US-Repräsentantenhaus vertagt Sitzung wegen faschistischer Gewaltandrohungen

Am Donnerstag, den 4. März, wurde eine für den Morgen geplante Sitzung des Repräsentantenhauses abgesagt und auf das Wochenende verschoben. Zuvor hatten Sicherheitsbehörden von ernstzunehmenden Gewaltandrohungen gegen das Kapitol berichtet.

In rechten sozialen Netzwerken wurde das Datum verbreitet, um einen Angriff auf das Kapitol nach dem Vorbild der Ereignisse vom 6. Januar auszuführen. Laut einer derzeit kursierenden Verschwörungstheorie aus den Kreisen der QAnon-Bewegung sollte der 4. März der Tag sein, an dem der ehemalige Präsident Trump an die Macht zurückkehren und die „unrechtmäßige“ Regierung von Joe Biden stürzen sollte.

Nationalgardisten auf dem Capitol Hill in Washington nahe dem Kapitol am 4. März (AP Photo/Jacquelyn Martin) [AP Photo/Jacquelyn Martin]

Das Datum wurde aufgrund seiner historischen Bedeutung ausgewählt: Der 4. März war bis 1933 der Tag, an dem die US-Präsidenten in ihr Amt eingeführt wurden. Nach der Verabschiedung des 20. Zusatzartikels der amerikanischen Verfassung wurde der 20. Januar fortan als Tag der „Presidential Inauguration“ festgelegt. Franklin D. Roosevelt wurde als erster Präsident (für seine zweite Amtszeit) an diesem Tag vereidigt.

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verharmloste diese eklatante Kapitulation vor faschistischem Terrorismus. Am Donnerstag erklärte sie auf ihrer regelmäßigen morgendlichen Pressekonferenz, die Drohungen von QAnon, am 4. März einen Anschlag durchzuführen, seien „lächerlich“.

Weiter sagte sie, das Repräsentantenhaus habe ohnehin vorgehabt, sich nach einer kurzen Sitzung am Vormittag zu vertagen, damit die republikanische Fraktion später am Tag eine „Themenkonferenz“ abhalten konnte. Die für Donnerstagmorgen geplanten Abstimmungen fanden bereits am Mittwochabend statt, was Pelosi als „Vorteil“ beschrieb, nicht als Kapitulation vor rechter Gewaltandrohung.

Gleichzeitig kündigte Pelosi an, dass der ehemalige General Russell Honoré Ende März seinen Bericht über die Sicherheit des Capitol Hill vorlegen werde. Dieser werde eine Einschätzung zu verschiedenen Fragen enthalten, z. B. der eines dauerhaft bewachten Sperrbereichs um das Kapitol. Auch ein aggressiverer Einsatz der Capitol Police zur Bewachung von Abgeordneten, der angrenzenden Bürogebäude sowie in den Wahlkreisen der Abgeordneten soll diskutiert werden.

Unterdessen hat die Capitol Police eine 60-tägige Verlängerung der Stationierung von 5.200 Nationalgardisten gefordert. Diese wurden in Washington, D.C. als Reaktion auf den Angriff vom 6. Januar und anschließende Sicherheitsbedrohungen eingesetzt. Der amtierende Chef der Capitol Police, Yogananda Pittmand, erklärte am Mittwoch bei einer Anhörung vor dem Repräsentantenhaus, die Zahl der Drohungen gegen einzelne Kongressmitglieder sei im Vergleich zu früheren Jahren um 94 Prozent gestiegen.

Die Stationierung sollte eigentlich am 12. März enden, eine geplante Ansprache von Präsident Joe Biden bei einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses wurde jedoch bis mindestens Mitte März vertagt. Die Ansprache gilt als nächster möglicher Zeitpunkt für weitere faschistische Gewaltandrohungen, die sich erneut auf das Kapitol konzentrieren könnten.

Die Capitol Police warnte am 3. März vor einem „möglichen geplanten Anschlag einer nicht identifizierten Milizgruppe auf das Kapitol“. Am Donnerstagmorgen wurden mehr Nationalgardisten als üblich vor dem Gebäude stationiert. Der Tag verging letztlich ohne Zwischenfälle.

Zuvor hatte General William Walker, Kommandant der Nationalgarde von Washington, am Mittwoch bei einer gemeinsamen Anhörung des Geschäftsordnungsausschusses und des Justizausschusses des Senats ungewöhnliche Aussagen gemacht: Walker beschrieb die drei Stunden und 19 Minuten am 6. Januar, die von seinem ersten Antrag auf Einsatzerlaubnis der Nationalgarde in der Hauptstadt (13:49 Uhr) bis zum Eintreffen der Zusage des Pentagon um (17:08) Uhr vergingen.

