Autoindustrie im Coronajahr 2020: Sparprogramme, Entlassungen und riesige Gewinne

Die deutsche Autoindustrie hat im letzten Jahr Milliardengewinne gemacht, obwohl sie deutlich weniger Fahrzeuge verkaufte. Für die Bereicherung der Aktionäre sorgten staatliche Hilfsprogramme, Kurzarbeit, Massenentlassungen und Sparprogramme auf Kosten der Arbeiter. Während Arbeiter im Pandemiejahr 2020 ihr Leben riskierten, Lohneinbußen erlitten oder entlassen wurden, füllten sich die Konten der Kapitalbesitzer.

Die Gewerkschaften spielen eine Schlüsselrolle bei den Angriffen auf die Belegschaften. Ein Ende der Arbeitsplatzvernichtung und der Kürzungen ist trotz – oder besser: gerade wegen – des milliardenschweren Geldregens nicht in Sicht.

Im letzten Jahr profitierten fast ausschließlich Banken, Industriekonzerne und andere Groß-Unternehmen von den Hilfs- und Konjunkturprogrammen der Bundesregierung und den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank, die sich zusammen auf mehr als zwei Billionen Euro belaufen. Steuer- und Abschreibungsentlastungen, geänderte Kurzarbeitsregeln und viele weitere Erleichterungen ermöglichen es den Konzernen, die Ausgaben enorm zu senken und zusätzliche Einnahmen zu generieren.

So erhalten Betriebe seit einem Jahr „erleichtertes Kurzarbeitergeld“, wenn zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind – statt wie bisher ein Drittel. Den Unternehmen werden zudem die Sozialversicherungsbeiträge, die sie bei Kurzarbeit zu zahlen haben, in voller Höhe erstattet.

Vom 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket, das die Regierung Anfang Juni verabschiedete, sind 50 Milliarden Euro für „Investitionen in Klimaschutz und Zukunftstechnologien“ vorgesehen – eine verklausulierte Formulierung für die Autoindustrie. Börsianer wie die Analysten der LBBW Research verlangen weitere staatliche Milliarden für die Autoindustrie.

Volkswagen

Der VW-Konzern verkaufte im Jahr 2020 weltweit 9,3 Millionen Fahrzeuge, das sind gut 1,6 Millionen oder 15 Prozent weniger als 2019. Nach den vorläufigen Ergebnissen machte der VW-Konzern im selben Jahr 10 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern. Ein unerwartetes Ergebnis für die Finanzmarkt-Akteure, die Prognose hatte bei 5,8 Milliarden gelegen. Die Analysten von Independent Research rechnen nun für 2020 mit einem Gewinn von 13,35 Euro statt 6,92 Euro je Aktie.

Der „Zukunftspakt“, den die IG Metall 2016 mit dem VW-Management ausgearbeitet hat, sah die Vernichtung von insgesamt 30.000 Arbeitsplätzen vor. Allein im Jahr 2019 haben fast 11.000 Beschäftigte bei VW ihren Job verloren.

Doch VW-Chef Herbert Diess reicht das nicht. In einem Interview mit Bloomberg sagte er: „Die Erneuerung geht immer noch zu langsam voran.“ Langfristig konkurrenzfähig bleibe VW nur, wenn Kosten gesenkt und das Autogeschäft stärker auf Rendite ausgerichtet würden. So plant VW innerhalb von zwei Jahren seine Materialkosten um etwa sieben Prozent, die Fixkosten in drei Jahren 2023 um fünf Prozent zu senken. Letzteres bedeutet laut Diess nichts anderes als Personalabbau. VW verhandelt bereits mit der IG-Metall über die Zahl der Arbeitsplätze, die zusätzlich zu den bereits vereinbarten 30.000 vernichtet werden.

Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte Diess bereits im letzten Jahr dabei unterstützt, die Fixkosten zu senken und dabei auch Personal abzubauen. „Mehr Effizienz ist immer gut“, sagte Osterloh der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu den Produktivitätszielen von Vorstandschef Herbert Diess. „Die Frage ist nur: Wie komme ich dort hin?“ Arbeitsplatzabbau nach der „Rasenmähermethode“ führe nur zu kurzen „Strohfeuern an der Börse“.

Osterloh hat Alternativkonzepte entwickelt und wirbt dafür. Er verlangt beispielsweise vom Vorstand eine Verringerung der Vielfalt an Ausstattungen und Prozessen. So habe VW derzeit noch rund zwei Dutzend mehr Ausführungen von Batteriezell-Varianten für Elektroautos als der große Konkurrent Tesla. Das „Layout der einzelnen, im Fahrzeug versteckten Zellen“ müsse stärker vereinheitlicht werden, „um unsere Schlagkraft als Konzern voll ausspielen zu können“, drängt Osterloh.

Mit anderen Worten: Osterloh ist nicht gegen Arbeitsplatzabbau, dieser muss aber länger als ein Quartal die „Effizienz“ steigern. Betriebsrat, Vorstand und Gewerkschaft verhandeln gerade, wo und wie Stellen gestrichen werden.

BMW

Der BMW-Konzern verkaufte im Jahr 2020 weltweit 2, 3 Millionen Fahrzeuge, 8,4 Prozent weniger als 2019 (2,5 Millionen). BMW wird seine Ergebnisse voraussichtlich am 17. März veröffentlichen, der Gewinn vor Zinsen und Steuern dürfte laut Analysten bei rund 5 Milliarden Euro und damit leicht höher als im Jahr zuvor liegen (4,92 Milliarden Euro). Die Analysten rechnen nach diesen ersten Zahlen für 2020 mit einem Gewinn je Aktie von 5,64 Euro statt bislang erwarteten 5,57 Euro.

