Französische Polizei geht mit brutaler Gewalt gegen Flüchtlingslager in Paris vor

Am Montagabend ging die französische Bereitschaftspolizei in einer faschistischen Aktion mit brutaler Gewalt gegen ein friedliches Zeltlager auf der Place de la République in der Pariser Innenstadt vor, in dem 500 Flüchtlinge lebten.

Die Polizei setzte Tränengas ein, trat und schlug die Flüchtlinge mit Schlagstöcken, warf sie aus ihren Zelten und griff sie an, als sie bereits am Boden lagen. Auch Journalisten, die die Attacke filmten, wurden angegriffen. Die Bereitschaftspolizisten warfen Dutzende beschlagnahmte Zelte auf Lastwagen und fuhren sie weg.

Nach der Räumung des Platzes mussten mehrere Hundert obdachlose Flüchtlinge nach Norden in die Vororte der Stadt marschieren und wurden dabei mit Tränengaskanistern von der Polizei getrieben. Andere Gruppen wurden nach Süden zum Rathaus gedrängt und auf dem Weg von Polizisten mehrfach mit Tränengas angegriffen. Die Flüchtlinge wurden umstellt und eingekesselt, wobei auch eine Gruppe von gewählten Mandatsträgern der Stadt eingekesselt und von der Polizei daran gehindert wurde, zu den Flüchtlingen zu sprechen.

Demonstranten tragen ein Transparent mit der Aufschrift:„Wählt Macron, haben sie gesagt“ bei einer Kundgebung auf dem Place de La République in Paris am 24. November. (AP Photo/Michel Euler)

Die Videos des Angriffs wurden von Hunderttausenden angesehen und lösten in Frankreich und weltweit Abscheu und Empörung aus. Am Dienstagabend nahmen trotz des Corona-Lockdowns Tausende an einer Protestveranstaltung auf der Place de la République teil, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen zu erklären und das Vorgehen der Polizei zu verurteilen.

Das Zeltlager war am Montagnachmittag aufgebaut worden, um auf die schrecklichen Bedingungen hinzuweisen, unter denen Flüchtlinge leben. Am Dienstag letzter Woche hatte die Bereitschaftspolizei in Seine-Saint Denis nördlich von Paris bereits ein Lager mit 3.000 Menschen gewaltsam geräumt. 500 bis 1.000 Menschen warteten stundenlang auf einen Bus, der sie zu einem vorläufigen Aufnahmezentrum bringen sollte, bevor die Polizei ihnen mitteilte, dass dort kein Platz für sie sei. Daraufhin mussten sie das Gebiet zu Fuß verlassen.

Ein junger Afghane, der seit zwei Monaten in dem Lager lebte, erklärte gegenüber Le Parisien: „Die Polizei hat uns angewiesen, zur Porte de la Chapelle zu gehen, ohne uns den Grund zu nennen. ... Sie schossen Tränengas, und wir mussten weglaufen. In dieser Nacht versuchten viele von uns, auf der Straße einen Platz zum Schlafen zu finden.“

Tausende von Flüchtlingen schlafen in Frankreich jede Nacht auf der Straße. Sie haben aufgrund der flüchtlingsfeindlichen Politik der französischen Regierung und der Europäischen Union keine Unterkunft, kein Einkommen und keine Nahrung. Sie bekommen keine Arbeitserlaubnis oder staatliche Unterstützung. Die einzige Reaktion der Regierung auf die Gefahr einer Ausbreitung des Coronavirus in den Zeltlagern bestand darin, die größten dieser Lager immer wieder gewaltsam durch die Polizei auflösen zu lassen. Die Flüchtlinge erhalten so gut wie keine Hilfe.

Da im Verlauf des Montagabends die Wut über das Vorgehen der Polizei wuchs, musste die Macron-Regierung Schadensbegrenzung betreiben. Innenminister Gerald Darmanin, behauptete scheinheilig, er sei „erschüttert“ über die Bilder von der Operation und werde „einen Bericht“ vom Pariser Polizeichef anfordern. Der gleiche Darmanin hatte im August erklärt, es widere ihn an, wenn Demonstranten von „Polizeigewalt“ reden.

In Wirklichkeit setzt die Polizei mit ihrem Vorgehen die Politik der Macron-Regierung in die Tat um. Zuvor war sie jahrelang brutal gegen die Proteste der „Gelbwesten“ gegen soziale Ungleichheit, gegen Arbeiterstreiks und Proteste von Schülern, Studenten und Jugendlichen vorgegangen. In den sozialen Medien wurden Videos, auf denen Demonstranten geschlagen, von Beanbag-Geschossen getroffen, weggeschleift und getreten werden, millionenfach geteilt und angesehen.

Seit beim Ausnahmezustand 2015–2017 die demokratischen Rechten ausgehebelt wurden, haben die darauffolgenden Regierungen der Polizei grünes Licht für immer drakonischere Gewalt gegeben. Bei brutalen Angriffen auf Flüchtlinge wie der Auflösung der Lager in Calais und Grande Synthe wurden die Polizeikräfte auf den Einsatz brutaler Gewalt gegen die ganze Arbeiterklasse vorbereitet. Unter Macron wurden die Polizisten mit Orden ausgezeichnet, die bei Protestveranstaltungen auf friedliche ältere Frauen losgegangen, Zineb Redouane getötet und Geneviève Legay schwer verletzt hatten.

