde. Seit seinem Rauswurf haben Esper, Milley und der entlassene dritthöchste Pentagon-Beamte allesamt Erklärungen abgegeben, in denen die Angehörigen des US-Militärs ostentativ daran erinnert werden, dass sie einen Eid auf die Verfassung geschworen haben.

Derlei Aufrufe werden keine Auswirkungen auf die Kabale der Trump-Loyalisten und Halbfaschisten haben, die seit den Präsidentschaftswahlen im Pentagon an die Schaltstellen der Macht gebracht wurden. In einer Bestätigungsanhörung für einen anderen Posten der Nationalen Sicherheit hat Miller deutlich gemacht, dass er keine Bedenken hat, geheimdienstliche Mittel des Bundes einzusetzen, um auf Anordnung des Weißen Hauses Demonstranten zu verfolgen.

Der neue zivile Leiter der Special Operations, der nun – ohne lästige „bürokratische Kanäle“ – unmittelbar und unter Geheimhaltung mit dem Verteidigungsminister zusammenarbeiten wird, ist der 34-jährige rechtsextreme Beamte Ezra Cohen-Watnick. Er wurde aufgrund seiner politischen Verbindungen in den Nationalen Sicherheitsrat geholt. Zu seinem Netzwerk gehören Leute wie Trumps faschistischer ehemaliger Berater Steve Bannon, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater General Michael Flynn – ein verurteilter Straftäter und anti-iranischer Fanatiker – sowie Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten.

Zum Staatssekretär für politische Angelegenheiten – dem dritthöchsten Posten im Pentagon – wurde der pensionierte General und regelmäßige Fox-News-Kommentator Anthony Tata ernannt. Dessen vorherige Nominierung musste zunächst zurückgezogen werden, nachdem bekannt geworden war, dass er Obama als „Terroristenführer“, Muslim und „Manchurian Candidate“ (Titel eines antikommunistischen Kinofilms) denunziert hat.

Eine ähnliche Figur wurde zu Millers wichtigstem Berater ernannt: Armee-Oberst a.D. Douglas Macgregor – ein weiterer Fox-News-Kommentator, der europäischen Ländern vorwirft, dass sie „unerwünschte muslimische Invasoren“ aufnehmen, die darauf aus seien, „Europa in einen islamischen Staat zu verwandeln“. Er hat außerdem Versuche, den Holocaust in Deutschland aufzuarbeiten, als „kranke Mentalität“ bezeichnet und dazu aufgerufen, an der US-mexikanischen Grenze das Kriegsrecht zu verhängen und Immigranten standrechtlich zu erschießen.

An die Sondereinsatzkräfte, die nun in der Befehlskette einen höheren Status erhalten haben, hat Trump bereits im vergangenen Jahr gezielt appelliert. Damals mischte er sich aggressiv in den Kriegsgerichtsprozess gegen Eddie Gallagher ein – ein Navy Seal, dem Kriegsverbrechen im Irak vorgeworfen wurden – und protestierte: „Wir bilden unsere Jungs zu Killermaschinen aus und belangen sie dann dafür, dass sie töten!“

Nur fünf Tage vor der Wahl flog Trump nach Fort Bragg, um sich dort hinter verschlossenen Türen mit Soldaten und ihren Kommandeuren zu treffen. Angesichts der anschließenden Entwicklungen gibt es allen Grund zu der Annahme, dass der Zweck dieser Reise darin bestand, seinen Rückhalt unter den dort stationierten Militäreinheiten und ihren Befehlshabern zu beurteilen. Vermutlich wurde erörtert, auf welche Weise Widerstand gegen Trumps Pläne, die Wahl zu kippen und eine Präsidialdiktatur zu errichten, mit Waffengewalt niedergeschlagen werden könnte.

Die Taktik, die Trumps Weißes Haus anwendet, wurde von demokratischen und republikanischen Regierungen gleichermaßen im Ausland bereits unzählige Male erprobt. Von Honduras und Bolivien über Venezuela bis hin zur Ukraine und Georgien wurden fabrizierte Behauptungen über Wahlbetrug benutzt, um von den USA unterstützte Staatsstreiche zu rechtfertigen, Präsidenten zu stürzen und „Farbrevolutionen“ anzufachen.

Angesichts einer unlösbaren wirtschaftlichen und sozialen Krise werden nun dieselben Methoden im „Innern“ eingesetzt. Im Zentrum dieser Krise steht die schier unfassbare soziale Ungleichheit. Verschärft wird sie durch die Covid-19-Pandemie, in der die herrschende Kapitalistenklasse die Arbeiter in die Betriebe jagt und eine Politik der „Herdenimmunität“ verfolgt.

Biden und die Demokratische Partei fürchten den Ausbruch von Massenprotesten und jeden Widerstand gegen Trump und seine Mitverschwörer, der von unten kommt, weit mehr als die Gefahr eines Putsches und die Errichtung einer Diktatur. Ungeachtet jeglicher taktischen Differenzen mit Trump vertreten sie die Interessen der Wall Street sowie des Militär- und Geheimdienstapparats.

Die Arbeiterklasse muss in dieser beispiellosen Krise als unabhängige soziale und politische Kraft eingreifen. Sie muss den Verschwörungen der Trump-Regierung und ihrer militärischen Verbündeten mit den Methoden des Klassenkampfs entgegentreten und für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft kämpfen.

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