Mehr als drei Stunden lang wüteten die Randalierer im Kapitol und drohten mit der Hinrichtung von Vizepräsident Mike Pence und der Sprecherin des Repräsentantenhauses Pelosi. Ihr Ziel war es, die Abstimmung des Wahlmännerkollegiums zu verhindern, mit der Joe Bidens Sieg über Donald Trump in der Präsidentschaftswahl 2020 bestätigt werden sollte.

Während die Medien Walkers Aussagen weitgehend ignorierten, veröffentlichte die Washington Post am Donnerstag einen Leitartikel, in dem sie Antworten auf die Frage forderte, wer für die Verzögerung verantwortlich war. Auch soll geklärt werden, warum das Pentagon Walkers Befugnis zum eigenständigen Handeln im Falle eines offensichtlichen Notfalls – dem Sturm eines faschistischen Mobs auf das Kapitol – auf derart „ungewöhnliche“ Weise eingeschränkt hat. In dem Leitartikel hieß es, der Zeuge des Pentagon bei der Anhörung von General Walker habe bei den Diskussionen am 6. Januar keine Rolle gespielt. Die Post schlug vor, dass diejenigen, die dort tatsächlich eine Rolle gespielt haben, zu einer Aussage vorgeladen werden.

Die Post-Kolumnistin Dana Milbank äußerte sich offener: „Schlimmstenfalls haben aus politischen Gründen ernannte Personen und Trump-Vertraute im Verteidigungsministerium bewusst verhindert, dass die Nationalgarde das Kapitol gegen einen aufgehetzten Mob verteidigt. Christopher Miller, der letzten Endes für die Verzögerung verantwortlich ist, war Berater im Weißen Haus, bevor Trump ihn im November zum amtierenden Verteidigungsminister machte. Zu dieser Zeit begann der Präsident mit den Vorbereitungen, um seine Wahlniederlage rückgängig zu machen.“

Milbank wies darauf hin, dass Miller als amtierender Verteidigungsminister den Einsatz der Nationalgarde am 6. Januar erst um 16:32 Uhr bewilligte, 15 Minuten nachdem Trump die Aufständischen per Video aufgerufen hatte, nach Hause zu gehen. Sie fragte: „Hat Miller auf Trumps Segen gewartet, bevor er die Verteidigung des Kapitols genehmigte?“

Selbst ein republikanischer Senator im Senatsausschuss, Roy Blunt aus Missouri, äußerte sich fassungslos über die Reaktion des Pentagon. Er erklärte später vor der Presse: „Wir haben zu Recht Fragen an Sekretär McCarthy und den amtierenden Verteidigungsminister Christopher Miller.“ Er fügte hinzu: „Es wird definitiv notwendig sein, sie nach ihrer Sicht der Dinge zu befragen, und warum dieser Entscheidungsprozess so schrecklich schiefgelaufen ist.“

Die demokratischen Vorsitzenden der beiden Ausschüsse, Amy Klobuchar und Gary Peters, deuteten an, es würden noch weitere Zeugenaussagen über die Ereignisse am 6. Januar benötigt. Bisher haben die Demokraten im Kongress nicht versucht, hochrangige Beamte vorzuladen, die für die Verzögerung bei der Entsendung von Truppen verantwortlich waren. Dazu gehören der Secretary of the Army Ryan McCarthy, der damalige Verteidigungsminister Miller und die beiden Generäle Walter Piatt und Charles Flynn, die an der Entscheidung beteiligt waren.

Flynn ist der Bruder des ehemaligen Generals Michael Flynn, ein wichtiger Verbündeter Trumps, der diesen dazu gedrängt hatte, das Kriegsrecht auszurufen und in den stark umkämpften Bundesstaaten die Wahl unter der Aufsicht des Militärs zu wiederholen.

Weder Flynn noch Piatt waren Teil der Befehlskette, durch die der Einsatz der Nationalgarde angeordnet wurde. Weil das Gebiet der Hauptstadt kein Bundesstaat ist, obliegt die Befehlsgewalt über die Nationalgarde dem Präsidenten – dessen Anhänger das Kapitol attackierten. Der Präsident seinerseits delegiert diese Befehlsgewalt an den Secretary of the Army und den Verteidigungsminister.

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