Im Jahr 2019 erhielt das französische Militär die Erlaubnis, auf „Gelbwesten“ zu schießen. Dies war das erste Mal seit dem Bergarbeiterstreik von 1948, nach dem Untergang des mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regimes, dass das Militär dazu ermächtigt wurde.

Nur wenige Stunden vor der brutalen Polizeiaktion am Montag stimmte die Nationalversammlung für das „globale Sicherheitsgesetz“ der Regierung. Der Senat wird im Januar darüber abstimmen. Nach diesem Gesetz kann jeder, der Bilder eines Polizeibeamten von einer öffentlichen Veranstaltung verbreitet, die „das körperliche oder psychische Wohlergehen des Beamten“ beeinträchtigen könnten, mit einem Jahr Freiheitsentzug und 45.000 Euro Geldstrafe belangt werden. Daneben erlaubt es den Einsatz von Drohnen mit Gesichtserkennungstechnologie bei Protestveranstaltungen.

Das Gesetz kriminalisiert die Dokumentation von Verbrechen und Fehlverhalten der Polizei und wurde von internationalen Menschenrechtsorganisationen und den Vereinten Nationen verurteilt. Die UN erklärten, die Verabschiedung des Gesetzes wäre ein Verstoß gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention.

Diese Ereignisse sind eine scharfe Warnung. Große Teile der herrschenden Klasse in Frankreich und im Rest der Welt bereiten einen faschistischen Polizeistaat vor, um den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Die Corona-Pandemie ist ein auslösendes Ereignis, das den Kurs der Bourgeoisie auf autoritäre Herrschaftsformen noch weiter beschleunigt. Sie hat zu einem beispiellosen Zusammenbruch der Wirtschaft und – dank der mörderischen Politik der „Herdenimmunität“, die die Bourgeoisien in ganz Europa verfolgen – zu einer erschreckenden Zahl von Todesopfern geführt. Weltweit sind mehr als 1,4 Millionen Menschen gestorben, alleine in Frankreich ist die Zahl am Dienstag um 592 auf über 50.000 angestiegen.

Der pensionierte General Pierre de Villiers erklärte letzte Woche in dem neofaschistischen Magazin Valeurs actuelles, diese Krisen würden die Abschaffung des Rechtsstaats erfordern, d.h. die Errichtung einer Diktatur.

Er erklärte: „Heute gibt es nicht nur die Sicherheitskrise, sondern auch die Pandemie, und das alles vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise. Gleichzeitig genießen unsere Führer kein Vertrauen mehr in der breiten Masse. Zusammengenommen bieten diese Bedrohungen allen Grund, auf kurze Sicht Angst zu bekommen. Ich befürchte, dass diese unterdrückten Ressentiments alle gleichzeitig explodieren könnten. Ja, das ist ein historischer Wendepunkt, nicht nur in Frankreich, sondern auf der ganzen Welt. ... Ich glaube, wir stehen vor Veränderungen, durch die es zu tiefgreifenden Umwälzungen kommen wird. Wir müssen über das Undenkbare nachdenken.“

Auf die Frage, was das bedeutet, erklärte er: „Die scheinbar unabänderlichen Normen der gesellschaftlichen Organisation ändern. Der Rechtsstaat ist zwar etwas Gutes, aber manchmal muss man auch strategisch denken.“

Der Kampf gegen die zunehmende Hinwendung der Bourgeoisie zur Diktatur erfordert den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus, gegen nationalistischen Hass und für die Einheit der Arbeiterklasse. Dafür ist es dringend notwendig, alle Einwanderer und Flüchtlinge gegen die rechtsextreme Polizeistaatspolitik der EU zu verteidigen. Ein solcher Kampf muss völlig unabhängig sein vom kapitalistischen politischen Establishment.

Die Polizeiaktion von Montag wurde von den Republikanern und dem rechtsextremen Rassemblement National unterstützt, von den Grünen, der Sozialistischen Partei (PS) und Jean-Luc Mélenchons Unbeugsamem Frankreich (LFI) hingegen verurteilt. Ihre Kritik an Macron ist jedoch völlig zynisch. Diese Parteien haben allesamt für den zweijährigen Ausnahmezustand unter PS-Präsident François Hollande gestimmt und seither den Ausbau der Polizeibefugnisse unterstützt.

Mélenchon erklärte am Montag in einer Pressekonferenz, der Angriff der Polizei zeige „Szenen von seltener Barbarei und bedeutet, dass der Präsident der Republik ein autoritäres Regime aufbaut“. Doch Mélenchons spanischer Verbündeter Podemos ist in eine Koalition mit der PSOE eingetreten, die auf den Kanaren Gefangenenlager für Tausende von Flüchtlingen baut. Genau wie ihre Amtskollegen im Rest der EU hat auch die spanische Regierung Rettungsoperationen für Flüchtlinge im Mittelmeer eingestellt und lässt damit jedes Jahr Tausende ertrinken, um andere davon abzuschrecken, in Europa von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch zu machen.

Diese Tatsache verdeutlicht, dass eine humane Flüchtlingspolitik ebenso wie eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Pandemie den Aufbau einer politischen Bewegung erfordert, die die Arbeiterklasse an die Macht bringt und ihr die Kontrolle über die weltweiten Ressourcen überträgt.

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