Verfassungsschutz stuft AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein

Am Mittwochmorgen teilte Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang seinen Kollegen aus den Bundesländern mit, dass der Geheimdienst die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall führt und von nun an geheimdienstlich beobachten will. Nachdem sie sich jahrelang geweigert hat, sieht sich die Regierung damit gezwungen, den faschistischen Charakter der größten Oppositionspartei Deutschlands offiziell anzuerkennen.

In einem umfassenden Gutachten, das an verschiedene Medien durchgestochen wurde, fasste der Geheimdienst auf über eintausend Seiten die Begründung für die Einstufung zusammen, die sich auf die Aussagen von 302 Funktionären, davon 88 auf Bundesebene stützt. Der Verfassungsschutz kommt zu dem Ergebnis, dass der offiziell aufgelöste, offen faschistische „Flügel“ der Partei nach wie vor großen Einfluss ausübe. Auch „gewaltsamer Widerstand“ könne „nicht prinzipiell ausgeschlossen werden“.

Politische Gegner würden als „Volksverräter“ und „Vernichter Deutschlands“ tituliert, Muslime „pauschal diffamiert, herabgewürdigt und ausgegrenzt“. Die Nicht-Achtung der Menschenwürde von Migranten stehe nicht nur „in diametralem Gegensatz“ zur Menschenwürde-Garantie sowie dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, „sondern gefährdet in hohem Maße den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben in Deutschland“, heißt es in einem zusammenfassenden Schriftsatz.

Tatsächlich kann am rechtsextremistischen Charakter der AfD seit Jahren kein Zweifel bestehen. Ihr Fraktionschef und Ehrenvorsitzender Alexander Gauland hatte schon im Jahr 2017 die Verbrechen der Nazis als „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ bezeichnet und seinen Stolz gegenüber Hitlers Wehrmachtssoldaten zum Ausdruck gebracht. Mitglieder und Mandatsträger der Partei pflegen enge Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis und in die rechtsterroristische Szene, deren Mitglieder Waffen horten und Listen tausender politischer Gegner anfertigen, die sie an einem Tag X zusammentreiben und erschießen wollen.

Doch der Verfassungsschutz und das zuständige Innenministerium haben die Rechtsextremisten jahrelang gedeckt und unterstützt. Als die AfD im August 2018 zusammen mit anderen Rechtsextremisten durch Chemnitz marschierte und im Zuge dessen Hetzjagden gegen Flüchtlinge sowie antisemitische Anschläge verübt wurden, stellte sich Innenminister Horst Seehofer hinter die Demonstration und erklärte: „Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen.“

Der damalige Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, leugnete sogar, dass es überhaupt zu rechtsextremen Hetzjagden gekommen sei. Er hatte sich auch regelmäßig mit dem Führungspersonal der AfD getroffen, um sie zu beraten, wie sie der geheimdienstlichen Beobachtung entgehen könnten.

Im gleichen Jahr stufte der Verfassungsschutz die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als „linksextremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ ein, unter anderem, weil sie sich „gegen vermeintlichen Nationalismus“ positioniere. Die SGP hatte wie keine andere Partei vor der rechten Gefahr gewarnt und Widerstand dagegen organisiert.

Überhaupt führt der Geheimdienst in seinem jährlichen Bericht Proteste gegen AfD-Parteitage, den „andauernden ‚Kampf‘ gegen Rechtextremisten“ und das Sammeln von „Informationen über vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten sowie deren Strukturen“ als Beleg für eine „linksextreme“ Gesinnung an.

Als die AfD in den Bundestag einzog und damit zum ersten Mal seit dem Ende der Nazi-Diktatur über 90 rechtsextremistische Abgeordnete im Parlament saßen, wurde die Partei von sämtlichen Fraktionen hofiert und in die parlamentarische Arbeit integriert. Sie wurde in den Vorsitz wichtiger Ausschüsse gewählt und schließlich durch die Große Koalition zur offiziellen Oppositionsführerin gemacht. In Thüringen bildeten CDU und FDP sogar eine Regierungsmehrheit mit den Faschisten. Allein im Jahr 2019 erhielt die AfD über zehn Millionen Euro an staatlicher Unterstützung.