2019 erwirtschafteten fast 134.000 Beschäftigte im Konzern einen Gesamtumsatz von über 104 Milliarden Euro. Das entspricht einem Umsatz von nahezu 780.000 Euro pro Arbeiter.

Im Mai 2020 wurden mitten in der Pandemie 34.000 Arbeiter mit den entsprechenden Lohnkürzungen in Kurzarbeit geschickt. Zur gleichen Zeit schüttete BMW 1,6 Milliarden Euro als Dividende an die Aktionäre aus, vor allem an die Familien Quandt und Klatten. Unmut darüber versuchte BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch im Keim zu ersticken. Er warnte die Arbeiter, die Jobgarantie sei nur gültig, „solange das Unternehmen keinen Verlust macht“.

Nur zwei Monate später, im Juli 2020, kündigte BMW die Entlassung von 16.000 Arbeitern an, darunter 10.000 Leiharbeitern. Der Konzern hat einen Einstellungsstopp verhängt, baut jedes Jahr 5000 Arbeiter ab, davon geht die Hälfte in Rente. Begründet wurden diese Einschnitte von Management und IG Metall mit dem Ziel, die Transformation der Elektromobilität zu beschleunigen. Schon Ende 2023 will BMW 23 elektrifizierte Automodelle auf den Markt bringen.

Als im zweiten Quartal 2020 der BMW-Absatz zurückging, teilte Betriebsratschef Schoch in einem Podcast mit, dass laut Betriebsvereinbarung jeder Anspruch auf einen Arbeitsplatz habe, aber wenn das Unternehmen nicht gut laufe, seien betriebsbedingte Kündigungen nicht vermeidbar.

Daimler AG

Daimler lieferte 2020 weltweit über 2,2 Millionen Fahrzeuge aus, 6,2 Prozent weniger als 2019 (2,34 Mio.) In Börsenkreisen wird Daimler für seine „Performance“ unter den deutschen Automarken im Jahr 2020 gelobt. Mit 6,6 Milliarden operativem Gewinn erzielte der Konzern über 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Daimler hat angekündigt, für das Jahr 2020, in dem der Konzern den Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen bekanntgab, 3,6 Milliarden Euro an die Aktionäre auszuschütten. Die Dividende soll von 90 Cent im Vorjahr auf 1,35 Euro steigen.

Neben dem Jobabbau hatte die IG Metall im Juli 2020 eine Arbeitszeitverkürzung für 70.000 Beschäftigte mit 12 Prozent Lohnabschlag vereinbart. Weitere 4000 werden ab dem 1. April 2021 35 statt 40 Stunden arbeiten, ohne Lohnausgleich. Die Erfolgsprämie bei Daimler, die 2018 noch 4965 Euro für jeden Beschäftigten betrug, wurde auf 1097 Euro gekürzt.

Protest gegen Arbeitsplatzabbau im Daimler-Werk Berlin (Foto: WSWS)

Daimler-Chef Ola Källenius gelobte, die Sparprogramme fortzusetzen. Er strich im letzten Jahr fast sechs Millionen Euro Gehalt ein, seine Vorstandskollegen etwa die Hälfte. Der Betrag, den die Vorstände unter sich aufteilten, stieg im Vergleich zu 2019 von 24,5 auf 28,3 Millionen Euro. Auch der Aufsichtsrat, in dem zehn IGM-Funktionäre und Betriebsräte sitzen, erhielt einen höheren Betrag, die Gesamtsumme stieg von 4,6 Millionen auf 5,5 Millionen Euro.

Die Süddeutsche Zeitung kommentierte die Gewinne der Autoindustrie: „Weniger Rabatte beim Verkauf und heftige Sparprogramme in den Fabriken, auch mitgetragen durch weitgehende Zugeständnisse der Belegschaft und Abfindungsprogramme, zeigen ihren Effekt: Bei Daimler etwa ist der Umsatz, die Mitarbeiterzahl und der Fahrzeugabsatz zurückgegangen, aber eben der Gewinn gestiegen.“

Källenius lobte in der SZ den Geldsegen der Bundes- und Landesregierungen. Der Konzern habe im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro durch Kurzarbeit eingespart, das sei ein Zeichen, dass der Staat gut funktioniere. Nun brauche Daimler keine Subventionen mehr.

Källenius rechtfertigte die Staatsgelder: „Daimler hat aber auch viele Jahre viel Geld in die Sozialversicherung eingezahlt.“ Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht teilt diese Meinung. Der Stuttgarter Zeitung sagte er: „Ich verstehe natürlich den Frust, wenn jemand in Not gerät, weil er keine Hilfe vom Staat bekommt, oder dass jemand sauer ist, wenn die zugesagte Hilfe nicht bei ihm ankommt. Es regt mich aber auf, wenn uns solche Vorwürfe gemacht werden. Wir greifen hier doch nichts Ungerechtes ab.“

Arbeiter, die der Meinung sind, dass es sehr wohl ungerecht ist, dass sie mit ihren Arbeitsplätzen, Löhnen, ihrer Gesundheit und ihrem Leben für die obszöne Bereicherung der Aktionäre, Manager, Betriebsrats- und Gewerkschaftsfunktionäre zahlen, sollten sich beim „Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze“ melden, um unabhängige Aktionskomitees aufzubauen und gegen diese Situation den Kampf aufzunehmen.

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