Offene Schulen und Betriebe führen zu Rekordinfektionen und Todesfällen

Nach drei Wochen des sogenannten „Lockdown-Light“ sind die Corona-Zahlen in Deutschland so hoch wie nie. Vergangene Woche meldete das RKI zwei Tage hintereinander jeweils neue Höchststände, mit 22.609 neuen Fällen am Donnerstag und 23.648 am Freitag. Zum Anfang dieser Woche zählt das RKI insgesamt seit Beginn der Pandemie rund 940.000 Infektionsfälle und nähert sich damit einer Million.

Die hohen Zahlen sind nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis einer Politik von Bund und Ländern, die darauf besteht, Betriebe, Schulen und Kitas um jeden Preis offen zu halten, um die Profite der Konzerne nicht zu gefährden. Während die Dunkelziffer hoch ist, werden offiziell fast 300.000 aktive Infektionsfälle registriert.

Nachdem sich das Virus in den Schulen und Kitas unter Kindern und Jugendlichen stark ausgebreitet hat, greift es zwangsläufig auch auf ihre Eltern und Geschwister, auf die ganze Gesellschaft und auch auf die Senioren und Risikogruppen über. Die Folgen sind überfüllte Intensivstationen, Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und rasch ansteigende Todeszahlen.

„Mit der Rückkehr zum Präsenzunterricht inmitten steigender Infektionszahlen setzen die Regierungen die Gesundheit und das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel“, schrieb die World Socialist Web Site Mitte August. Heute, drei Monate später, hat sich diese Voraussage tragisch bestätigt. Der November könnte der Monat mit den bisher höchsten Todeszahlen werden. Seit Anfang November ist die Zahl der täglichen Verstorbenen fast immer dreistellig. Allein in der letzten Woche sind mehr als 1.500 Menschen an Sars-CoV-2 gestorben.

Mittlerweile ist auch erwiesen, dass die große Mehrheit „an“ und nicht „mit“ dem Virus gestorben ist. Die Uniklinik Aachen, die bundesweit alle Obduktionsergebnisse auswertet, hat dies jetzt nachgewiesen. Ihren Forschern zufolge sind mindestens 85 Prozent der Patienten eindeutig an Schäden verstorben, die das Coronavirus verursacht hat. Die Tagesschau zeigte vor kurzem erschreckende Bilder von Lungengewebe solcher Patienten. Darin hat das tote Material abgestorbener Zellen und von Blutgerinnseln alles überwuchert: Kein Raum bleibt mehr für die eingeatmete Luft.

Der grausame Tod wütet zurzeit vor allem in den Alten- und Pflegeheimen. In der nordbayerischen Gemeinde Großwallstadt hat das Virus fast alle Bewohner einer Einrichtung, 39 von 41 Senioren, infiziert. Acht Menschen sind dort in den letzten zwei Wochen an Covid-19 gestorben. Von 34 Pflegekräften sind 20 ebenfalls positiv getestet worden. Im selben Landkreis sind bisher fünf Alten- und Pflegeheime von Corona betroffen.

Weitere Ausbrüche in Seniorenheimen gibt es in Melle (Niedersachsen), wo 50 der insgesamt 75 Bewohner eines Heims infiziert worden sind, und in Neckargmünd (Baden-Württemberg) mit 67 von 91 Bewohnern, die sich in der Einrichtung infiziert haben. In Hessen sind bisher im November 174 Menschen in Alten- und Pflegeheimen gestorben. In einem Kursana-Heim in Berlin-Lichtenberg haben sich 30 Bewohner und 17 Pflegekräfte infiziert, 15 Senioren sind dort bisher an Covid-19 gestorben.

Eine Umfrage von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR ergab, dass in weit über tausend der bundesweit etwa 12.000 Alten- und Pflegeheimen aktuell Corona-Fälle existieren. In Brandenburg ist jedes zehnte Heim betroffen, in Nordrhein-Westfalen jedes sechste, in Rheinland-Pfalz jedes fünfte und in Hessen sogar jedes vierte.