Erst aufgrund dieser Politik konnte die AfD in sämtliche Landesparlamente einziehen, einen umfassenden Parteiapparat aufbauen und ihren Einfluss in Polizei, Armee und Geheimdiensten massiv ausbauen.

Nun kommen angesichts der enormen Opposition gegen die Rechtsextremisten selbst Innenministerium und Verfassungsschutz nicht umhin, den Charakter der AfD offiziell anzuerkennen. Das zeigt, wie ernst die faschistische Gefahr tatsächlich ist, und bestätigt vollständig die Warnungen der Sozialistischen Gleichheitspartei.

Doch weder von der Regierung noch von den Geheimdiensten ist in irgendeiner Weise ein ernsthafter Kampf gegen die AfD zu erwarten. Die letzten Jahre haben ja gerade gezeigt, wie eng der Verfassungsschutz mit der rechtsextremen Szene verbunden ist.

Schon vor der AfD gaben Mitarbeiter des Geheimdienstes in rechtsextremistischen Organisationen den Ton an und finanzierte der Verfassungsschutz weite Teil der faschistischen Szene. Die neonazistische NPD infiltrierte der Verfassungsschutz im Zuge seiner „Beobachtung“ so weit, dass nach Auffassung der Richter des Bundesverfassungsgerichts von einer „Veranstaltung des Staates“ gesprochen werden musste.

Die Große Koalition hat die AfD nicht nur zur Oppositionsführerin gemacht, sondern setzt die Politik der Rechtsextremisten auch in die Tat um. Der Aufbau menschenverachtender Deportationslager für Flüchtlinge, die massive Stärkung des Polizeistaats und die massivste Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg tragen allesamt die Handschrift der AfD. Besonders scharfe Formen nimmt das mit der rücksichtslosen Öffnungspolitik im Zuge der Corona-Pandemie an, die die Profite der Unternehmen vor die Gesundheit und das Leben der Menschen stellt.

Weil der Kapitalismus der großen Mehrheit nichts mehr zu bieten hat als schreiende soziale Ungleichheit, Militarismus und Tod, setzen die Herrschenden wie in den 1930er Jahren in wachsendem Maße auf autoritäre und faschistische Methoden, um die Politik der Finanzoligarchie durchzusetzen. Das ist der Grund, weshalb überall auf der Welt rechtsextreme Tendenzen aufgebaut und gestärkt werden.

Der Putschversuch Donald Trumps vom 6. Januar war in dieser Hinsicht ein Wendepunkt. Der abgewählte Präsident mobilisierte erhebliche Teil des Staatsapparats, die republikanische Partei und einen faschistischen Mob, um eine Präsidialdiktatur zu errichten. Nicht umsonst schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Renner kurz nach dem Sturm des Kapitols auf Facebook: „Trump führt den gleichen politischen Kampf – den man schon Kulturkampf nennen muss – wie wir als ‚Alternative für Deutschland‘.“

In den USA wie in Deutschland ist die Opposition der offiziellen Politik gegen die Rechtsextremisten verlogen und scheinheilig. Sie fürchten nicht so sehr das Programm der Faschisten, sondern vielmehr den Widerstand, der sich dagegen in breiten Schichten entwickelt. Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht auf den bürgerlichen Staat und seine Geheimdienste gestützt werden kann. Diese nutzen ihre gesteigerte Macht unweigerlich, um die Opposition von links zu unterdrücken.

Die einzige Möglichkeit, die rechte Gefahr zu stoppen, ist die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse gegen die Wurzel des Übels, den Kapitalismus. Für diese Perspektive kämpft die SGP in der diesjährigen Bundestagswahl. Alle, die die Rückkehr von Faschismus und Krieg ablehnen, rufen wir auf, diesen Wahlkampf zu unterstützen und Mitglied der SGP zu werden.

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