Da mehrere Bundesländer nur höchst unvollständige Zahlen weitergeben, ist die Dunkelziffer sehr hoch. Die Süddeutsche zitiert Eugen Brysch, den Leiter der deutschen Stiftung Patientenschutz, mit den Worten: „Zwar reden die Regierungschefs viel von den vulnerablen Gruppen, aber die Fakten werden nicht zusammengetragen. Im neunten Monat der Pandemie ist für Bund und Länder die Situation der hier lebenden und arbeitenden Menschen eine Blackbox.“

Kritisch ist auch die Lage in den Intensivstationen. Sie sind nicht nur in den europäischen Hotspots der Pandemie, darunter zuletzt auch der Schweiz, sondern auch in Deutschland stark belegt. Immer mehr Kliniken melden, dass sie keine neuen Covid-19-Patienten mehr versorgen können. Wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) meldet, werden aktuell 3742 Patienten intensiv behandelt. Das sind fast tausend mehr als im April, als der damalige Höchststand 2850 Intensivbehandlungen verzeichnete. 2161 Patienten oder 57 Prozent müssen derzeit künstlich beatmet werden.

DIVI hat zusammen mit dem Marburger Bund und mehrere Intensivmedizinischen Fachgesellschaften einen „gemeinsamen Ruf nach politischem Schutzschirm für belastete Kliniken“ veröffentlicht, in dem es heißt: „Wir stoßen an unsere Belastungsgrenze!“ Die Politiker müssten die Krankenhäuser in stark belasteten Regionen unverzüglich auffordern, „plan- und verschiebbare stationäre Eingriffe je nach Belastungssituation zu reduzieren, bzw. einzustellen. Nur dann ist es möglich, kurzfristig weiteres Personal für die Versorgung akut und kritisch erkrankter Patienten einzusetzen. Ohne diese zusätzliche Unterstützung ist die Belastungsgrenze insbesondere auf vielen Intensivstationen schon bald überschritten.“

Vor einer Woche ließ die TV-Sendung Panorama am 17. November Ärzte und Pflegekräfte zu Wort kommen. „Es gibt ein Leben nach Corona, nur nicht für alle“, sagte die Ärztin Dr. Jana Schroeder aus Rheine. Sie können sich „an kein Wochenende mehr erinnern, an dem ich komplett frei gehabt hätte“. Der Leiter der Intensivstation in Bremen-Mitte, Prof. Rolf Dembinski, berichtete dort, dass es jetzt schon mehrmals nachts in ganz Bremen kein Intensivbett mehr gegeben habe. „Dann überlegen Sie schon: Ja und jetzt? Was machen wir jetzt, wenn der nächste kommt?“

Die wachsende Zahl von Infektionen und Todesfällen ist das direkte Ergebnis der Öffnung der Betriebe und Schulen. Um diese Politik des Todes fortzusetzen, wird nach wie vor entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen behauptet, dass Schulen keine Hotspots der Pandemie seien. Zuletzt wurde eine Erklärung der Deutschen Akademie der Kinder- und Jugendmedizin verbreitet, die Schulen für sicher erklärt, aber auf Daten basiert, die für die heutige Situation völlig irrelevant sind.

Tatsächlich melden Schulen und Kitas immer wieder neue Corona-Ausbrüche. An vielen Schulen sind die Corona-Ausbrüche längst außer Kontrolle geraten. Am Montag wurde in Hamburg der bisher größte Massenausbruch an einer Schule bekannt. Kurz zuvor hatte der Hamburger Innensenator Ties Rabe (SPD) erneut öffentlich erklärt, dass neun von zehn infizierten Schülern sich außerhalb der Schule anstecken würden. Jetzt ergab eine Reihentestung, an der rund 550 Schüler und Beschäftigte einer Schule im Stadtteil Veddel teilnahmen, dass mindestens 100 Schüler und Lehrer infiziert sind.

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